Til Schweiger bereut - ein bisschen: "Nichts böse gemeint"
Nach seiner Facebook-Attacke verteidigt sich Til Schweiger. Kritiker hätte er nicht "Trottel" nennen sollen, sondern "ahnungslos". Die Quoten sind eine "gelbe Karte"
Beim Facebook-Posting hatte Til Schweiger noch "Tatort"-Kollegen und Kritiker beleidigt, am Dienstag ist er in einem "Bild"-Interview für Til-Schweiger-Verhältnisse weit zurückgerudert. Auf der Generallinie „Ich habe überhaupt nichts böse gemeint“ wehrte sich gegen den Vorwurf, „Tatort“-Kommissare in Köln und München verspottet zu haben: „Aber über mich und meine Figur Nick Tschiller haben schon einige Tatort-Kollegen ungefragt Quark erzählt. Ich persönlich habe noch nie über einen Kollegen Scheiße erzählt.“
Schweiger hatte in der Nacht zum Montag erst Regisseur Christian Alvart für seine „Tatort“-Arbeit überschwänglich gelobt, zugleich aber die verbale Panzerfaust geschwungen: "... andere verschwenden das Budget für zwei moppelige Kommissare, die ne Currywurst verspeisen, oder ein Bier vor einem bayrischen Imbiss zocken.“ Etwas Reue zeigte Schweiger im "Bild"-Gespräch" auch darüber, dass er Kritiker als „Trottel“ bezeichnet hatte: „Vielleicht hätte ich „Trottel“ durch „ahnungslos“ ersetzen können. Das wäre pietätvoller gewesen.“ Da werden sich die Kritiker aber freuen.
Til Schweiger hat aber durchaus kapiert, dass sein "Tatort"-Vierteiler nicht das war, was Teile des "Tatort"-Publikums sehen wollten. Entsprechend niedrig war die Nachfrage. Schweiger sagte, dass "die Quoten zwar in sich tolle Quoten sind, aber nicht für das, wofür wir angetreten sind. wir wollten den Rekord holen." Der "Tatort: Der große Schmerz" am 1. Januar holte 8,2 Millionen, das "Fegefeuer"-Finale 7,7 Millionen Zuschauer.
Schweigers Begründung für die relativ schwache Resonanz: "Das liegt einfach daran, dass zumindest die letzten beiden Teile zu gewalttätig angefangen haben. Die ersten beiden waren ja nicht minder brutal. Aber ,Der große Schmerz' und ,Fegefeuer' sind zu gewalttätig mit Waterboarding und einer Geiselnahme in der ,Tagesschau' angefangen. Das wollen die Leuten dann wohl gerade zu der Jahreszeit nicht sehen. Da schauen sie dann lieber das ‘Traumschiff‘.“ Im Endeffekt müsse man akzeptieren, "dass es eine Menge Menschen gibt die keine Lust auf gewalttätige Filme haben. Daraus muss man seine Lehren ziehen. Entweder machen wir auf Teufel komm raus so weiter, oder wir ändern was.“ Die Einschaltquote war "eine ganz klare gelbe Karte".
Der nächste Til-Schweiger-"Tatort" kommt ja am 4. Februar ins Kino, es ist das fünfte und letzte Duell zwischen Nick Tschiller und Clanchef Firat Astan. Der Film ist abgedreht, "die einzige Auswirkung wird sein, dass ich mich jetzt schon auf die Reaktionen in der Presse freue (lacht). Ich kann es ja noch mal sagen: Aber der Kino-Tatort ist der absolute Knaller. Oh! Jetzt bin ich schon wieder selbstverliebt... "
Mit Aufregung über seine öffentlichen Kommentare kann Schweiger nach eigenen Angaben gut umgehen: „Das bin ich jetzt seit 20 Jahren gewöhnt“, sagte er dem Blatt. „Wenn ich einen Baum pflanze, heißt es, er hat ein Loch in den Boden gemacht.“
Schweigers Welt besteht aus Feinden und Freunden
Til Schweiger hat wohl nur Freunde und Feinde, was Wunder, so teilt er die Menschheit ein. Freunde, das sind seine Fans. Feinde sind alle anderen. Nicht bekannt war, in welcher Dimension der 52-Jährige seine Freundschaften und seine Feindschaften auslebt. Im Nachgang zu seinem vierteiligen Nick-Tschiller-„Tatort“ darf festgehalten werden: intensiv, einseitig, beleidigend.
