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„The Walking Dead“
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"Walking-Dead"-Produzentin im Interview: „Schwerer Fehler – und du bist weg als Frau“

„The Walking Dead“, „Aliens“, „Terminator“: Die Produzentin Gale Anne Hurd über den Preis des Erfolgs und die Frage, warum im Kinobusiness nach wie vor Männer regieren.

Frau Hurd, was verbinden Sie mit Berlin?

Ich liebe diese Stadt, seit hier 2004 „Aeon Flux“ gedreht wurde. Damals wurde ich ein großer Fußballfan während der EM. In meiner Straße in Charlottenburg gab es zwei Restaurants: ein deutsches und ein griechisches. Griechenland wurde Europameister. Für die war es Weihnachten und Thanksgiving zusammen.

Dann sind Sie sicher auch ein Fan von Jürgen Klinsmann?

Nein, ich mag Klinsmann nicht, allein schon weil er Landon Donovan nicht mit zur WM genommen hat. Klinsmann hat ein unglaublich großes Ego.

Ein großes Ego braucht man auch im Filmbusiness. Wie schwer ist es da, als Frau seinen Weg zu gehen?

Ich kann nur für mich sprechen. Ich hatte das Glück, dass ich 1978 mit einem der wenigen Großen zusammengearbeitet habe, der Frauen unterstützte, nämlich Roger Corman. Roger fand, dass Frauen intelligenter als Männer seien, härter arbeiten, loyaler sind und weniger kosten. Also die perfekte Kombination für ihn. Er gab Frauen die gleiche Verantwortung wie Männern. Er war sogar so ehrlich, mir nach ein paar Jahren zu sagen, du weißt jetzt alles und kannst nichts mehr von mir lernen. Du musst jetzt selbst deinen Weg gehen. Das Nächste, was ich dann selbst machte, war der „Terminator“ 1984.

Wie setzt man sich da durch als Frau?

Fakt ist: Du musst besser vorbereitet sein als Frau. Wenn du nur einen schweren Fehler machst, sei es als Produzent, Regisseur oder Autor, wirst du keine weitere Chance bekommen. Denn man erwartet ja schon sowieso, dass Frauen es nicht so gut können wie Männer und der Fehler bestätigt sie in den Vorurteilen, dass Frauen nicht für verantwortliche Posten zu gebrauchen sind.

Gale Anne Hurd
Gale Anne Hurd
© dpa

Aber ist das nicht ein verdammt hartes Leben? Immer auf der Hut zu sein, nicht den einen entscheidenden Fehler zu machen. Da kann man ja nie ausgelassen feiern …

Ich bin kein Partyanimal. Wenn du liebst, was du tust, ist es nicht so hart, gut zu sein. Meist fühle ich mich so, als würde ich für mein Hobby bezahlt.

Hatten Sie je Vergleichsmöglichkeiten in anderen Jobs und hat sich Ihr Job verändert?

Oh ja. Ich startete mit einem Job als Tauchlehrerin in Mikronesien. Ich habe auch ein Restaurant eröffnet. Was sich geändert hat, ist, dass man heute nicht mehr so mutig ist in Hollywood. Aus Angst trifft man keine guten Entscheidungen. Aber leider sind da immer mehr angstgetriebene Entscheidungen, seitdem die Kino-Besucherzahlen zurückgehen. Sie finden immer weniger originelle Ideen, dafür mehr Fortsetzungen und Remakes. Das trägt nicht zu einer größeren Vielfalt bei, sondern ist immer häufiger mehr vom Gleichen. Deswegen sind immer mehr Leute nach ihrem Kinobesuch enttäuscht. Ich denke, dass Originalität und Visionen noch immer unserem Business gutgetan haben. Ich hoffe, dass die Studios wieder mutiger werden.

