Boris Aljinovic in seinem letzten Tatort: Lieber dem Beispiel von Dominic Raacke folgen
In seinem letzten Berliner „Tatort“ lässt sich Boris Aljinovic von den Vorahnungen einer jungen Norwegerin leiten. Dabei hätte er lieber dem Beispiel seines Ex-Kollegen Dominic Raacke folgen sollen.
Im letzten "Tatort" aus Berlin mit Boris Aljinovic als Hauptkommissar Felix Stark geht es um Vorahnungen, oder noch genauer um Visionen. Helmut Schmidt hat eine klare Haltung dazu . Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, hat er in seiner Zeit als Bundeskanzler einmal auf die Frage geantwortet, welche Visionen er habe. Der Norwegerin Trude Bruun Thorvaldsen (Lise Risom Olsen), die im RBB-„Tatort“ als Studentin in Berlin lebt, kann allerdings kein Arzt helfen. Ihre Visionen überfallen sie nachts. Die Träume kommen, ob sie will oder nicht. So wie jener, in dem sie zusehen muss, wie ihre Freundin Lisa von einem Mann in einer Latzhose erwürgt wird.
Trude weiß, dass ihre Visionen in Erfüllung gehen. Seit ihrer Kindheit wird sie davon heimgesucht, Freundschaften sind daran zerbrochen, weil die Menschen Angst vor ihr bekamen. Nach einigem Zögern begibt sie sich dieses Mal zur Polizei. Hauptkommissar Felix Stark (Boris Aljinovic) hört ihr durchaus wohlmeinend zu, lässt sogar ein Protokoll des Gesprächs aufnehmen – aber vergisst die Warnung dann wieder. Erst als Wochen später eine Studentin namens Lisa erwürgt in ihrem Bett aufgefunden wird, erinnert er sich an die Begebenheit. Die Vorahnung der Norwegerin konnte das Verbrechen nicht verhindern. Aber kann sie bei der Suche nach dem Täter helfen? Oder weitere Taten des Vergewaltigers und Mörders verhindern?
Der „Tatort“ mit dem Titel „Vielleicht“ ist der letzte Einsatz für Boris Aljinovic als Hauptkommissar Stark. Vor etwas mehr als einem Jahr hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg entschieden, dass für das Team Stark/Ritter Schluss sein soll. Nach einiger Wartezeit wurden Meret Becker und Mark Waschke als Kern des neuen Teams vorgestellt, Ende Oktober begannen die Dreharbeiten für die Auftaktfolge mit dem Titel „Das Muli“, die am 22. März 2015 ausgestrahlt werden soll. Nachdem der Sender das Aus für das bisherige Team verkündet hatte, gab Aljinovics Partner Dominic Raacke dem RBB für die gewünschte Abschlussfolge einen Korb. „Wenn Schluss ist, dann richtig“, ließ Raacke wissen. Für Boris Aljinovic wäre es besser gewesen, seinem Beispiel zu folgen. Doch dies ließen seine Verträge nicht zu.
Im "Tatort" verlief nicht jede Trennung einvernehmlich
Immerhin verlief die Trennung von Sender und Kommissar-Personal ansonsten nach außen „einvernehmlich“. In der Geschichte des „Tatort“ ist dies keine Selbstverständlichkeit. Im Saarland wurden die Schauspieler Maximilian Brückner und Gregor Weber gegen Devid Striesow und Elisabeth Brück ausgewechselt. Begründung des Senders: Die Geschichte des alten Teams sei auserzählt – nach nur sieben Folgen. Auch Schauspieler Peter Sodann war alles andere als zufrieden mit der Entscheidung des MDR, seinen Kommissar Ehrlicher kurz vor dem 50. Fall in den Ruhestand zu schicken. Zum öffentlichen Eklat ist es dagegen bei Dominic Raacke und Boris Aljinovic nicht gekommen.
Das Gespann Ritter/Stark hatte vor allem zum Ende hin einige wirklich starke Momente. Die Folge „Gegen den Kopf“ um eine Jugendgang, die einen Musiker in einer U-Bahnstation zu Tode prügelte, war ebenso ambitioniert wie eindringlich. Aber auch die Episode „Letzte Fragen“ über den Rachefeldzug einer todkranken Polizistin (Ina Weisse) hat zum Nachdenken angeregt. Umso bedauerlicher ist das unrühmliche Ende dieses Berliner „Tatort“-Teams. Die Karriere von Till Ritter endete im Nichts. Kein Wort zu seinem Ausscheiden. Dafür präsentiert Drehbuchautor und Regisseur Klaus Krämer für den Schlussakkord ein komplett neues Team mit netten Ermittler-Azubis und einem Polizeipsychologen, der Freund Felix Stark abends beim Biertrinken tröstet.
Das hat Stark auch nötig. „Mir ist die ganze Geschichte zu spooky, ich möchte am liebsten aussteigen“, verrät die schwangere Kollegin Paula Wimberg (Laura Tonke) dem Hauptkommissar. Sicher: der ARD-„Tatort“ wurde von Beginn an dafür genutzt, die vielfältigsten Phänomene und gesellschaftlichen Veränderungen nachzuzeichnen. Gerade dies hat auch die besten „Tatort“-Folgen aus Berlin ausgezeichnet. Dass dabei mitunter auch küchenpsychologisiert wurde, bleibt freilich nicht aus. Doch dieser Ausflug in die Parapsychologie ist überstarker Tobak. Im Verlauf der Handlung gerät die Studentin aus Norwegen mit dem niedlichen Akzent in Lebensgefahr. Ohne mehr preisgeben zu wollen, als es die ARD im Internet selbst macht, gelingt es Stark und seinem Team, den Mörder zu fassen. Doch damit enden Trudes Visionen nicht: In ihren Träumen sieht sie weitere Morde. Schließlich betreffen ihre Visionen sogar Stark selbst.
Dieser "Tatort" spielt in Moll
Die Grundstimmung von Boris Aljinovics letztem „Tatort“ ist Melancholie, wenn es Musik gibt, dann in Moll. Die kraftlosen Sätze seines Kommissars klingen wie lauter letzte Worte. Lise Risom Olson hat dem als Trude Thorvaldsen nichts entgegenzusetzen. Die Verzweiflung ihrer Figur ist mindestens ebenso groß wie die von Stark.
Bei aller Verwunderung über das letzte Kapitel der Stark-Ära: Einige lichte Momente hat auch dieser „Tatort“: Während der Ermittlungen müssen die Berliner Restaurants abgeklappert werden. Felix Stark erledigt dies mit dem Fahrrad, das er stets unabgeschlossen lässt. Dass es geklaut wird, zeigt immerhin, dass dieser „Tatort“ nicht ganz ins Reich des Paranormalen abgeglitten ist.
„Tatort: Vielleicht“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15