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"heute-journal"-Moderatorin Marietta Slomka schaltete am Mittwochabend zu Elmar Theveßen nach Washington zum Kapitol. Das ZDF-Magazin erreichte neun Millionen Zuschauer.
© Tsp

Keine Live-Bilder: Massive Kritik an ARD und ZDF nach Sturm auf Kapitol

Hans Albers im Ersten, Balkan-Style im Zweiten, aber kein kompletter Programmumbau, lautet die Kritik vieler Zuschauer am Tag der Stürmung des US-Kapitols.

Ist es der unvermeidbare Reflex bei extremen Ereignissen wie der Stürmung des US-Kapitols oder berechtigte Kritik an der Arbeitsweise von ARD und ZDF? Weil die öffentlich-rechtlichen Sender ihr Programm am Mittwochabend nicht komplett umgekrempelt haben, kam es in den sozialen Medien zu einer erregten Debatte darüber, ob diese „Breaking News“ nicht von so überwältigender Bedeutung waren, um zu noch drastischen Programmschritten zu greifen.

„In der ARD läuft ,Die Liebe des Hans Albers‘, im ZDF ,Balkan-Style‘. Warum sendet ihr nicht live aus WashingtonDC?“, lautete die Beschwerde eines Twitter-Nutzers. Ulrich Deppendorf, Ex-Chefredakteur der ARD, stieß ins gleiche Horn: „In Washington gibt es einen Anschlag auf die US-Demokratie und Das Erste sendet Hans Albers! Verstehen tue ich das nicht mehr. Auch nicht das ZDF“, schrieb er auf Twitter.

Und wie war der Tweet von „heute-journal“-Anchorman Claus Kleber zu verstehen? Er schrieb um kurz nach 20 Uhr: „Unfassbare Szenen im US-Capitol. CNN einschalten. Sofort.“ Für die öffentlich-rechtlichen Sender kommt die Kritik zur Unzeit. Gerade erst sind ARD, ZDF und Deutschlandradio mit der für Anfang 2021 vorgesehenen Erhöhung des Rundfunkbeitrages um 86 Cent auf 18,36 Euro gescheitert, weil das Landesparlament von Sachsen-Anhalt den neuen Rundfunkstaatsvertrag nicht ratifiziert hatte und das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge der Sender als „nicht ausreichend begründet“ zurückwies.

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Thomas Lückerath, Gründer des Medienmagazins DWDL, verweist in Sachen Kapitol-Liveberichte im TV auf die Faktenlage: „Phoenix hat um 20 Uhr 40 als erster deutscher Sender das Programm unterbrochen, ntv um 20 Uhr 46 und um 20 Uhr 50 folgte Welt. Um 20 Uhr 57 war Tagesschau24 live. Und ab 21 Uhr 45 dann auch im Ersten und ZDF.“ 

Besonders die Nachrichtensender konnten mit ihren Sondersendungen punkten und ihre Marktanteile in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen ausbauen (ntv: 2,5 Prozent; Welt: 3,3 Prozent),

meldete DWDL am Donnerstagmorgen. Der öffentlich-rechtliche Informationskanal Phoenix kam auf 1,3 Prozent. Neun Millionen Zuschauer informierten sich um 21 Uhr 45 im „heute-journal“ des ZDF, die einstündige Ausgabe der „Tagesthemen“ um 23 Uhr kam auf 2,08 Millionen.

Die ARD-"Tagesthemen" reagierten auf die Stürmung des US-Kapitols mit einer Sondersendung. Manche Zuschauer hätten sich allerdings eine Unterbrechung des laufenden Programms gewünscht.
Die ARD-"Tagesthemen" reagierten auf die Stürmung des US-Kapitols mit einer Sondersendung. Manche Zuschauer hätten sich allerdings eine Unterbrechung des laufenden Programms gewünscht.
© Tsp

Die öffentlich-rechtlichen Sender hatten zudem prompt auf die Kritik reagiert und via Laufband und Social Media auf ihre Extra- und Spezial-Sendungen verwiesen. Auch Ex-ZDF-Fernsehratschef Ruprecht Polenz meldete sich zu Wort: „Phoenix, den Sie auf Ihrem Gerät auch empfangen können, sendet non stop. Wird von ARD und ZDF hälftig betrieben“, schrieb der CDU-Politiker auf Twitter.

Dennoch könnte eine Lehre nach den Ereignissen von Washington sein, im Hauptprogramm von ARD und ZDF noch stärker auf die Sondersendungen und vor allem auf Phoenix zu verweisen.

Gewalt gegen Medienvertreter

Die marodierenden Trump-Anhänger griffen unterdessen erneut Journalisten und TV-Teams an. ARD-Korrespondentin Claudia Buckenmaier musste aus Sicherheitsgründen ihre Live-Schalte in die „Tagesthemen“ unterbrechen.

Ebenfalls betroffen waren Berichterstatter von RTL/ntv und Associated Press, berichtete der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Das Beispiel zeige, dass Demokratie und Pressefreiheit jeden Tag aufs Neue verteidigt werden müssen. „Das gilt auch für Deutschland, wo manche Populisten in ähnlicher Form versuchen, die Öffentlichkeit zu radikalisieren wie in den USA“, mahnt der DJV-Vorsitzende Frank Überall.

"heute-journal"-Redaktionsleiter Wulf Schmiese verwies im ZDF-Morning-Briefing ebenfalls auf die Gewalt gegen Journalisten, so auf ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. Die Angreifer zerstörten dabei Übertragungsmaterial und teures Equipment. Eine weitere Schalte für das „heute journal Spezial“ sei dadurch unmöglich geworden. Immerhin: Theveßen und seinen Leuten „ist gottlob nichts passiert“.

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