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Sex gegen innere Leere. Es wurden schon harmlosere Serienfiguren geschrieben als Fleabag (Phoebe Waller-Bridge), die erfolglose Café-Betreiberin aus London.
© Tsp

"Fleabag" mit Phoebe Waller-Bridge: Schau! Mich! An!

Ausgelassen, ergreifend, schlagfertig: Phoebe Waller-Bridge ist mit ihren Formaten „Fleabag“ und „Killing Eve“ die Serien-Frau der Stunde.

Fehlgeburt im Damen-WC des Edel-Restaurants, ein Rap-Musik hörender, Gin kippender katholischer Priester, Masturbation zu den Reden Obamas, ein Schweige-Seminar für Frauen auf dem Land, das im Ausschluss für die beiden Protagonisten endet – die Serie „Fleabag“ ist das Krasseste, Unterhaltsamste und wohl auch Klügste, was derzeit im Streamingkosmos zu sehen ist. Die Lebensgeschichte einer, um es vorsichtig auszudrücken, nicht ganz konventionellen Frau, gespielt und geschrieben von Phoebe Waller-Bridge. Die zweite und leider auch finale Staffel von „Fleabag“ ist auf Amazon Prime Video gerade heraus gekommen. So viel sei vorweg geschickt: Wer das nicht sieht, hat etwas verpasst.

Die Serie basiert auf einem gleichnamigen Ein-Personen-Theaterstück, mit dem die britische Drehbuchautorin und Schauspielerin Phoebe Waller-Bridge 2013 in Edinburgh debütierte und dann nach New York weiterzog. Gesten- und anekdotenreich erzählt die Protagonistin, eine erfolglose Café-Betreiberin aus London, von Promiskuität und anderen Versuchen, den Verlust ihrer Freundin Boo, an dem sie nicht ganz unschuldig ist und das Problem ihrer komplett dysfunktionalen Familie samt schwierigem Geschwisterverhältnis zu übertünchen.

Fleabag (das englische Wort lässt sich mit Streuner oder Mistkerl übersetzen) ist eine Art Anti-Heldin, verwandt diesen besonderen, selbstironischen Serien-Frauenfiguren der jüngeren Vergangenheit mit ihrem Recht auf Selbstbestimmung und -zerstörung („Girls“, „Smilf“).

„Wie man nach Fleabag überlebt: Eine kulturelle Anleitung“

Es soll Leute geben, die nach der ersten Minute „Fleabag“ nicht mehr ausstellen konnten. Klassisches Binge-Watching: zwei Staffeln à sechs 30-minütigen Folgen, brillant geschrieben und gespielt. Einziger Kritikpunkt: „Fleabag“ kreist mit Bauchnabelblick tatsächlich nur um die Sorgen des britischen Geldadel, aber mehr gibt es dagegen nicht zu sagen.

Schon die erste Staffel, 2016 in der BBC ausgestrahlt, wurde zum Überraschungserfolg. Zur Fortsetzung, in der es Fleabag alias Waller-Bridge mit eben jenem hippen katholischen Priester (gespielt von Andrew Scott) zu tun kriegt, brachte der „Guardian“ vorsorglich einen Text: „Wie man nach Fleabag überlebt: Eine kulturelle Anleitung“.

Das Schöne und das Wahre, das Hässliche und das Absurde, das Laute und das Leise, ausgelassen, ergreifend, schlagfertiger, schwarzer Humor – Phoebe Waller-Bridge trifft jeden Ton, vor allem den selbstironischen. Passend dazu der kommentierende Blick der Hauptdarstellerin in die Kamera, die so genannte „vierte Wand“ – die Hinwendung ans imaginierte Publikum. Ein Kunstgriff, der ja in „House of Cards“ vom Hauptdarsteller Kevin Spacey bis zum Manierismus betrieben wurde. Hier wirkt dieses Mittel unverbraucht und frei. Ein Blick von Fleabag richtet Personen und Geschichten, gerne mal auch sich selber.

Nicht nur in den Staaten wird Phoebe Waller-Bridge als neuer Autorenstar in den Himmel gehoben. Mal ganz zu schweigen von der Größe, eine erfolgreiche Serie nach der zweiten Staffel zu beenden, auf dem Höhepunkt des Erfolges. Dafür sitzt die 33-Jährige am Buch des nächsten James-Bond-Films. Und die von ihr geschriebene Thrillerserie „Killing Eve“ über eine international agierende Auftragsmörderin, die von der britischen Agentin Eve gejagt wird (die zweite Staffel startet im Sommer) ist ebenso fulminant – und wiederum vom „Guardian“ zur besten Fernsehserie erkoren. Die Serie hat nur einen Makel. Phoebe Waller-Bridge spielt nicht mit.
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„Fleabag“, zwei Staffeln à sechs Folgen auf Amazon Prime Video. „Killing Eve“ beim Prime-Video-Channel Starzplay.

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