Trump-Abend zum Arte-Jubiläum: Make Europe great again
Der deutsch-französische Kulturkanal Arte wird 25. Zur Feier gibt es ganz bescheiden einen Themenabend über 100 Tage Donald Trump.
Der Sheriff im Cochise County in Arizona steht vor einem hohen Zaun, der bis zum Horizont die menschenleere Landschaft teilt – und die USA gegen Einwanderer aus Mexiko abschottet. Manche Stellen sind bereits ausgebessert worden. „All das hier ließ Obama bauen“, sagt er. „Trump will nur die Lücken zwischen den Mauern schließen, aber darüber regen sich die Leute auf. Ich kapier das nicht.“ Der Sheriff hat Donald Trump gewählt, ebenso wie die religiöse Abtreibungsgegnerin, der arabische Einwanderer und die Fabrikarbeiterin.
Film-Autor David Muntaner beschreibt die ersten 100 Amtstage des amerikanischen Präsidenten aus dem Blickwinkel von vier Trump-Wählern – und von Edward, dem engagierten Schul-Sozialarbeiter und Football-Trainer aus dem kalifornischen Oakland. Der hat nicht gewählt. „Wozu auch? Meine Stimme zählt nicht“, sagt er. Obama habe „einen Scheiß für die Schwarzen getan“. Und: „Von Trumps neuer Regierung weißer Unterdrücker bekommen wir wenigstens keine Lügen mehr zu hören.“
Amerika zu verstehen, ist in den vergangenen Monaten nicht gerade leichter geworden. Und ein Urteil ist angesichts des Trump’schen Populismus schnell gefällt. Muntaners Dokumentation „Trump, mein neuer Präsident“ bietet dagegen einen unkommentierten Einblick in die Motive der Trump-Wähler aus verschiedenen Regionen und damit zugleich in die kulturelle und soziale Vielfalt des Landes, oder auch: in die Zerrissenheit.
Der Präsident selbst ist nur aus dem Off zu hören, mit O-Tönen zum Einwanderungsverbot für Muslime, zur Abschaffung von Obamacare oder zum Militärschlag nach dem Chemiewaffen-Angriff in Syrien. Die hier porträtierten Wähler scheinen recht zufrieden zu sein, von der Fahne gegangen ist nach 100 Tagen nur der einst aus dem Jemen geflohene Einwanderer aus Hamtramck/Michigan, der sich vom Geschäftsmann Trump eine andere Art von Politik erhofft hatte. Dass dessen abwertende Aussagen über Muslime nicht nur Wahlkampfgetöse sein würden, hatte er nicht erwartet.
Viel versprechend ist auch Teil zwei des Themenabends „100 Tage Donald Trump“: In „Steve Bannon: Der Trump-Flüsterer“ will ein Team um US-Autor Michael Kirk, einen vielfach ausgezeichneten Investigativ-Journalisten, die Weltanschauungen des Beraterkreises unter die Lupe nehmen. Im Mittelpunkt steht der ehemalige Investmentbanker Bannon, der es vom Herausgeber-Stuhl des rechtspopulistischen Online-Portals „Breitbart News“ bis in den Nationalen Sicherheitsrat gebracht hatte, bevor er diesen Posten verlor.
Von vielen respektiert, von weniger vielen gesehen
Arte ging heute vor genau 25 Jahren das erste Mal auf Sendung. Dass der deutsch-französische Sender einen Themenabend zur US-Politik anbietet, als wäre dieser Dienstag ein Tag wie jeder anderer, zeugt von bescheidener Zurückhaltung. „Business as usual“ statt eitler Selbstbespiegelung. Andererseits: Für die Zuschauer ist es ja auch ein Tag wie jeder andere. Arte gilt mittlerweile als öffentlich-rechtlicher Musterknabe, respektiert von vielen, tatsächlich gesehen von weniger vielen (Marktanteil: ein Prozent).
Es ist durchaus nicht so, als wären die Quoten den Machern in der Zentrale in Straßburg und bei den Zulieferern von ARD, ZDF und Arte France gleichgültig. Seit 1992 wurde immer wieder versucht, den Sender populärer zu justieren. Lange Dokumentarfilme wurden seltener und später ausgestrahlt, Themenabende reduziert. Das Programm weist mehr Vielfalt und Relevanz auf als der Rest der Anbieter, die sich auf den Bildschirmen tummeln. Dafür steht die werktägliche Reportage-Reihe „Re:“, auch im Netz steht Arte ziemlich frisch da.
Aber ist Arte wirklich „ein fester Anker in einem bewegten Europa“, wie sich der Sender gerne selbst beschreibt? Arte bemüht sich, hat Assoziationsverträge mit Sendern in Belgien, Österreich, Polen und Tschechien geschlossen und kooperiert darüber hinaus mit Sendern in der Schweiz, Finnland und Griechenland. Es strahlt seine Programme zum Teil mit englischen, spanischen und demnächst mit polnischen Untertiteln aus. Und Arte schafft mit seinem französischen Programm-Anteil, den internationalen Koproduktionen und den Übernahmen ausländischer Produktionen einen buchstäblich erweiterten Horizont.
Aber die Hoffnung, Wegbereiter für eine gemeinsame, europäische Öffentlichkeit zu sein, ist dann doch eher Vision geblieben. Dazu ist der Wunsch nach einem übersichtlichen Leben hinterm nationalen Gartenzaun zu groß und die Wirkungsmacht von Arte über die Grenzen der bildungsbürgerlichen Nische hinaus zu gering. Man möchte hinzufügen: noch.
Themenabend „100 Tage Donald Trump“; Arte, Dienstag, 20 Uhr 15