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Unschlagbar, unkaputtbar. „Bob, der Baumeister“ ist seit Gründung von Super RTL die Nummer eins bei den jungen Zuschauern.
© Super RTL

Interview mit Super-RTL-Chef Claude Schmit: „Mütter entscheiden über das Kinderprogramm“

Aber 45 Prozent der Kinder sehen Erwachsenen-TV. Gespräch mit Super-RTL-Chef Claude Schmit über Erfolgsrezepte, Einkauf und das Genie des jungen Publikums.

Herr Schmit, Super RTL startet am 4 Juni den Digitalsender Toggo plus. Was versprechen Sie sich davon?
Ich würde das beschreiben als eine nach vorne gerichtete Verteidigungsstrategie. Allen Beteiligten muss klar sein, dass sich der Markt für Kinderfernsehen weiter fragmentiert. Nicht dass es weitere Sender geben wird, das nicht, aber natürlich wird der Fernsehkonsum der Kinder auch nonlinear erfolgen. Da müssen wir unsere Position stärken; deshalb ist jetzt noch ein guter Zeitpunkt, unsere Kinderprogrammmarke Toggo auch als eigenen Sender zu etablieren. Wir wollen unser Portfolio absichern, Wachstumsphantasien sind auch dabei, aber keine dramatisch großen.

Was wird Toggo plus auszeichnen?
Toggo plus wird das Super-RTL-Programm um eine Stunde versetzt ausstrahlen. Das passiert aus einer Position der Stärke heraus - der Marktführer dupliziert sich. Für die Kinder ergibt sich die Möglichkeit, schon Gesehenes nochmals zu sehen, für die Eltern gibt es die Gewissheit, dass sie das Programm, das ihre Kinder bei Toggo plus sehen wollen, schon von Super RTL her kennen können. Außerdem bekommen wir die Chance, das Programm, das bei Super RTL zwischen 19 Uhr 15 und 20 Uhr 15 läuft, bei Toggo plus in die Primetime zu schieben. Wir haben dann ein Kinderangebot in der Primetime. Das ist ganz neu. Wir sind da nicht alleine unterwegs, auch Kika und Nickelodeon senden in dieser Zeit Kinderfernsehen.

Sie versuchen also die neue Fernsehwelt einzufangen, ohne die alte aufzugeben. Gibt es dafür Vorbilder?
Sehr viele sogar, in Großbritannien alleine rund 80. Auch Disney ist sehr aktiv, allerdings sind das meistens Pay-TV-Sender.

Super RTL war im April mit 21,6 Prozent Marktanteil an der Spitze der Kinderprogramme. Was macht Super RTL so erfolgreich?
Es gibt keine Rezept, keine Erfolgsformel. Es ist wie immer auch eine Sache von Gespür. Ein Gespür unserer Programmleute mit Programmchef Casten Göttel und Chefeinkäufer Frank Dietz an der Spitze, was die Mütter in Deutschland für ihre fernsehenden Kinder als akzeptabel erachten. Deutsche Mütter sind ohne Frage Gatekeeper. Anders als in den USA, wo den Eltern völlig egal ist, was ihre Kinder sehen. Es reicht eben auch nicht, nur in die Länder mit erfolgreichen Kinderprogrammen zu schauen und dann die Erfolge kopieren zu wollen. Das funktioniert nicht.

Aber ist ihr Erfolg nicht doch eine Kopie erfolgreicher Kinderprogramme aus Übersee? Sie kaufen, was Cartoon-Ware angeht, zu 65 Prozent in Kanada und den USA ein.
Stimmt. Aber das ist der Markt. Disney, Nickelodeon und Cartoon Network sind führend bis prägend. Diese Unternehmen haben nicht nur einen, sondern mehrere Fernsehsender. Also produzieren sie viel, respektive lassen viel produzieren. Das bringt uns einen doppelten Vorteil: Wir können aussuchen, und wir können auch aus Erfolgen der genannten Sender aussuchen.

Wir haben also das Phänomen, dass im zweitgrößten Fernsehmarkt der Welt keine Programmware made in Germany gezeigt wird, sondern international erprobtes und erfolgreiches Programm.
Gar nichts ist übertrieben, aber relativ wenig, das stimmt schon. Super RTL produziert immerhin Magazine. Spielfilmproduktion für Kinder ist ja ein ganz schwieriges Thema in Deutschland. Die Refinanzierung ist unmöglich, weil Spielfilme für Werbung nicht unterbrochen werden dürfen.

