Ulrich Tukur in „Houston“: Kapitalismus macht einsam
Beim Versuch einen großen Deal einzufädeln kommt Ulrich Tukur als Headhunter in Texas an seine Grenzen. Dabei entfernt er sich immer mehr von der Wirklichkeit.
Clemens Trunschka (Ulrich Tukur) ist auf der Jagd. Ein deutscher Automobilkonzern sucht einen neuen Vorstandschef, und Headhunter Trunschka soll den Kontakt herstellen zum erfolgreichen Boss von Houston Petrol, Steve Ringer. Nur mit ihm persönlich allerdings, niemand darf davon erfahren, dass hier ein Konzern dem anderen den Topmanager abwerben will. Eine delikate Aufgabe also, aber Trunschka ist gerade nicht in Topform: Zu viel Alkohol, zu viele Probleme zu Hause. Er bekommt Ringer einfach nicht zu fassen, auch in Houston nicht, wo Trunschka in einer kapitalistischen Hochhaushölle absteigt. Gewaltige Türme wachsen dort aus dem staubtrockenen Boden in den sonnenblauen Himmel, draußen die flirrende texanische Hitze, drinnen kämpft Hotelgast Trunschka mit der Klimaanlage. Und mit sich selbst.
Gute Kritiken, schlechte Zuschauerzahlen
„Houston“ ist ein traurig-schöner Film über einen Mann, der gerade den Boden unter den Füßen verliert. Für dieses Thema hat Autor und Regisseur Bastian Günther offenbar einen Faible, bedenkt man „Autopiloten“, sein starkes Langfilmdebüt aus dem Jahr 2007, in dem er gleich von vier scheiternden Helden erzählt hatte. Bis zur Fertigstellung des zweiten Films dauerte es allerdings: „Houston“ kam im Dezember 2013 in die Kinos und stieß beim Publikum nur auf geringes Interesse. Trotz guter Kritiken, trotz der auch nicht alltäglichen Referenz, dass Günthers Film beim Sundance Film Festival uraufgeführt wurde, zog es laut Kinostatistik nur 3411 Zuschauer an. So erging es fast allen Titeln, die die ARD zurzeit in ihrer Debütfilmreihe ausstrahlt – mit Ausnahme von „Oh Boy“ natürlich, dem Abräumer beim Deutschen Filmpreis 2013, der es auf mehr als 380 000 Zuschauer brachte.
Außenseiter im Anzug
Solche „kleinen“ Filme von Nachwuchskräften könnten ohne Förder- und Fernsehgelder gar nicht produziert werden – und erst im Fernsehen finden die meisten ein großes Publikum. „Houston“, bei dem der Südwestrundfunk (SWR) und der Hessische Rundfunk (HR) Koproduzenten waren, wäre es jedenfalls zu wünschen. Denn Günther hat eine gute Geschichte, eindrucksvolle Bilder (Kamera: Michael Kotschi), die wunderbar stimmige Musik von Michael Rother – und Ulrich Tukur, der in dieser kalten architektonischen Kulisse des heißen Texas klein und verloren wirkt. Der Headhunter weiß sich im Milieu zu bewegen, der Anzug sitzt perfekt, schlimmstenfalls verschläft er verkatert den Morgen. Aber von Anfang an ist er ein Außenseiter, fremd zu Hause und nur eine Randfigur in der Businesswelt. Ihn habe nicht interessiert zu erzählen, sagt Günther, wie böse die Wirtschaft sei, sondern „wie wir uns als Menschen, innerhalb dieses Systems, voneinander entfremden, uns isolieren“.
Im Hotel gestrandet
Trunschka kämpft um seine Chance. Während er mit allerlei Tricks versucht, den Kontakt zu dem gut abgeschirmten Ringer herzustellen, drängt ihm im Hotel ein Amerikaner seine Bekanntschaft förmlich auf: Robert Wagner (Garret Dillahunt) ist laut und lästig, eine schrille amerikanische Klischeetype. Die Dialoge sind auf Englisch geführt und werden untertitelt, was schon eine Freude für sich ist, weil die sprachlichen Klippen nicht wegsynchronisiert werden. Robert Wagner ist allerdings keine Witzfigur, sondern als verdeckt arbeitender Hotelprüfer selbst ein tragikomisches Geschöpf in dieser Parallelwelt, in der er nur noch von Hotel zu Hotel zieht.
Am Ende wird die Erzählung immer mehr zu einem albtraumhaften Trip, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Halluzinationen verschwimmen. Günther sagt, er habe seine Hauptfigur auf eine Reise schicken wollen, „die ihn in seine eigene Finsternis führt“.
„Houston“, ARD, Mittwoch, 22 Uhr 45
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