Arte-Thriller mit Jürgen Vogel: Nazis gucken böse
Hier reden selbst Flüchtlinge akzentfreies Hochdeutsch: Dem Thriller „The Team“ tut die deutsche Senderbeteiligung gar nicht so gut.
Das Tanktop ist kein simples Kleidungsstück. Das Tanktop ist ein Statement. Muskelprotzen sieht man darin den Latissimus-Rückenmuskel an, Athleten die Athletik und Frauen, nun ja, dass sie sexy sind und dennoch jedem Muskelprotzathleten die Kinnlade verbiegen, sobald es drauf ankommt. Was ihr davon mehr am Herzen liegt, ist Nelly Winther zwar noch nicht anzusehen, als sie ihr neues Büro im Kopenhagener Polizeihauptquartier bezieht. Aber wie die Kommissarin ihren Astralkörper dreiviertelnackt unter Anzugträgern zur Schau trägt, wirkt es schon, als wolle sie ein paar davon nach kurzem Sparring vernaschen.
Angesichts des Handlungsortes fragt sich da: Ist „The Team“ überhaupt Krimi im Stile des populären „Nordic Noir“ mit seiner eigensinnigen Atmosphäre? Antwort: Natürlich nicht! Dafür sorgen ja schon die Deutschen. Wie in den ersten vier Folgen dieser internationalen Koproduktion sitzt das ZDF auch bei der Fortsetzung im Redaktionsboot und redet bei Dramaturgie, Ästhetik, Figurenzeichnung mit. Und da sind Stereotypen ebenso garantiert wie die lausige Synchronisation.
Das sagt sogar der Hauptdarsteller. Jürgen Vogel spielt im zweiten Teil des Interpol-Thrillers den Hamburger Polizisten Gregor Weiss. Mit seiner dänischen Kollegin und einer blutjungen Geheimdienst-Koryphäe namens Paula Liekens aus Belgien ermittelt der kernige Kiez-Cop fortan Morde, die sich als Resultat illegalen Raubkunsthandels zur Finanzierung des islamistischen Terrors erweisen. Die Einsatzorte reichen da vom syrischen Bürgerkrieg über die skandinavische Provinz bis in Europas Großstädte. Naturgemäß müsste das ein eher polyglottes Sprachengewirr ergeben.
Eine seltene Breitseite gegen das eigene Werk
Hier reden selbst Flüchtlinge akzentfreies Hochdeutsch. Umso mehr, beteuert Vogel, habe er bei der Synchronisation seiner selbst versucht, „weniger künstlich zu klingen“ und nennt es „furchtbar, alles zu übersetzen“. Eine seltene Breitseite gegen das eigene Werk. Auch Lynn Vann Royen sähe man im Original gern bei der Verbrecherjagd zu. Ansonsten lässt „The Team“ kein Thriller-Klischee aus.
Die Oberschicht kreischt dekadent, die Unterschicht geht geduckt, Nazis gucken böse. Vorspiele werden von Anrufen gestört, die Lover zum Tatort rufen, der vorzugsweise nachts inspiziert wird. Tags drauf sterben Belastungszeugen im Moment ihrer Aussage, weshalb Frau Winthers Oberweite im blutbespritzten Tanktop noch mehr Gewicht zu haben scheint.
Das wäre erträglich, erzeugten die 460 Minuten je so was wie Spannung. Selbst der frischeste Wind von außen zeigt also, wie beharrlich sich der deutsche Serienmief im Wohnzimmer hält. Gerade Belgien oder Dänemark zeigen sonst, wie viel sich mit wenig Geld bewegen lässt.
Schon 2015 machte Laurine Garaude, Chefin der TV-Messe Mipcom, die Bereitschaft zur internationalen Koproduktion dafür verantwortlich, dass die Relevanz hiesigen Fernsehens „sogar in den USA stark gewachsen“ sei. Umso verblüffender ist es, dass „The Team“ vor allem akustisch oft „Soko“-Niveau hat. Jürgen Vogel empfiehlt da „wärmstens die Online-Version mit deutschen Untertiteln“ in der Mediathek. Wir auch. Wenn überhaupt.
„The Team“, Arte, die ersten drei von insgesamt acht Folgen am, Donnerstag, 20 Uhr 15; Folgen vier bis sechs am 25.10. Am Sonntqg auch im ZDF, 22 Uhr.
Jan Freitag
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