Claude Schmit ist Geschäftsführer des Kindersenders Super RTL in Köln.
Claude Schmit ist Geschäftsführer des Kindersenders Super RTL in Köln.
© promo

Wenn man mit den Verantwortlichen der Studios für Kinderfernsehen in Kanada und den USA - beispielsweise 9story oder Dreamworks - spricht, dann gibt es nur eine Richtung: Mehr Umsätze, mehr Nachfrage, eine stets wachsende Anzahl von Mitarbeitern. Welche Ursachen hat dieser Boom?
In Kanada hat das auch regulative Ursachen. 30 Prozent der Gewinne müssen wieder in die Produktion von Kinderfernsehen investiert werden. Die Franzosen haben ein ähnliches Modell, in Deutschlang gibt es das gar nicht. Dann existiert der Vorteil der Weltsprache Englisch. Wer in dieser Sprache produziert, der hat die Welt vor Augen. Nicht zu vergessen: Wir reden ja nur von und mit den Produzenten, die überlebt haben.

In welcher Phase befindet sich der Markt?

In einer Konsolidierungsphase. Groß hat Klein gefressen. Wachstum wird über Zu- und Einkäufe generiert.

In Deutschland kommt das demographische Problem dazu: Die Zahl der Kinder sinkt.
Von den Kindern, also von den Drei- bis zu den 13-Jährigen, schauen 55 Prozent Kinderfernsehen. Also schauen 45 Prozent Erwachsenenfernsehen, das ist für uns eine sehr, sehr interessante Zielgruppe. Wir müssen zusehen, dass wir neue Zuschauer gewinnen, auch deswegen die Gründung von Toggo plus. Da ist Potenzial, sprich wir erwarten einen Marktanteil im unteren einstelligen Bereich und nach 20 Uhr 15 sogar zweistellige Werte.

Der Fernsehmarkt der Kinder in Deutschland hat sich ja in einer geradezu unheimlichen Weise gefunden, vorneweg Super RTL und Kika, dahinter Disney und Nickelodeon. Und für alle gilt das nämliche Prinzip: Film wird Serie wird Merchandising wird Film wird Serie wird Merchandising.
Ja. Das Modell ist aber, von Disney abgesehen, die es erfunden haben, gar nicht so alt. Da ist es zudem von Vorteil, dass die kulturellen Unterschiede, die es beim Erwachsenenfernsehen zu beachten gilt, so beim Kinder-TV nicht gelten. Hier funktionieren mehr Programme global. Was damit zugleich gilt: Jungens schauen Jungens-Programm, Mädchen Mädchen-Programm, aber auch Jungens-Programm. Sie sind toleranter. Dass die Programme insgesamt weiblicher sind, liegt auch daran, dass immer mehr Frauen fernsehen als Männer.

Haben sich Kinder als Kinderfernsehzuschauer verändert, stark verändert - oder ist das Genie des Kindes unverändert, weil eben unveränderbar?
So ist es. Was auch zu beobachten ist: Die Kinder werden schneller älter und erwachsener. Der Grundgenius ist derselbe, aber die Entwicklungsphasen sind schneller als früher. Was natürlich etwas mit dem Mehr an Medien und mit der gestiegenen Mediennutzung zu tun hat.

Wie viele Programm-Lieferanten hat Super RTL? Wird penibel darauf geachtet, dass eine große Varianz die Abhängigkeit von einem Anbieter verhindert?
Super RTL hat über 20 Lieferanten für Kinderprogramm, davon sind sechs wirklich relevant., also strategische Partner. Wir schauen uns diese Partner immer sehr genau an, sowohl das Portfolio als auch die Entwicklungspipelines. Sieht es für die künftige Entwicklung kritisch aus, versuchen wir uns zu lösen. Beispielsweise, wenn es einen Finanzinvestor gibt. Der sorgt meistens für notwendige Liquidität, hat darüber hinaus keinen Plan als den, sich mit Gewinn wieder aus dem Investment zu verabschieden.

Wie ist von heute aus der Ausstieg von Disney als Programmlieferant für Super RTL zu sehen? Der Konzern lieferte immerhin 30 Prozent des täglichen Programms.
Es war das Beste, was uns passieren konnte. Wir haben uns alle zu sehr unterschätzt, wir wussten, wir zahlen sehr viel Geld für das Disney-Programm, wir konnten nicht ausstrahlen, wie wir wollten. Wir wussten auf der anderen Seite auch, dass wir für hundert Jahre gutes bis sehr gutes Programm bekommen werden - eine Medaille mit zwei Seiten.

Disney ist aber weiterhin mit 50 Prozent Gesellschafter.
Das ist jedoch eine reine Finanzbeteiligung. Für das viele Geld, das wir nicht mehr an Disney bezahlen müssen, bekommen wir jetzt genauso erfolgreiches Programm. Und das zu besseren Konditionen. Außerdem kann Disney nicht länger Ausstrahlung und Merchandising bestimmen. Super RTL ist mittlerweile hinter Disney die größte Merchandising-Maschinerie.

