Ulrich Meyer schließt die "Akte": Raus aus dem Hamsterrad
Privat-TV-Pionier Ulrich Meyer hört als Moderator der „Akte“ auf, Claus Strunz übernimmt das Sat-1-Magazin.
Die Zahlen sind schon so, dass von einer TV-Ära gesprochen werden kann. Ulrich Meyer gibt die Moderation des Sat-1-Magazins „Akte“ auf, zum Jahresende, nach fast 22 Jahren und rund 1070 Sendungen. „Es ist ein ungeheures Glück für einen Journalisten, Moderator und Produzenten, in intensivem Teamwork ein Langzeitformat entwickelt zu haben, das läuft und läuft und läuft“, sagte er – aber selbst der juvenile Meyer kennt sein Alter. „Ich werde Weihnachten 61 Jahre alt und bin damit raus aus allen Zielgruppen des Privatfernsehens“, sagte der Kölner der dpa. „Das soll man auch als Moderator ernstnehmen. Ich bin überzeugt, dass ein neues Gesicht der Sendung guttun wird.“ Fast jeden Dienstag habe er live im Studio gestanden, auch als Produzent werde er abtreten. „So toll ein Dauerläufer-Format für einen Produzenten ist – irgendwann muss man raus aus dem Hamsterrad.“
Sat 1 hat einen neuen „Akte-Hamster“ schon gefunden. Mit Claus Strunz habe der Sender einen Nachfolger gefunden, der schon seit vielen Jahren eng an der Seite von Sat 1 stehe, sagte Sendergeschäftsführer Kaspar Pflüger. Er sei sich sicher, dass der neue Moderator das Magazin in eine spannende Zukunft führen werde. Claus Strunz ist eine bekannte Größe im Privatfernsehen. Der 50-jährige Journalist, früher Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ und des „Hamburger Abendblatts“, war auf den Bildschirmen von N 24. n-tv und Sat 1 vor allem als Moderator von (politischen) Talkshows präsent. Seine neue Aufgabe kommt zu seiner Programmgeschäftsführung der Maz&More- TV-Produktion dazu, zu deren Portfolio unter anderem das Sat 1 Frühstücksfernsehen und der „Der Faktencheck mit Claus Strunz“ gehören.
"Akte" bleibt "Akte"
Seine erste „Akte“-Moderation ist für den 10. Januar 2017 annonciert. Den Zuschauer wird ein mehr behutsam renoviertes Magazin erwarten. Strunz’ Ankündigung – „Investigativer Journalismus und Nutzwertthemen nah am Zuschauer erzählt, immer auch mit unterhaltenden Momenten und einer klaren Haltung“ – war schon bei Ulrich Meyer Programm. Aber vielleicht wird der jüngere Strunz die frischere, aggressivere Variante zur Umsetzung des Formats, die Quote des Magazins bedarf ja gleichfalls der Auffrischung.
Ulrich Meyer steht für den Aufstieg des kommerziellen Fernsehens in Deutschland, und er steht für dessen Expansion, kurz gefasst in der TV-Vollversorgung von der Wiege bis zur Bahre. Best Ager Meyer wird weiterhin das Verbrauchermagazin „ServiceAkte“ bei Sat 1 Gold moderieren und soll zusammen mit ProSiebenSat 1 TV Deutschland weitere Projekte entwickeln.
UIrich Meyer hat mit seinem Engagement beim Privatfernsehen – erst RTL, dann Sat 1 – wenig, ganz wenig falsch gemacht. Der bekennende Reserveoffizier der Bundeswehr wählte stets die direkte Zuschaueransprache. Bügelfalte und Scheitelfalte als Einheit, Handkanten-Gebärden, eisenharter Blick in die Gesichter und ins Objektiv der Kamera – was Meyer von 1989 an als Moderator des Krawall-Talks „Explosiv – Der heiße Stuhl“ vorführte, musste seine Fans und Auftraggeber begeistern; Sat 1 engagierte ihn für das Nachfolgeformat „Einspruch!“.
Ulrich Meyer, ein Besserverdiener des Privat-TV
Meyer nutzte die Möglichkeiten des Mediums konsequent: als Journalist, als Moderator, als Produzent mit eigenen Meta productions, die die Endemol-Gruppe sicher nicht zum finanziellen Nachteil ihres Gründers 1998 übernahm. Die „Akte“, drei Jahre zuvor gestartet, wurde und blieb Meyers Spielfeld. Seinen „spektakulärsten Erfolg“ nennt er bis heute die Rauschgiftfunde im Bundestag. Der Ältestenrat war auf der Palme, Meyers Truppe bekam Hausverbot. Aber genau das ist die Perspektive, die das Magazin bevorzugt einnimmt. David gegen Goliath, TV-Anwalt des kleinen Mannes, der von Internetbetrügern oder Schlüsseldiensten über den Tisch gezogen wird. Joachim Huber
Joachim Huber
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