Für viele sind die hochwertigen TV-Serien heute das bessere Kino …

Ich denke, das Überraschende an TV-Serien ist, dass die Charakter-getriebenen komplexen Storys, die wir zum Beispiel aus „Taxi Driver“ kannten, nun in TV-Serien zu sehen sind. Und das fällt so auf, weil man sich im Kino nichts mehr traut und auf Spezialeffekte setzt. Also sind die Charaktere in die TV-Serien abgewandert. Während es im Kino nur auf den zweistündigen Plot ankommt, kann sich der Charakter in der Serie über 16 Stunden entwickeln. Nehmen sie Walter in „Breaking Bad“ oder Jackson in „Sons of Anarchy“. Film ist ein Regisseur-Medium. Im Fernsehen basteln die Produzenten eine Serie. Die Regisseure kommen für eine Woche rein und drehen, dann sind sie noch fünf Tage im Schnitt da und dann kümmert sich wieder der Produzent.

Haben Frauen inzwischen mehr Macht in Hollywood übernommen?

Nein. Im Kinobusiness regieren nach wie vor Männer. Anders ist es im Fernsehen, wo Frauen schon in verantwortliche Positionen gekommen sind, viele auch als Controller der Networks.

Was haben Sie von Ihren Ehemännern gelernt, zum Beispiel von „Terminator“-Regisseur James Cameron …

Umgekehrt: Ich habe Jim entdeckt. Als ich ihn traf, bastelte er Raumschiffmodelle und ich brachte ihn mit Roger Corman zusammen. Von Roger lernte ich wiederum, dass man alles zu jedem Budget machen kann. Das ist sehr wichtig, wenn du mit einem kleinen Budget arbeiten musst, wie auch bei „Walking Dead“, wo wir die meisten Episoden in acht Tagen drehen. Das ist eine sehr kurze Produktionszeit für etwas, das in Cinemascope funktionieren soll. Von Roger habe ich auch das Selbstvertrauen, dass ich das schaffen kann. Außerdem habe ich von ihm das Gespür für starke weibliche Charaktere bestätigt bekommen: in „Terminator“ der weibliche Protagonist Sarah Connor, in „Aliens“ Ripley und in „The Abyss“ Lindsey.

Und was ist mit Brian de Palma?

Seine Annäherung an die Filme ist eine Art visuelle Grammatik. Er erzählt die Geschichte fast ausschließlich über die Bilder. Er designed seine Filme, er liebt Hommagen, er liebt die Filme der Meister. Ich denke, er ist sensibler als die meisten seiner amerikanischen Kollegen.

Haben Sie handfeste Erinnerungen an Ihre Filme behalten?

Ich habe viele in einem Storage eingelagert, seitdem ich in einem Appartement wohne. Ich habe aber das Technoir-Schild, das über dem Nachtclub im „Terminator“ hängt. Ein Plastikmodell der Wasserschlange in „The Abyss“ befindet sich auf meinem Tisch im Büro. Dort steht auch ein Foto aus „Aliens“. Ich schieße im Film auf einen Alien.

Was raten Sie Ihrer Tochter, wenn Sie auch in Ihr Business will?

Wenn du es nicht liebst, solltest du den Job nicht machen. Dieser Job überwältigt dich. Du hast keinen Tag frei. An den Wochenenden lese ich Manuskripte, schaue mir die Schnitte der Episoden an, mache Anmerkungen. Du kannst nie Urlaub machen auf dem Level, auf dem ich unterwegs bin.

Wann hatten Sie Ihren letzten Urlaub?

Wo ich gar nicht gearbeitet habe? Noch nie.

Welchen Teil der Arbeit lieben Sie und was hassen Sie?

Ich liebe es, am Set zu sein. Da passiert die Magie, nicht im Büro, aber ich hasse es, morgens um vier aufzustehen, um am Set um sechs zu sein oder die Nächte durchzuarbeiten.

Haben Sie immer an den Erfolg von „The Walking Dead“ geglaubt?

Nicht, wenn du bei AMC anfängst. Die hatten 2009 ganz viele wichtige Emmy-Gewinner-Serien. Da erwartest du nicht, dass du fünf Jahre später über 70 Millionen Zuseher ansprichst. Ich hätte dich damals ausgelacht, wenn du mir das vorausgesagt hättest.

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Gale Anne Hurd, 59, lebt und arbeitet als Produzentin in Hollywood. Sie war verheiratet mit den Regisseuren James Cameron und Brian de Palma, mit dem sie eine Tochter hat.

Jörg Seewald

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