Streit um Rundfunkbeitrag: Öffentlich-Rechtliche kündigen Verfassungsklage an
Was bedeutet die "Notbremse" von Sachsen-Anhalt für den Rundfunkbeitrag und die Sender? ARD, ZDF und Deutschlandradio rufen Karlsruhe an.
Nach der Entscheidung von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, die Vorlage des Rundfunkänderungsstaatsvertrages zurückzuziehen, um eine Abstimmung im Landtag zu verhindern, ist offen, was nun mit dem Rundfunkbeitrag passiert – und auf welcher wirtschaftlichen Grundlage ARD, ZDF und Deutschlandradio vom kommenden Jahr an kalkulieren können.
Eine Konsequenz ist, dass die für Anfang 2021 geplante Erhöhung um 86 Cent zunächst nicht wirksam wird. Dafür wäre die Ratifizierung der Staatsvertragsnovelle durch alle 16 Landesparlamente nötig. Ohne die Erhöhung des Beitrages sind die bereits für das nächste Jahr beschlossenen Wirtschaftspläne der öffentlich-rechtlichen Sender Makulatur.
Geplant ist, dass der Beitrag auf Empfehlung einer unabhängigen Kommission zum 1. Januar 2021 um 86 Cent auf 18,36 Euro steigt. Damit der Vertrag in Kraft tritt, müssen alle Landesparlamente bis Ende des Jahres zustimmen.
Es wäre die erste Erhöhung des Beitrages seit 2009, nachdem er im Jahre 2015 sogar um 48 Cent gesenkt worden war. Allerdings sind die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender durch die Umstellung von der geräteabhängigen Gebühr bis 2013 auf die Wohnungsabgabe deutlich gestiegen.
Schwierige Lage für die Sender
2018 nahm der Beitragsservice 8,009 Milliarden Euro ein nach 7,97 Milliarden Euro im Jahr davor. 7,86 Milliarden Euro flossen an ARD, ZDF und Deutschlandradio, 151 Millionen Euro an die Landesmedienanstalten. Die Entscheidung aus Magdeburg, die Vorlage zurückzunehmen, stellt die Sender vor eine schwierige Situation. Wäre es zu einem Votum des Medienausschusses und einer entsprechenden ablehnenden Abstimmung im Landtag gekommen, hätte es sich um eine eindeutige Lage gehandelt, weil ohne die Ratifizierung aus Sachsen-Anhalt die Novelle ohne Zweifel gescheitert wäre. Nun aber müssen die Senderjuristen eine Neubewertung der Lage vornehmen – unter anderem für die bereits ins Gespräch gebrachte Klage in Karlsruhe, mit der die Erhöhung auf dem juristischen Wege eingefordert werden könnte.
Sender kündigen Verfassungsklage an
Nachdem bereits vor der Entscheidung von Sachsen-Anhalt die Sender MDR und der Saarländische Rundfunk eine Verfassungsklage angekündigt hatten, gab die ARD am Nachmittag bekannt, dass die ARD-Sender gemeinschaftlich klagen werden. "Eine Verfassungsbeschwerde ist leider unausweichlich. Ohne die ausreichende, unabhängig ermittelte Finanzierung wird das Programmangebot, das in allen Regionen Deutschlands verwurzelt ist, darunter leiden", sagte WDR-Intendant Tom Buhrow, der zugleich den Vorsitz in der ARD hat.
Nur noch den Klageweg sieht auch das ZDF: "Mit dem heutigen Tag ist klar, dass es in Sachsen-Anhalt keine Zustimmung mehr geben kann. Damit bleibt leider keine andere Möglichkeit, als das Bundesverfassungsgericht anzurufen", sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut. "Ich hätte mir eine andere Lösung gewünscht und habe intensiv dafür geworben. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in diesem Verfahren ganz offenbar zum Spielball der Politik in einem Bundesland geworden".
Das Deutschlandradio kündigte am Dienstagnachmittag ebenfalls an, das Verfassungsgericht anzurufen. "Die von der KEF empfohlene Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent ist für Deutschlandradio erforderlich, damit wir unseren staatsvertraglich vorgegebenen Programmauftrag in vollem Umfang erfüllen können", sagte Intendant Stefan Raue.