"Eine Chance für die Liebe": Sexexpertin Erika Berger gestorben
So offen wie Erika Berger in der RTL-Sendung "Eine Chance für die Liebe" hatte vorher im TV niemand über Sex geredet. Das war ein Tabubruch, das war ihre Leistung. Ein Nachruf
Als Sexexpertin kommt niemand auf die Welt, nicht die weltbekannte Dr. Ruth Westheimer und nicht Erika Berger. Berger galt tatsächlich eine Zeitlang als deutsche Ruth Westheimer. Das war ein Irrtum - und es war keiner. Westheimer ist eine anerkannte Sexualtherapeutin mit enormer Medienpräsenz, Berger war eine Boulevardjournalistin, die das Thema Sex für das deutsche Fernsehen, für den Privatsender RTL entdeckte. Also eine Sexexpertin, die wusste, wovon sie sprach und, und das mit einer Unerschrockenheit, die sie wiederum mit Ruth Westheimer gemein hatte. Bergers Bekenntnis "Man muss die Dinge einfach beim Namen nennen, dann ist es nicht peinlich im Sinne von unfreiwillig komisch. Ein Penis ist nun mal ein Penis, fertig."
Diese ununmstößliche Tatsache war schon vor 1987 bekannt, aber erst mit der RTL-Sendung "Eine Chance für die Liebe" wurde sie öffentlich, sprich im Fernsehen geäußert. War ein Tabubruch, doch der neugegründete Kommerzsender RTL wusste mit Helmut Thoma an der Spitze genau, was für den Erfolg zu tun war: Aufmerksamkeit durch Aufregung. Also "Tutti Frutti", also "Eine Chance für die Liebe". Erika Berger also im Studio, beantwortete mit bayerischem Dialekt Anruferfragen über Eifersucht, Erektionsprobleme und Orgasmusnöte und schlug dabei auffällig ihre in schwarzen Nylons steckenden Beine übereinander. „Hallo, hier ist Erika Berger, wer spricht?“, so und nicht anders ermunterte sie verunsicherte Paare und Partner zu Frage und Bekenntnis. Ihre Ratschläge waren weniger mit Studien fundiert, sondern kamen nach eigener Aussage "eher aus dem Herzen heraus".
Propagandistin für den Seitensprung?
Der Gegenwind war beträchtlich, was die sowieso schon beträchtlichen Millionen-Einschaltquote weiter in die Höhe trieb. Sexualtherapeuten konfrontierten sie mit dem Vorwurf, ihre Sendung betreibe "Propaganda für den Seitensprung". Konnte Erika Berger schlichtweg egal sein, sie galt als "Sexexpertin", sie holte das Thema aus der Tuschelecke. Eine Sendung wie "Make more Love" wäre heute nicht denkbar ohne die Vorarbeiterin Erika Berger. "Make more Love" läuft heute im ZDF, in den 1980er-Jahren eine Bastion gesellschaftlicher Verklemmung. Und RTL kommt heute ohne explizite Sexsendung aus.
Erika Berger, geboren am 13. August 1939 in München", war eine in der Wolle gefärbte Boulevardjournalistin. Sie hatte für die "Bild"-Zeitung gearbeitet, für die "Neue Revue" geschrieben, deren Chefredakteur Richard Mahkorn war. Der war seit 1974 ihr zweiter Mann. Berger hatte früh geheiratet, mit 20 Jahren, da war sie schwanger, aus der ersten Ehe stammen zwei Kinder. Aus dem Berufswunsch Schauspielerin wurde nichts, das Studium der Betriebswirtschaft hatte sie auf Drängen der Eltern begonnen und rasch wieder aufgegeben. Eine erste Richtung bekam ihr Leben, als sie, die Aushilfs-Servicekraft, in einer Münchner Diskothek Richard Mahkorn kennenlernte, den späteren Chefredakteur der Illustrierten "Neue Revue" und "Quick". Es begann das Leben der Boulevardjournalistin Erika Berger.
Feste Größe des Privatfernsehens
Dass RTL sie 1987 engagierte, hatte mit ihrem ersten Bucherfolg "Der Bett-Knigge" zu verdanken. Vom Schreiben ließ sie auch als Fernsehmoderatorin nicht. Noch 2009 erschien bei Langenscheidt ihr Wörterbuch "Sex-Deutsch, Deutsch-Sex". Ihren Erfolg mit der "Chance für die Liebe" konnte sie nicht wiederholen, trotzdem blieb die Münchnerin eine feste Größe des Privatfernsehens: sie moderierte die Talkshow "Der flotte Dreier", ab 1994 präsentierte sie das Tageshoroskop, spielte eine Reporterin in der Serie "Scheidungsgericht". Bei "Big Brother" tat sie das, was sie am besten konnte, sie war die Expertin für die Liebesgeschichten in der Fernseh-WG. Da galt sie längst als "Grande Dame der Sexberatung". Ab 2013 betreute die Moderatorin die Sat-1-Show "Flirten, Daten, Lieben", dass sie im Februar 2015 in der Vox-Sendung "Promi Shopping Queen" Letzte wurde, konnte ihr herzlich egal sein. Sie hatte längst als ihre Dividende als führende "Aufklärerin der Nation" im deutschen Privatfernsehen erzielt.
Und ihr eigener Sex? Sie lachte ihr herzhaftes Erika-Berger-Lachen, wenn man sie danach fragte. Und erwiderte dann: „Oswalt Kolle hat mir mal einen sehr guten Satz gesagt: „Erika, du musst wissen, wer in der Jugend viel geübt hat, der kann's auch noch im Alter!““
Am Sonntag ist die Buchautorin, Moderatorin und Journalistin Erika Berger in Köln mit 76 Jahren gestorben.
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