Merchandising ist ja reines Geldverdienen. Irgendeine Grundregel dabei, Linien, die nicht überschritten werden dürfen?
Ja, die Produkte müssen zu den Markenkernen von Toggo und Toggolino passen. Bitte nicht zu vergessen, dass auch die öffentlich-rechtliche Konkurrenz Merchandising betreibt. So gibt zum Beispiel jede Menge Merchandising zur "Sendung mit der Maus". Ich finde das nicht so prickelnd, das passt nicht zum öffentlich-rechtlichen Auftrag.

Jetzt wird das fürs Kinderfernsehen so wichtige Studio Dreamworks von Comcast/Universal übernommen. Wiederholt sich da die Disney-Geschichte?
Für uns kann das nur positive Auswirkungen haben. Dreamworks ist ein großes Unternehmen, hatte aber auch schon so seine Finanzierungsschwierigkeiten. Da machen wir uns jetzt keine Sorgen mehr, Comcast/Universal wird nicht 3,8 Milliarden Dollar für Dreamworks ausgeben, wenn sie nicht ehrgeizige Pläne mit Produktionen für Kinder vorhätten. Universal ist ja ein wichtiger Partner der RTL-Gruppe, also wird es auch weitere Vorteile geben können.
Aber vor diese Fragen schiebt sich eine andere: Netflix. Wenn man sieht, wie dieses Streaming-Unternehmen auftritt, da kann man schon mal Respekt kriegen. 150 Millionen Abonnenten weltweit, das lineare Fernsehen wird von Netflix-Chef Ted Hastings für tot erklärt. Nun muss man Hastings nicht alles glauben, was er sagt, aber das macht einen schon nachdenklich. Sie werden die Fernsehwelt nicht neu erfinden, doch neue Wege gehen, neue Akzente setzen, die Produktionsindustrie verändern. Da müssen wir aufpassen, haben aber bereits vor einem Jahr mit der Gründung der SVOD-Plattform kividoo, eine Art Netflix nur für Kinder, reagiert.

Setzt man die wachsende Zahl an Sendern und Anbietern mit den benötigten Produktionsvolumina in Beziehung, dann haben die Produzenten von Kinderfernsehen gerade eine gute Zeit.
Haben sie, richtig. Wir müssen gerade etwas höhere Preise bezahlen. Aber wir sind eben nicht nur auf der Broadcaster-Ebene Partner der Produzenten, sondern auch auf der Ebene der Weiterverwertung, des Merchandisings. Da sind wir wieder in der Vorhand, die Konkurrenten machen da ja sehr wenig.

Toggo plus bietet ab 4. Juni das Super-RTL-Programm um eine Stunde versetzt.
Toggo plus bietet ab 4. Juni das Super-RTL-Programm um eine Stunde versetzt.
© Super RTL

Fertige Ware einkaufen, dann ausstrahlen und übers Merchandising weiter profitabel machen, das wird nicht das einzige Modell sein, wie Super RTL mit Produktionen und Produzenten dealt.
Es gibt nicht das eine Modell für die Zusammenarbeit. Lizenzrechte, Pre-Production, Pilot-Produktionen, Entwicklungsaufträge oder sogar in die Kapitalbeteiligung gehen, da sind wir total offen. Wie nachhaltig ist das Produkt, wie langlebig, ist es nur ein Hype, all das spielt in die Einzelbetrachtung hinein.

Trotzdem. Herr Schmit: Was ist über die 21 Jahre Super RTL das Programm, bei dem Sie beständig strahlende Augen bekommen?
Bob, der Baumeister.

Um Gottes Willen. Schon die kleinen Deutschen wollen die Baumärkte stürmen.
Der Renner seit 20 Jahren. Ein deutsches Thema, das hervorragend funktioniert - auch wenn es eine englische Erfindung ist.

Aber es gibt es auch Marken mit einem Verfallsdatum. Ausgerechnet die "Muppets" sind so eine Marke. Wie kommt so ein Desaster zustande? Die Einschaltquoten in den USA sind miserabel.
Zur Gründungszeit der "Muppets" durch Jim Henson gab es ja nicht so viel an Fernsehen für Kinder. Das allein war schon ein großer Vorteil. Heute ist das ganz anders. Ein Produkt ist verloren, wenn die Seele verloren geht. Bei der "Muppet Show" fing das an, als die Henson-Familie nicht mehr dahinterstand und verkaufte. Jetzt gehört das Format einem Riesenkonzern wie Disney. Dort ist die Show eine von sehr vielen. Das kann sich natürlich auf das Produkt auswirken.

Das Interview führte Joachim Huber.

Claude Schmit war erst Generalsekretär und ist seit 2000 Geschäftsführer des Kindersenders Super RTL, der zu jeweils 50 Prozent der RTL Group und dem Disney-Konzern gehört.

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