zum Hauptinhalt
Der Schauspieler Martin Armknecht
© dpa

Lindenstraße: Martin Armknecht: „Das Böse hat eine große Faszination“

Am Sonntag läuft die 1500. "Lindenstraße"-Folge. Schauspieler Martin Armknecht über sein Serien-Comeback, deutsches Kulturgut und die Lust auf große Familie.

Herr Armknecht, mit Ihnen als Ex-Drogendealer Robert Engel kehrt am Sonntag zum Jubiläum das Böse in die „Lindenstraße“ zurück. Und der Mann, dessen Schwulenkuss als Robert Engel mit Carsten Flöter 1987 für großes Aufsehen sorgte. Es war der erste Schwulenkuss im deutschen Serienfernsehen.

Ohne es hochhängen zu wollen, mit diesem Kuss haben wir eine ganze Menge für Schwule in Deutschland getan. Das war damals ein Tabubruch. Was für ein Wirbel. Ich hatte daraufhin ja auch um eine Kündigung bei der „Lindenstraße“ gebeten, wollte den Robert-Engel-Strang nicht mehr weiterspielen.

Warum?

Die Reaktionen auf diesen Kuss waren mir einfach zu heftig, das ging bis zu Morddrohungen. Sätze wie „Du gehörst ins KZ“ und so was. Danach hat Produzent Hans W. Geißendörfer der Figur Robert Engel diesen Bösewicht auf den Leib geschneidert.

Martin Armknecht als Fiesling Robert Engel.
Martin Armknecht als Fiesling Robert Engel.
© WDR/Steven Mahner

Den Sie offenbar gerne spielen ...

Er ist kultig geworden. Das Böse hat nach wie vor eine große Faszination. Deshalb kehrt Robert Engel ungeläutert zurück. Diese Eiseskälte, dieses Über-die-anderen-Hinweggehen, ich muss zugeben, es macht wirklich Spaß, diesen Robert Engel zu spielen. Das tun, was man im normalen Leben nicht darf.

Wie war es, im Mai wieder an das „Lindenstraße“-Set in Köln-Bocklemünd zu kommen, nach 22 Jahren? Was ist geblieben, was ist anders?

Das war ja wie eine Zeitreise für mich. Die Medienlandschaft hat sich seit Anfang der 1990er Jahre komplett verändert, ich habe stürmische Jahre erlebt. Nun kommt plötzlich der reife Schauspieler dahin, wo er als Anfänger eine Chance bekommen hat. Alle haben sich gefreut, dass ich da bin. Da ist immer noch dieses Familiäre, was vollkommen untypisch ist für die Branche. Eine große Familie, die gemeinsam an einem Produkt arbeitet.

Wie viele Schauspieler dort kannten Sie ?

Ich hatte und habe ja nach wie vor mit vielen Kontakt. Die Marie-Luise Marjan treffe ich immer auf Empfängen. Anders Ludwig Haas, der war damals 61, jetzt ist er über 80. Oder Jo Bolling, der aussieht wie 50 und auch schon Anfang 70 ist. Du kriegst ein besonderes Gefühl für die Zeit bei dieser Arbeit.

Bei aller guten Laune beim Dreh in Bocklemünd, viele halten das, was dort gemacht wird, nicht mehr für wichtig.

Das sehe ich anders. Die „Lindenstraße“ ist für mich wie ein Kunstwerk, die Reflexion der bundesdeutschen Wirklichkeit, das finde ich nach wie vor spannend.

Zuschauer haben sich aber über die Jahre abgewandt. Fragen entgeistert: „Was, du guckst noch ,Lindenstraße‘?“

Die Frage kenne ich. 29 Jahre sind eine ungewöhnlich lange Zeit für eine wöchentliche Serie. Ist doch toll! Meine Rückkehr ist für zehn Folgen angelegt. Dann schauen wir mal, wie es ankommt.

Es gab ja einige Comebacks in fast 30 Jahren „Lindenstraße“: Thorsten Nindel als Zorro, Willi Herren als Olli Klatt, nun Robert Engel. Ist das ein Rückschritt für Sie?

Dass die Leute denken: Oh, der hat nichts mehr zu tun, der muss in die „Lindenstraße“ zurück? Im Gegenteil, ich bin gut beschäftigt. Und übrigens: Harrison Ford spielt mit Anfang 70 ja auch wieder „Indiana Jones“. Da kann ich mit Anfang 50 auch wieder Robert Engel spielen. Ich habe keine Berührungsängste, ich liebe es zu spielen. Es gab ja immer wieder mal die Anfrage von der „Lindenstraße“ in den letzten 20 Jahren. Jetzt passt es eben.

Aber es ist doch schwierig, aus dieser Schublade herauszukommen: einmal „Lindenstraße“, immer „Lindenstraße“…

Ich muss von meinem Beruf leben und habe von daher nie Berührungsängste mit den verschiedenen Formaten gehabt. Vielleicht hat mir das manche Tür zum Kunstfilm zugemacht. Aber das ist für mich kein Thema. In Amerika kommen große Top-Stars aus Soaps.

Wurden oder werden Sie auf der Straße noch auf den Robert Engel angesprochen?

Immer, ja.

Mehr noch als über den Rückkehrer Robert Engel wird zurzeit über die neue Moschee diskutiert, die in der „Lindenstraße“ gebaut wird.

Ein großes politisches Thema, das gibt es auch nur in dieser Familienserie. Ich persönlich würde mir aber noch mehr von diesen kleinen Geschichten wünschen. Dass aus dem Leben der Menschen erzählt wird. Von Menschen, die durch ihr Handeln auch Vorbilder sein können. Das Kleine ist das Große in der „Lindenstraße“.

In zwei, drei Sätzen: Warum sollten von der „Lindenstraße“ auch noch die nächsten 1500 Folgen laufen?

Die „Lindenstraße“ ist für meinen Geschmack ein Teil unseres deutschen Kulturgutes, unabhängig davon, ob man sie mag oder nicht mag. Sie gibt es. Quote hin, Quote her. Punkt.

Ist dann Sonntag, 18 Uhr 50, für Sie noch eine heilige Zeit?

Nein, es gibt ja die ARD-Mediathek, da kann man auch später gucken. Die „Lindenstraße“ hat da viele Abrufe. Ich kenne aber auch noch viele Leute, die sonntags kurz vor sieben den Hörer neben das Telefon legen. Wenn beim Intro die Münchner Frauenkirche ins Bild kommt, wird die Klingel ausgestellt. Immer noch.

Die Jubiläumsfolge läuft am Sonntag, ARD, 18 Uhr 50. Lesen Sie hier, wie die "Lindenstraße" noch besser werden kann.

Markus Ehrenberg

Zur Startseite