Drama: Hamlet trägt jetzt Kutte
In der US-Serie „Sons of Anarchy“ bekommt das Rocker-Leben shakespearesche Dimensionen. Autor Kurt Sutter hat sich vom klassischen Drama inspirieren lassen.
Motorrad-Rocker genießen in Zeiten von Hells Angels vs. Bandidos bekanntlich keinen besonders guten Ruf. Aber dasselbe gilt auch für die Mafia. Trotzdem erwarb sich die fiktive Mafia-Sippe „Die Sopranos“ größte Sympathien bei den Fans hochklassiger Fernsehunterhaltung. Und die Kuttenträger von „Sons of Anarchy“, in den USA ein großer Erfolg und längst in der fünften Staffel, sollten einen ähnlich hohen Suchtfaktor auslösen können. Kabel 1 startet am Dienstag in deutscher TV-Erstaufführung mit der Serie um den Rocker-Klub „Sons of Anarchy Motorcycle Club Redwood Original“, kurz SAMCRO, der in der fiktiven kalifornischen Kleinstadt Charming beheimatet ist. Im Netz war die erste Staffel bereits auf myvideo.de zu sehen.
Wichtigster Protagonist ist Jackson „Jax“ Teller (Charlie Hunnam), der Vize-Präsident des Klubs. Jax ist der Sohn des vor vielen Jahren bei einem vermeintlichen Unfall verstorbenen Klubgründers John Teller und von Gemma Teller Morrow (Katey Sagal), die wiederum liiert ist mit dem aktuellen Boss der „Sons“, mit Clay Morrow (Ron Perlman). Als Jax Tagebücher seines Vaters findet, beginnt er die kriminelle Ausrichtung des Klubs zu hinterfragen. Unter dem Deckmantel einer Reparaturwerkstatt betreibt der einen schwungvollen Waffenhandel mit der IRA und kommt später mit mexikanischen Drogenbaronen ins Geschäft. Natürlich zieht das weit reichende Konsequenzen nach sich, so dass im Laufe der Serie immer weitere Handlungsstränge und Personen auftauchen, die immer neuen, wechselnden Abhängigkeiten unterworfen sind. Blütenweiß bleibt hier niemand, keiner hat eine völlig reine Weste. Nicht die Polizei, nicht die Stadtoberen und auch nicht diejenigen, die zunächst noch reinen Herzens sein mögen, wie Dr. Tara Knowles (Maggie Siff), Jax’ Freundin. Wie auch, gilt doch auch in Charming das alte Sprichwort: „Wer im Dreck wühlt, der macht sich nun mal schmutzig.“
Autor Kurt Sutter (unter anderem die Cop-Serie „The Shield“), der zudem eine kleine, aber unverzichtbare Nebenrolle besetzt, hat sich von Shakespeares „Hamlet“ inspirieren lassen. „Jax“ ist der Kronprinz auf der Suche nach sich selbst und schließlich auch nach Rache. Aber auch Elemente aus „Macbeth“ lassen sich finden. So gibt Katey Sagal als Gemma eine wahre Lady Macbeth, ein Schwiegermutter- Monster wie es im Buche steht. Sagal, vielen bisher wohl nur als Al Bundys trashige Braut Peggy bekannt, sieht mit ihren 58 Jahren schärfer aus als Clays Bowie-Messer und spielt, als ginge es um ihr Leben. Zu Recht wurde Sagal, übrigens mit Autor Sutter liiert, bereits 2011 mit dem Golden Globe Award geehrt.
„Macbeth“ und „Hamlet“: Der kulturbeflissene TV-Zuschauer ahnt längst, dass es auch bei den „Sons“ blutig und überaus brutal zugehen muss. Wenn auch etwas weniger plakative Gewalt das Resultat kaum getrübt hätte, bleibt doch festzuhalten, dass sich „Sons of Anarchy“ in die Riege der US-Serien („Boardwalk Empire“ oder „The Wire“) einreiht, die längst als die Fortsetzung des großen amerikanischen Entwicklungsromans des 20. mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts gelten dürfen. „Sons of Anarchy“ ist ganz großes Drama und ein erneuter Beweis dafür, dass das US-Fernsehen längst die besten Geschichten erzählt. Andreas Kötter
„Sons of Anarchy“, Kabel 1, 22 Uhr 30
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