Til Schweigers "Tatort"-Held - nun auch im Kino: Nick Tschiller könnte auch James Bond sein
Datensicherheit im Netz, entfesselte Geheimdienste, Pressefreiheit in der Türkei, Homophobie in Russland - der neue Kino-"Tatort" mit Nick Tschiller alias Til Schweiger hat es in sich. Nicht nur, was die Action und die Zahl der Leichen betrifft.
An mangelndem Selbstvertrauen hat es bei Til Schweiger noch nie gehapert. Er würde sich auch an die Rolle des James Bond wagen. „Ich würde es mir zutrauen, aber es würde mich nie jemand fragen, weil ich Deutscher bin. James Bond muss ein Brite sein, den dürfen ja nicht mal Australier oder Amerikaner spielen“, sagte Schweiger auf der Premiere zu „Tschiller: Off Duty“ am Mittwochabend in Berlin.
Warum nicht? Wer die 135 Kino-Minuten mit schnellen Autos, hübschen Mädchen, rasanten Stunts, viel sinistren Geheimdiensten und einem unwiderstehlichen Helden über sich hat ergehen lassen, kann sich das durchaus vorstellen. Eine Art öffentlich-rechtlichen James Bond macht Til Schweiger im Grunde ja schon seit 2013 für den NDR, den Hamburger Kommissar Nick Tschiller mit jeder Menge Action im traditionsreichen ARD-„Tatort“. Schweiger/Tschillers erstes Kinoabenteuer ist nun ab diesem Donnerstag zu sehen.
Sicher, die Geschichte ließe sich auch im Fernsehen erzählen. Nicks Tochter, Lenny Tschiller, will es allein mit dem Mörder ihrer Mutter aufnehmen. Zur Erinnerung: Nick Tschillers Ex-Frau Isabella Schoppenroth wurde im TV-Teil Drei "Der große Schmerz" vom Hamburger Clan-Boss Firat Astan erschossen. In Teil Vier, "Fegefeuer", kam Astan in den türkischen Knast. Lenny reist nun mit der gefälschten Unterschrift ihres Vaters und einem Racheplan im Gepäck nach Istanbul. Dort trifft sie auf noch viel finstere Typen als Firat Astan.
Jan Böhmermann hat sich auch schon gemeldet
Man ahnt es, am Ende muss Papa Nick ran und die Tochter aus den Fängen einer türkisch-russischen Mädchenhändler/Organhändler-Connection retten. Dabei darf er sogar Mediziner spielen.
Im Grunde gehört das Format ins Kino. Und das nicht nur, weil Produzent Schweiger und Regisseur Christian Alvart mehr Zeit haben, ihrem Haudrauf-Film mit politischen Anspielungen eine gewisse Tiefe und Ernsthaftigkeit zu geben. Tschillers Partner Yalcin Gümer (Fahri Yardim) beispielsweise setzt ein Zeichen und greift dem Kommissar, Stichwort Homophobie, vor der versammelten russischen Presse an den Po. Tochter Lenny vergisst Chatprotokolle zu löschen, was sie fast mit ihrem Leben bezahlt. Eine Öl-Pipeline zwischen der Türkei und Russland, die "Blackstream" heißt, kann nur dubios sein.
Es erinnert mich an einen US-Schinken, in dem der US-Agent unendlich mehr Ortskenntnisse in Peking hatte als der gesamte chinesische Geheimdienst. Solche auf Heroismus getrimmten Werke sind eigentlich öde, weil absolut vorhersehbar, und haben an keiner Stelle "eine gewisse Tiefe und Ernsthaftigkeit". Es sind Comics, nicht mehr, nicht weniger.
schreibt NutzerIn hanebutt
Und, last but not least, zur Pressefreiheit in der Türkei: Nick Tschiller trifft auf eine attraktive Hotelangestellte, die ihm von ihrem inhaftierten Blogger-Bruder erzählt. Dieser Faden wird dann später weiter nicht gesponnen, aber immerhin landen die beiden im Bett. Was ja auch an James Bond erinnert. Immerhin stirbt die Hotelangestellte nicht.
Bleibt viel Zeit für Explosionen, Verfolgungsjagden über den Dächern von Istanbul und durch die nächtlichen Straßen von Moskau. Kein Meilenstein der Filmgeschichte, halt das ganze Action-Kabinett, vom Medienboard mitgefördert.
Der letzte "Tatort"-Kommissar, der, noch etwas gemächlicher, im Kino ermittelt hat, hieß Horst Schimanski. Der Film "Zahn um Zahn" war 1985 ein Kassenschlager. Ob das mit Til Schweiger noch einmal klappt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Und mit den ersten Kritiken. Nick Tschiller, ein Fall fürs Feuilleton? Auch Satiriker Jan Böhmermann hat sich ja schon mit Nick-Tschiller-Häme, einem parodistischen Video, und auf Facebook gemeldet, wie er das öfters tut ("Also, ICH finde Til Schweiger sehr lustig! Eigentlich alles was er macht. Er hat halt leider keine Ahnung von Actionfilmen. Zu verkopft! Will dem Feuilleton gefallen! Zu viele Kompromisse! SO macht man das!"). Kann man machen, muss man nicht.
Eine der "Off-Duty"-Vorab-Premieren in einem großen Cinemaxx-Kino am Potsdamer Platz am Mittwochabend war jedenfalls erstaunlich übersichtlich besucht.
P.S. Im Fernsehen gibt's das Ganze irgendwann natürlich auch. Ob "Tschiller: Off Duty" 2017 oder erst 2018 im Fernsehen gezeigt werde, sei noch nicht entschieden, teilt der NDR mit.