Berliner SPD-Fraktionschef bei Krömer: Oh je, Herr Saleh!
Raed Saleh, der an die Spitze der Berliner SPD will, wagte sich im RBB zu „Chez Krömer“. Keine gute Idee. Er selbst findet Humor in der Politik wichtig.
Niemand kann einen Gedanken für mich denken, wie mir niemand als ich den Hut aufsetzen kann. Mit diesem schönen Satz hat Wittgenstein wohl recht – zumindest aus der Sicht von Raed Saleh.
Welcher Politikberater hat dem Chef der Berliner SPD in spé geraten, sich vis-à-vis an den Tisch von Talk-Biest Kurt Krömer zu setzen? Wenn das überhaupt noch etwas wird mit diesem Spitzen-Job in der Hauptstadt – nach dem halbstündigen TV-Auftritt am Dienstagabend darf man daran seine Zweifel haben. Das glich mehr einer Hinrichtung als einem ebenbürtigen Schlagabtausch, auch wenn das der gute Krömer sicher nicht so beabsichtigt hatte.
Kaum ein Saleh-Satz, kaum ein frischer Gedanke, der aus dem Gespräch heraus erwachsen wäre.
Da konnte Krömer noch so sehr nachhaken. 42 Prozent der Bürger kennen Sie laut Umfrage gar nicht, warum tun Sie sich das mit der Kandidatur als Doppelspitze der Berliner SPD zusammen mit Franziska Giffey an, mit Ambitionen aufs Bürgermeisteramt? Was wollen Sie hier anders machen? Wie aktiv haben Sie am Stuhl von Michael Müller gesägt? Werden Sie auch an Giffeys Stuhl sägen?
Haben sich Salehs Leute jemals „Chez Krömer“ angeschaut?
Endlos prallten die – zu erwartenden – Fragen an Salehs Gesicht ab, das hin- und hergerissen war zwischen Überraschung, Hilfs- und Fassungslosigkeit. Mit einem Sack voll mitgebrachter SPD-Giveaways wollte der Gast den Gastgeber gewogen halten. Die Geschenke landeten zusammen mit Salehs abgespulten Antworten („Ich glaube, dass die SPD gebraucht wird“, „möchte gemeinsam mit Franziska Giffey Verantwortung übernehmen“, „die Herzen der Berliner und Berlinerinnen erobern"“) unter Krömers Tisch.
Haben sich Saleh und seine Leute jemals „Chez Krömer“ angeschaut, dessen Humor und das dekonstruktive Gesprächsprinzip begriffen? „Sie reden sich ja um Kopf und Kragen“, sagte Krömer. Stimmt. Ähnlich fremd geschämt habe ich mich im Fernsehen zuletzt bei einem „DSDS“-Cast.
Der Kabarettist Serdar Somuncu hat im Zusammenhang mit der Thunberg-Debatte neulich von Themen und Zielen gesprochen, von denen er sich fern halte. Bloß keine weichen Ziele! Niemand, der sich nicht wehren könne (anders als zum Beispiel Sophia Thomalla in der vergangenen Woche bei Krömer).
Humor sollte in der Politik möglich sein, sagt der SPD-Mann
Wer immer beim RBB und probono den sicher sehr ambitionierten SPD-Mann zu „Chez Krömer“ gelockt hat – Kurt Krömer wurde damit kein Gefallen getan. Selten hat man die Kunstfigur derart genervt gesehen („Macht es Ihnen auch so wenig Spaß wie mir?“). Von Raed Saleh ganz zu schweigen. SPD-Kampa hilf!
Raed Saleh selbst war offenbar zufrieden. "Ich finde, auch Humor sollte in der Politik möglich sein", sagte er dem Tagesspiegel. "Das Format der Sendung ist Comedy und lebt davon, zuzuspitzen und zu provozieren." Mehr wollte er dazu aber nicht sagen.
Die nächste Gelegenheit zum öffentlichen Auftritt hat der SPD-Fraktionschef und designierte Parteivorsitzende am nächsten Dienstag, beim Unternehmer-Frühstück der Industrie- und Handelskammer (IHK). Dort spricht Saleh zum Thema: "Berlin groß denken - ein klares Ja zu unserem Wirtschaftsstandort".