"Die Schlikkerfrauen" auf Sat 1: Märchen vom Discounter
Eine Sat-1-Komödie schickt „Die Schlikkerfrauen“ in einen turbulenten Existenzkampf. Eine Aufarbeitung der Schlecker-Pleite ist der Film nicht.
Diese Firmenpleite hat keinen kalt gelassen. „Schlecker“, den Drogeriemarkt kannte jeder. War um die Ecke, war eine Kette. Unternehmer geht in die Insolvenz, 25 000 Frauen gehen in eine ungewisse Zukunft. Geburt der „Schleckerfrauen“. Ein Stück Kapitalismus, fassbar und begreifbar als ein Stück Kapitalismuskritik.
Großes Drama, großer Stoff. Sat 1 hat das Rennen gemacht. Noch vor dem ZDF geht der Privatsender ins Quotenrennen. „Die Schlikkerfrauen“, heißt der Film, bei der Wahrheit und Wirklichkeit will sich die Produktion bedienen, beiden dienen will sie nicht. Also nicht „Schleckerfrauen“, also eine freihändige Interpretation. Ein Team bot sich an: dieselbe Produktionsfirma, mit Uwe Janson derselbe Regisseur wie bei der satirisch geglückten Politikparabel „Der Minister“ über Aufstieg und Fall des Karl-Theodor zu Guttenberg. Und Katharina Thalbach, die „Volkswumme“, die aktuelle Antwort auf Inge Meysel.
Janson hat zusammen mit David Ungureit die „Schlikkerfrauen“ geschrieben. Eine Mischung haben sie angerührt, Anleihe genommen: da war die famose Briten-Komödie „Ganz oder gar nicht“, arbeitslose Männer suchen und finden ihren Weg in die Zukunft.
Der Sat-1-Film siedelt in Berlin, in Moabit, dort, wo das sozial schwache Berlin zu Hause und bei sich ist. Vier Frauen sind das Team der „Schlikker“-Filiale: Greta, 58, Leiterin, seit 30 Jahren dem Unternehmen treu. Greta (Katharina Thalbach), hochverschuldet, lebt allein mit ihrem Goldfisch in der Laube, eine Mietwohnung kann sie sich nicht mehr leisten. „Schlikker“, das ist ihr Leben, ein Leben, deutlicher von Niederlagen als von Siegen gekennzeichnet. Angie (Annette Frier) hat Adrenalin bis unter den Haaransatz. Zwei Kinder von zwei Typen, die sie, ihren Sohn, ihre Tochter sitzen gelassen haben. Boxt sich im Gym die Wut auf Welt und Mitwelt aus dem Bauch. Der Polizist Malte (Oliver Korittke) macht ihr den Hof, das ist tapferer als klug. Kennt Liebe aber Grenzen?
Das Personal ist schablonenhaft geraten
Die Migrantenflanke ist mit Zari, 28 (Shadi Hedayati) abgedeckt. Fast die wertvollste Mitarbeiterin, engagiert, gewissenhaft und voller Sorge, dass sie mit dem Verlust des Arbeitsplatzes von ihrer iranischen Familie doch noch in die Zwangsheirat geschickt wird. Vierte im Frauen-Bunde ist Chris, 25 (Sonja Gerhardt). Sie ist sehr blond, blöd ist sie nicht. Überstunden waren nie ihr Thema, sie will Popstar oder Model werden. Oder beides? Mal sehen. Ein wenig schablonenhaft ist das Personal schon geraten.
Alle fragilen Existenzen kommen mit der Pleite ins Rutschen. Greta, allein zu Hause in der Laube, Angie, alleinerziehend mit null Euro für die Kinder, Zari, allein in der Zwangsehe, Chris, allein mit ihren Träumen. Da kommt Theo Schlikker (Sky Du Mont) durch die Tür. Der Pleitier will von vorne anfangen, und zwar justament in Berlin-Moabit, wo alles vor Jahrzehnten begann. Wie gesagt, „Schlikkerfrauen“ verhandelt nicht Wahrheiten, sondern kalkuliert Wahrscheinlichkeiten. Also, Schlikker in der Filiale. Angie schlägt ihn k.o, Greta möchte das ganz große Ding drehen: Theo kommt nur gegen Lösegeld frei. Findet Schlikker toll. Auch er sieht Zukunft: Mit dem Geld, mit den vier Frauen müsste der Wiederaufstieg doch locker zu schaffen sein.
Zuweilen rumpelt es mächtig
Aber der Schlikker-Clan hält die Taschen zu. Also fährt Schlikker der zwei Millionen Lösegeld wegen in seine Villa. Doch Theo Schlikker ist von seiner Familie längst abgeschrieben worden. Schlikker und Schlikkerfrauen wird schlagartig klar: Zukunft geht anders. Die Komödie nimmt jetzt noch schärfere Kurven zum Finale hin. Da rumpelt es zuweilen mächtig, da feiert so manches Klischee fröhliche Urständ, es rächt sich, wie sehr bei den Figuren das Etikett für den Inhalt stehen soll.
Bitte keine Tiefe, keinen Tiefgang erwarten, die Dialoge schleudern mal brillante Pointen und schwitzen viele Binsen. Das Ensemble von Annette Frier bis Sky Du Mont gibt furios Tempo, es ist dem grobkörnigen Spaß mit Spielspaß zugetan. Katharina Thalbach sticht heraus, was an der Rolle, mehr noch an der Schauspielerin liegt: ein Charakter entsteht, ein Mensch im Wimmelbild der Figuren. Regisseur Janson stellt die Story ins Brausebad der Gefühle. Moabit handelt grobmotorisch.
Kantig ist die Sozialkomödie nicht, rundgeschliffen an den Ecken. Siehe Schluss, eher platt bis märchenhaft. Aber der Zuschauer glotzt romantisch. Frauen regieren die Welt? Frauen retten sich. Neuer Name für den Laden: „Glück“. Wer nicht ins Wasser geht, kann auch nicht schwimmen lernen, steht auf ihrem Glückskeks. Für Frauen, die härter sein wollen als die schlikkerhaften Zeiten.
„Die Schlikkerfrauen“, Sat 1, Dienstag, um 20 Uhr 15
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