Kaum war das „Fegefeuer“ am Sonntag in der ARD erloschen, lobhudelte Schweiger auf seinem Facebook-Account über den Regisseur des gemeinsamen „Tatorts“: „Christian Alvart – was hast du gemacht?! Ich sage, du hast ein Stueck deutsche Fernsehgeschichte geschaffen! Kompromisslos, atemlos, viril, phantastisch für das schmale Geld.“ Und weil die gemeinsame Arbeit von Alvart und Schweiger so toll war, kann die „Tatort“-Arbeit der anderen eben nur mies sein. Schweiger: „Andere verschwenden das Budget für zwei moppelige Kommissare, die ne Currywurst verspeisen, oder ein Bier vor einem bayrischen Imbiss zocken ...“; das ging einmal gegen das Kölner Duo Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär), andererseits gegen die Münchner Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec). „Erbärmlich“, „unsympathisch“, „großkotzig“ lauteten die Reaktionen auf die Schweiger-Attacke.
Regisseur Alvart bringe „Non Stop Action in diese 90 Minuten, in denen sonst meistens dummes Zeug gelabert wird (Frau Meier, hatte Ihr Mann Feinde?)“. Schweiger weiß, wovon er spricht, „weil.... ich als Filmemacher/Schauspieler/Produzent/Writer/Cutter/Composer.... viel mehr Ahnung.... ich habe viiiieel mehr Ahnung von der Craft (Materie)....KUNST.... als die meisten von diesen Trotteln, die darüber schreiben!!!!“ Das ging jetzt gegen die Kritiker. Und dann: „Deutschland bleibt das Land der Neider.“ Unklar blieb, worauf die Neider bei Schweiger neidisch sein sollen.
Nur 7,69 Millionen Zuschauer für "Fegefeuer"
Am Montagmorgen kam dann die Quote: 7,69 Millionen, die schwächste aller Nick-Tschiller-Zuschauerzahlen. „Der große Schmerz“ am 1. Januar hatte noch 8,2 Millionen geholt. Erkennbar, dass sich immer mehr Publikum abgewandt hatte, geblieben waren noch die Til-Schweiger-Fans. Der Meisterregisseur/Meisterschauspieler/Meisterwriter wollte sich dazu nicht mehr äußern, vielleicht hatten die dürftigen Zahlen eine Schreibhemmung ausgelöst.
ARD und Norddeutscher Rundfunk aber müssen ins Grübeln kommen. Der „Tatort“, der im Schnitt durchaus mit zehn Millionen Zuschauern rechnen kann, startete bedenklich schwach ins neue Jahr hinein. Das ZDF kam mit seiner Programmierung, dem Auftakt einer neuen „Bergdoktor“-Staffel, dem „Tatort“ mit 7,04 Millionen Zuschauern nahe wie selten.
Das offizielle NDR-Statement war so dürftig wie die Quoten: „Wir freuen uns über den Tagessieg und darüber, dass der ,Tatort‘ bei den jüngeren Zuschauern mit einem Marktanteil von 20,8 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen und 21,0 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen sehr gut ankam. Wir hätten uns aber natürlich mit Blick auf das Gesamtpublikum insgesamt über mehr Zuschauer gefreut.“ Immerhin wurde das Gesamtpublikum nicht beschimpft.
NDR: Schweiger postet seine Privatmeinung
Auf Schweigers Invektiven in Richtung seiner „Tatort“-Kollegen reagierte der NDR defensiv. „Was Til Schweiger auf Facebook postet, ist seine Privatmeinung“, wurde eine Tagesspiegel-Anfrage beschieden. Ist ein öffentlich zugänglicher Facebook-Post von Til Schweiger privat? Immerhin äußert sich ein „Tatort“-Macher über andere „Tatort“-Macher. Es bleibt dabei: Der NDR ist dermaßen stolz auf das Schweiger-Engagement, dass der Egomane vieles, aber niemals den Liebesentzug seines Senders befürchten muss.
Vier weitere Folgen sind zwischen NDR und Til Schweiger bereits vereinbart, wobei die nächste Tschiller-Attacke erst einmal im Februar im Kino gezeigt wird. Sie heißt „Off Duty“ und wird erst 2017 in der ARD laufen. Auf Anfrage erklärte ein NDR-Sprecher, „mit dem Kino-,Tatort‘ ist die Geschichte des Duells zwischen Nick Tschiller und Firat Aslan in dann fünf Folgen auserzählt“. Danach bleibe Raum für neue Geschichten rund um das Hamburger „Tatort“-Team Tschiller und Gümer (Fahri Yardim).
Der NDR ist bei der Kinoproduktion nur mit einem „Tatort“-Etat dabei, der dürfte im Schweiger-Fall bei 1,8 bis zwei Millionen Euro liegen. „Off Duty“ ist eine Koproduktion von Warner, Syrreal, der Schweiger-Firma Barefoot, laut Sender engagieren sich auch zahlreiche Filmförderungen. Der NDR ist mit den Umständen zufrieden: „Wir erhalten dafür einen international gedrehten Film mit einem sehr hohen Schauwert.“ Ob die böse Kritik den Film vor dem Kinostart sehen darf? Schweißausbruch beim NDR: „Für die Kinopremiere ist der Verleiher Warner zuständig.“