Benedict Cumberbatch ganz anders: Mensch Sherlock
In der vierten Staffel von "Sherlock" wird der Privatdetektiv aus der Baker Street von Gefühlen überwältigt. Wie sich die erfolgreiche BBC-Serie immer wieder neu erfindet.
So einfach kann eine Rehabilitierung aussehen, jedenfalls in der BBC-Serie „Sherlock“. Ein wenig Photoshop hier, ein bisschen Video-Manipulation im offiziellen Geheimdienstauftrag ihrer Majestät dort, und fortan war es nicht länger Sherlock Holmes, der den von Lars Mikkelsen gespielten Medienmogul Charles Augustus Magnussen in „Sein letzter Schwur“ vor aller Augen erschoss – und darum aus Großbritannien fliehen musste –, sondern ein unerfahrener Sicherheitsmann, dessen lockerer Abzugsfinger den Bösewicht vom Leben zum Tod beförderte. Der von Benedict Cumberbatch gespielte Privatdetektiv mit seiner deduktiven Ermittlungsmethode kann nach diesem Freispruch zweiter Klasse nun wieder das machen, was er am besten kann: seine Mitmenschen mit Herablassung behandeln und ganz nebenbei zusammen mit seinem Kompagnon Dr. Watson (Martin Freeman) die kompliziertesten Fälle aufklären. um so England vor der Herrschaft des Verbrechens durch Bösewichter wie Jim Moriarty und seinesgleichen zu bewahren. Anders gesagt: die TV-Serie „Sherlock“ kehrt zur Freude der Zuschauer zu Pfingsten mit drei neuen Folgen ins deutsche Fernsehen zurück.
Nach dem Erfolg der ersten „Sherlock“-Staffel im Sommer 2010 war die zweite Staffel quasi ein Selbstläufer. Die Übertragung der Handlung in die Gegenwart, ein Sherlock Holmes, der noch schneller twittert als kombiniert, aber vor allem das Schauspieler-Gespann Benedict Cumberbatch als Consulting Detective und Martin Freeman als ehemaliger Militärarzt John Watson machten „Sherlock“ zu einem weltweiten TV- Event. In über 180 Länder konnte die BBC die erste Staffel verkaufen.
Sherlock aufgekratzter denn je
Seither giert das Publikum nach neuen Folgen, nach immer abgedrehteren Fällen mit immer unerklärlichen Erklärungen und vor allem nach noch mehr Genie und Wahnsinn. Und genau damit, mit Schicksalsschlägen, Drogenexzessen, menschlichen Abgründen, irrsinnigen Verwüstungen und einem Übermaß an krimineller Energie haben die Autoren und Produzenten Steven Moffat und Mark Gatiss die vierte Staffel vollgepackt, um die Serie ein weiteres Mal neu zu erfinden. Sherlock dreht nochmals auf, ist aufgekratzter denn je. „Mein Verstand ist so schnell, ich kann ihm gar nicht folgen“, sagt er an einer Stelle. Vor allem aber wird der Zuschauer Zeuge der Vermenschlichung Sherlocks.
In der ersten neuen Folge „Die sechs Thatchers“ kann Sherlock Holmes noch abstreiten, dass das plötzlich aufgekommene Verantwortungsgefühl etwas mit normalen menschlichen Emotionen zu tun hat. Das sei eine Frage von Pflicht, erwidert er. Eine Episode weiter, in „Der lügende Detektiv“, als er seinem Freund und Mitstreiter Watson die Schulter zum Trost anbietet, stellt sich diese Ausrede als nicht länger haltbar heraus. In „Das letzte Problem“ muss er sich in einer Frage auf Leben und Tod sogar zwischen Freund und Bruder entscheiden. Die dabei zu beobachtende Menschwerdung Sherlocks gehört zu den bedeutenden Entwicklungssträngen der BBC-Reihe. Mitgefühl zählt bekanntlich nicht zu den Eigenschaften, für die diese Figur von Arthur Conan Doyle steht. Verständnis für die Gefühle seiner Mitmenschen brachte er bislang nur auf, wenn sie zur Lösung eines Falls beitragen konnten. „Wir werden seinen Verlust nie verwinden“, erzählen die Eltern des Jungen, dessen Tod so bemerkenswert war, dass er die Neugier des Detektivs weckte. Statt mit ein paar Worten des Trosts zu antworten, sagt Sherlock nur: „Das werden Sie sicher nicht.“
Doch mit den Gefühlen hadert nicht nur der „hoch funktionale Soziopath“, für den sich Holmes gerne ausgibt. Anders als der Detektiv leidet Dr. Watson zwar nicht unter einem Mangel an Empathie. Doch dem pflichtgetreuen Ex-Soldaten fällt es ebenfalls alles andere als leicht, seine Gefühle zu zeigen – vor allem, wenn es um seinen Freund Sherlock geht. Auch er wird in der neue Serie von Gefühlen übermannt, und das nicht nur durch die Geburt seiner Tochter.
Wie jede Serie, die über einen längeren Zeitraum erfolgreich ist, nimmt auch bei „Sherlock“ die Bedeutung des Ensembles zu. Mycroft Holmes (besetzt mit Produzent Mark Gatiss) spielt in der BBC-Serie seit jeher eine tragende Rolle, die er in anderen Adaptionen für die Leinwand und den Fernseher nicht hatte. In der neuen Staffel ist seine Stellung streckenweise sogar mit der von Dr. Watson zu vergleichen. Mrs. Hudson (Una Stubbs) ist schon lange weit mehr als eine Vermieterin, die keine Haushälterin sein will, vor allem seitdem bekannt wurde, dass sie einmal mit einem Drogenbaron verheiratet war. Molly Hooper (Louise Brealey) und Inspector Lestrade (Rupert Graves) sind für „Sherlock“ ebenso unverzichtbar. Noch zentraler für diese Staffel ist aber Mary Watson (Amanda Abbington), Ex-Agentin, Ehefrau von John Watson und nun auch Mutter eines gemeinsames Kindes, für das Sherlock Holmes sogar die Patenschaft übernimmt.
Toby Jones als charmanter Serienkiller
Von den Gegnern ragt diesmal vor allem Toby Jones als charmanter TV-Star und gewissenloser Serienkiller Culverton Smith heraus. Aber über allem thront im Verbrechens-Olymp Jim Moriarty (Andrew Scott), der – obwohl inzwischen nicht mehr unter den Lebenden weilend – noch immer die Strippen zu ziehen scheint.
Dabei treten die Fälle zunehmend in den Hintergrund. So wie sie Sherlock vor allem dazu dienen, der Langeweile und den damit verbundenen Depressionen zumindest eine Zeitlang zu entfliehen, so erfüllen sie aus Sicht der Serie vor allem den Zweck, die große Geschichte der außergewöhnlichen Freundschaft zwischen Sherlock Holmes und Dr. Watson fortzuschreiben. Zugleich gelingt es Moffat und Gatiss, der Handlung auch in dieser vierten Staffel eine grundsätzlich neue Wendung zu geben. Dazu wird ein Familiengeheimnis gelüftet, das selbst Arthur Conan Doyle nicht kannte. Die BBC- Serie ist so erfolgreich, dass sie sich solche Freiheiten leisten kann. Ob es weitergeht, wie es weitergeht, verraten die Autoren nicht.
„Sherlock“, vierte Staffel: „Die sechs Thatchers“, Sonntag; „Der lügende Detektiv“, Montag; „Das letzte Problem“, 11. Juni, jeweils 21 Uhr 45 in der ARD.
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