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Auf der Flucht. Amare (Joshua Edoze) stammt aus Nigeria, sein Ziel ist England. Was er erlebt, hat Auswirkungen auf viele andere Menschen und Visionen. Denn in „Eden“ ist alles miteinander verwoben.
© SWR/Pierre Marsaut

Flüchtlingsserie "Eden": Kein Paradies, nirgends

Die Fernsehserie „Eden“ bei Arte und ARD bricht das europäische Flüchtlingsthema auf die persönliche Ebene herunter.

Die Szene am griechischen Strand dauert nur wenige Minuten, aber sie verändert das Leben vieler Menschen. Ein mit Flüchtlingen überladenes Schlauchboot nähert sich der Küstenlinie, stoppt einige Meter vor dem Strand. Wie von Furien gehetzt, springen die Flüchtlinge ins Wasser und rennen an den perplex dreinschauenden Urlaubern vorbei in einen nahen Wald. Für die Menschen, die sich zuvor noch an Bord des unsicheren Bootes befunden hatten, beginnt die nächste Etappe einer Flucht, von der niemand weiß, wo sie endet. Doch auch für die Mannheimer Familie Hennigs verändert sich nach diesem Aufeinanderprallen zweier Welten vieles. Dass sie – zurück in Deutschland – selbst einen syrischen Flüchtling aufnehmen, wird ihre Familie auf eine schwere Probe stellen. Und dies sind nur zwei von fünf Erzählsträngen der TV-Serie „Eden“, die zunächst ab Donnerstag bei Arte und später in der ARD ausgestrahlt wird.

Die Einstiegsszene, die im vergangenen Jahr am Strand von Marathon aufgenommen wurde, hat ein reales Vorbild. Der deutsch-französische Regisseur Dominik Moll hat sich von einer Situation inspirieren lassen, die sich genauso vor einigen Jahren in Cádiz in Südspanien zugetragen hat. An dem Amteurvideo davon faszinierte ihn, „wie zwei Welten zusammentreffen, die zuvor keine Berührungspunkte hatten“, erklärt er. Als Kritik an den Menschen, die Urlaub machen, während andere ihr Leben bei einer Flucht über das offene Meer riskieren, war die Szene hingegen nicht gedacht. Für den jungen Nigerianer Amare (Joshua Edoze), der im Zentrum der vielschichtigen Erzählung von „Eden“ steht, wird es nicht die letzte gefährliche Flucht sein, die ihn später noch von seinem Bruder Daniel und einem anderen Weggefährten trennt.

Zwei Welten in einer Geschichte verknüpfen

Dominik Molls Ziel ist es, mit „Eden“ über individuelle Geschichten die Berührungspunkte und Konflikte zwischen diesen beiden Welten zu ergründen. „Wenn man sonst im Fernsehen Flüchtlinge sieht, sind das häufig anonyme Gesichter. Wir wollen zeigen, dass hinter jedem dieser Menschen eine persönliche Geschichte steckt“, beschreibt er das Anliegen der Serie, die unter anderem in Athen, Paris, Brüssel, Mannheim, Frankfurt/Main und am Ärmelkanal spielt. Es ist eine wahrlich europäische Serie, die da als Koproduktion von Arte, SWR und ARD Degeto entstand. Wenn es eine Essenz davon gibt, dann vielleicht die, das alles miteinander verwoben ist. Das Schicksal der Menschen ebenso wie das Europas.

„Eden“ ist keine Dokumentation, auch wenn Moll Wert auf stimmige Details legt. Als Dramaserie benötigt der Sechsteiler gleichwohl genügend Spannungsmomente, um den Zuschauer 270 Minuten zu fesseln. So steht hinter jeder einzelnen Erzählung ein großes Fragezeichen. Gelingt es Amare, das einst mit seinem Bruder Daniel ins Auge gefasste Ziel England zu erreichen? Weil sich das bürokratische Verfahren hinschleppt, türmen die beiden aus dem griechischen Camp, dabei kommt Daniel ums Leben. Wie aber gehen die beiden Wächter des Flüchtlingslagers, Alexandros (Theo Alexander) und Yiannis (Michaelis Ikonomou), mit dem tödlichen Unfall von Daniel um? Und schafft es Hélène Durand (Sylvie Testud), die toughe Chefin des griechischen Camps, die EU trotz des Brandes und der Flucht der beiden Brüder von ihrem Konzept von Flüchtlingsunterkünften zu überzeugen, die privatwirtschaftlich betrieben zwar gewinnorientiert arbeiten, aber dabei das Wohl der Schutzbefohlenen nicht aus dem Auge verlieren? Auch an den anderen Orten entwickeln sich Dramen. In Mannheim stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Versuch eines deutschen Lehrerehepaares (gespielt von Juliane Köhler und Wolfram Koch), einen Flüchtling (Adnan Jafar) im eigenen Haus aufzunehmen, auf die Realität des Alltags trifft? Wie schafft es Sohn Flo (Bruno Alexander), seine Eifersucht auf den neuen Mitbewohner zu überwinden? Und was steckt in Paris hinter der Attacke auf einen geflüchteten syrischen Arzt, der offenbar ein so schwerwiegendes Geheimnis mit sich herumträgt, dass er es nicht einmal mit seiner Frau teilen kann?

Große Politik fehlt fast ganz

Für eine sechsteilige Miniserie jongliert „Eden“ tatsächlich mit ziemlich vielen Bällen – doch Regisseur Moll, der auch am Drehbuch beteiligt war, hat den Überblick trotz erheblicher Orts- und Zeitsprünge bewahrt.

Auf die große Politik geht die Serie kaum ein, auch wenn diese den Rahmen vorgibt. Es gibt auch keine Schreckensbilder von verwahrlosten Camps oder menschenunwürdigen Lebensbedingungen für die Flüchtlinge. Das Lager ist vielmehr beinahe in einem aseptisch sauberen Zustand. Den Menschen wird geholfen, die staatlichen Organisationen erfüllen nicht nur ihre Aufgabe, vielmehr agieren die dort arbeitenden Mitarbeiter menschlich im Umgang mit den Flüchtlingen. Doch selbst das ändert nichts an den Schicksalen, am Leid, das sie erfahren haben, oder an der Situation, die ihnen mitunter ausweglos erscheint. In „Eden“ lockt kein Paradies, nirgends.

Die Geflüchteten umgibt vielmehr ein emotionaler Panzer. So wie bei Bassam in Mannheim, der sogar das ungeklärte Schicksal seines Vaters ausblendet, um sein Ziel zu erreichen – sich durch Leistung einen Platz in der deutschen Gesellschaft zu sichern. Seine Verzweiflung herausbrüllen, das traut er sich nur im Verborgenen.

Auf explizite Gesellschaftskritik verzichtet „Eden“. Hélène Durand muss sich eines Übernahmeangebots eines Wettbewerbers erwehren, der den Profit über die Ethik stellt. Von einem Markt in der Größenordnung von zehn Milliarden Euro für die Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen ist die Rede. Eine eindrucksvolle reale Zahl, bei aller seriellen Fiktion.

„Eden“, sechs Teile. Auf Arte am 2. und 9. Mai, in der ARD am 8. und 15. Mai, jeweils um 20 Uhr 15.

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