Zu PAPIER gebracht: Seitensprung-Portal geknackt
Joachim Huber erkennt einen Zusammenhang zwischen Affäre, Affenhirnen und Internet. Außerdem: Was nutzt es der Moral, wenn sie auf Doppelmoral beruht?
Sagen wir es mal so. Affenhirne sezieren, das können und wollen nur wenige. Sex können und wollen alle. Während das mit den Affenhirnen eine diffizile, komplexe, auf jeden Fall eine herausfordernde Angelegenheit von Spezialisten ist, braucht es für den Sexualakt Bereitschaft, Lust und Minimum zwei Körper, die sich auf welche Weise auch immer zum Höhepunkt vereinigen wollen.
Bei nicht wenigen Paaren ist der Sex allerdings so angestrengt und so selten wie das Sezieren von Affenhirnen. Deswegen und nicht erst gestern wurde der Seitensprung erfunden. Von den kurz-, mittel- oder langfristigen Affäre lebt die Wirtschaft. Präsente, Hotels, Viagra, Zweithandys, Perücken, Spielzeug – der Kitzel hat seine Kosten.
Der Seitensprung ist ein Geschäftsmodell, auch für das Internetportal Ashley Madison, betrieben von dem kanadischen Unternehmen Avid Life Media in Toronto. Der Slogan ist hedonistisch: „Das Leben ist kurz. Gönn’ Dir eine Affäre.“ Gegründet 2001, hat das Portal weltweit fast 39 Millionen Nutzer aus 46 Ländern, Deutschland ist dabei. Bedarf und Bedürfnis sind gewaltig.
Der größte anzunehmende Unfall beim Seitensprung ist das Erwischt-Werden. Genau das ist dem Portal passiert. Hacker haben Daten von rund 32 Millionen Nutzern gestohlen und ins Darknet, das ist der Darkroom des Internets, gestellt. Dabei handelt es sich um ein Netz von anonymen Untergrundseiten.
Millionen Männer und Frauen zittern vor der Bloßstellung
Jetzt zittern etwa 27 Millionen Männer und fünf Millionen Frauen vor der Veröffentlichung. Der Hackergruppe, die sich Impact Team nennt, scheint es nicht um Erpressung zu gehen, sondern um Moral: Sollte das „Betrüger“-Portal „nicht umgehend und dauerhaft“ geschlossen werden, droht die Massen-Bloßstellung. Ashley Madison bangt um einen Jahresumsatz von rund 120 Millionen Dollar.
Was passiert jetzt? Was ist mächtiger: der Trieb oder die Angst vorm Auffliegen? Werden die Seitenspringer vom Seitensprung ablassen und sich wieder in Treue üben?
Das Netz erweist sich nicht zum ersten Mal als löchrig, als zwiespältig. Aus Anonymität wird Öffentlicheit, aus Diskretion Indiskretion – nur der Betrug bleibt, was er ist: Betrug. Und die schöne, große Moral bekommt den Hautgout, dass sie mit Diebstahl und weiteren Niedrigkeiten erkauft worden ist. Moral wird zu Doppelmoral, die Rechtfertigung „Der Zweck heiligt die Mittel“ schrumpft zu „Der Zwerg reinigt die Kittel“.
Wenn der Seitensprung immer und immer komplizierter wird, wird das Sezieren von Affenhirnen noch zur Alternative. Vollkommen absurd? Der Mensch und sein Trieb sind zu jeder Absurdität fähig.
Joachim Huber
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