TV-Satire und der Terror: Jetzt kommen wir!
Florian Schroeder, Helge Schneider, Oliver Welke: Wie die Satire im Fernsehen auf den Terror reagiert. Dürfen jetzt Witze über Hass und Gewalt sein?
2015. Das Jahr neigt sich dem Ende. Ein Krisenherd auf der Welt folgt dem nächsten. Und laut Horst Seehofer ist Deutschland der größte von allen. Höchste Zeit, dass Gastgeber Florian Schroeder in der „Spätschicht“ die verworrene Situation auflöst. So die launige Sender-Ankündigung zum ARD-Comedy-Format am späten Donnerstagabend. Nun ist Horst Seehofer nicht das wichtigste Thema dieser Tage. Nach den jüngsten Anschlägen von Paris, die dem Terror noch einmal eine ganz neue Dimension gaben, stellt sich eine ähnliche Frage wie schon im Januar, nach den Mord-Anschlägen auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“: Dürfen jetzt Witze über Hass und Gewalt sein? Müssen sie es vielleicht sogar?
"Wir haben die Sendung grundlegend umgebaut nach den Anschlägen. Ich werde in meiner eigenen Rubrik ,Schroeders Standpunkt' ausführlich unter anderem auf die verheerende Instrumentalisierung des Terrors gegen Flüchtlinge eingehen", sagt Florian Schroeder. Der Kabarettist findet es "richtig, dass Kabarett - und Comedyshows unmittelbar nach den Anschlägen nicht gesendet haben. Mittlerweile aber bin ich der Auffassung, müssen wir senden." Während alle von Krieg reden, kämpfe der Komiker verlässlich mit der besten Waffe, die wir haben: Dem freien, satirischen Wort.
Die Satire zeigt Gesicht. Viele versuchen jetzt in irgendeiner Form, des Themas habhaft zu werden. Komiker Helge Schneider hatte am Dienstagabend eine Lesung in Hannover abgesagt, weil das Länderspiel Deutschland-Niederlande wegen einer Terrorwarnung ausfiel. „Wenn das so weitergeht und ich am Ende morgen auch nochmal absagen muss, komme ich Donnerstag wieder“, sagt Schneider in einem Video auf seiner Facebookseite, während er genüsslich eine Mandarine isst.
„Ich glaube nicht, dass Satire im Moment etwas erreicht“
Wie Schneider hatte auch Kabarettist Gerd Dudenhöffer („Heinz Becker“) einen Auftritt am Dienstagabend abgesagt - und weitere Veranstaltungen, allerdings noch vor der Absage des Fußball-Länderspiels. „Ich glaube nicht, dass Satire im Moment etwas erreicht“, teilte er mit.
Das ZDF hatte am vergangenen Freitag, dem Tag der Anschläge, die „heute-Show“ aus dem Programm genommen und dann auch die Otto-Waalkes-Show am Samstag verschoben. „Letzten Freitag war ich sehr froh über die Entscheidung des ZDF, unsere wie immer schon um 18 Uhr aufgezeichnete Sendung nicht auszustrahlen“, sagt „heute-show“-Moderator Oliver Welke dem Tagesspiegel. „Die hätte in jeder Hinsicht nicht mehr zur Nachrichtenlage gepasst. Von der Stimmung im Land ganz zu schweigen. Diese Woche sieht das allerdings ganz anders aus, weil die Anschläge in Deutschland längst innenpolitisch ausgeschlachtet werden. Abgesehen davon, einige der endlosen Sondersendungen, in denen stundenlang, auf allen Kanälen über die tatsächliche Nachrichtenlage oder Spielabsagen spekuliert wurde, waren doch so was ähnliches wie Satire.“ Dann könne die „heute-show“ auch wieder senden.
Nicht so weit wie Terroristen
Die Satiresendung „Die Anstalt“ lief bereits am Dienstagabend wieder nach Plan. Komiker Alfons ging darin auf den Terror von Paris ein. „Satire möchte Bezug auf die aktuelle politische Entwicklung nehmen“, sagt ein ZDF-Sprecher. „Deshalb versuchen wir in allen Formaten angemessen auf die Situation nach den Anschlägen zu reagieren.“ Der Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“, Tim Wolff, betont: „Satiriker dürfen in Zeiten des Terrors so weit gehen, wie sie es für angemessen halten, aber nicht so weit wie Terroristen.“
Die ARD will ihre Satiresendung mit Dieter Nuhr ebenfalls planmäßig zeigen: „Der Inhalt der nächsten Ausgabe von ,Nuhr im Ersten’ am 3. Dezember entsteht gerade unter dem Eindruck der Ereignisse“, sagte der Unterhaltungschef des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Heiner Heller. Im Januar machte Nuhr das Attentat auf „Charlie Hebdo“ zum einzigen Thema der Sendung. „Aktuelles Zeitgeschehen leitet uns grundsätzlich bei der Themenauswahl für Satiresendungen“, so Heller.
Vielleicht ist der Kabarettist nötiger denn je. Alles, was helfe, Ordnung zu schaffen in der aktuellen Unübersichtlichkeit, ist willkommen, sagt Florian Schroeder. "Das verbindet den Kabarettisten mit dem Journalisten." (mit dpa)
„Spätschicht – Die Comedy-Bühne“, Donnerstag, ARD, 23 Uhr. „heute-show“, Freitag, ZDF, 22 Uhr 30.
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