"Tatort" aus Frankfurt: Jeder Mensch hat seinen Preis
„Hinter dem Spiegel“ – der Frankfurter „Tatort“ kommt zu sich. Weil der alte Fall mit dem neuen vernetzt wird
Kein Vergleich, liebe „Tatort“-Afficionados, kein Vergleich. Der erste Fall mit den neuen Frankfurter Kommissaren Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) hieß gewinnheischend „Kälter als der Tod“. War er aber nicht, der Krimi. War der ungelenke Versuch, ein neues Fahnderduo in Position zu bringen. Schon wollten Kritik und Publikum in Wehklagen über die abgegangenen Joachim Król alias Frank Steier und Nina Kunzendorf alias Conny Mey ausbrechen.
Kann aufgeschoben, kann aufgehoben werden. Mit ihrem zweiten Fall – unspektakulärer Titel: „Hinter dem Spiegel“ – sind Janneke und Brix in der Spur. Als ob die Figuren und ihre Darsteller zu sich gekommen wären, wenn nicht gar eine Richtung, so doch eine Perspektive gefunden haben. War vielleicht die ganz große Absicht der HR-Fernsehspielabteilung, den neuen Krimi quasi als Auflösung offen gebliebener Fragen aus dem alten Krimi herzunehmen. Unverkennbar ist: Dem Auftakt hat es geschadet, der Fortsetzung hat es genutzt.
Erol Yesilkaya hat den allerletzten Król-Fall geschrieben und den fünften Ulrich-Tukur-Krimi. Sebastian Marka hat beide Stoffe inszeniert. Autor und Regisseur saßen beim aktuellen Tatort: „Hinter dem Spiegel“ wieder an den Reglern. Was sie erreicht haben, ist groß: Ein Erwachsenen- und ein Großstadtkrimi. Rau ist der Film, rau ist der Fall, rau sind die Protagonisten. Simon Finger (Dominique Horwitz) ist verschwunden. Er war bei der „Sitte“ der Frankfurter Polizei, er ist auf der Flucht vor der Russenmafia. Brix sollte ihm helfen, denn Brix stand metertief in Fingers Schuld.
Der Zuschauer weiß mehr als die Fahnder
Finger ist tot. Das wissen die Kommissare nicht, und schon gar nicht ahnen sie, was dem Zuschauer frühzeitig mitgeteilt wird: Erschossen vom smarten Wolfgang Preiss (Justus von Dohnányi), dem früheren Revierchef von Brix. Dann wird ein Politiker erhängt in seiner Wohnung aufgefunden, später stürzt ein Banker aus einem Fenster. Beide waren in das Frankfurter Großprojekt „Fun City“ involviert, was im Endeffekt als Geldwaschanlage für die Russenmafia dienen sollte.
Der Zuschauer, und das zeigt schon auch den Mut von Redaktion und Autor, weiß mehr als die Protagonisten selbst. Er ist nicht über alle Details im Bilde, er muss genau hinsehen und zuhören, um nicht den Anschluss zu verlieren. Das Vergnügen des Zuschauers entspringt aus und entspricht seiner Anstrengung.
Der erste Fall kommt zum zweiten Fall, sie vernetzen sich. Hinter dem Spiegel, hinter dem Vorhang, doppelter Boden. Preiss sagt zu Brix, und er meint es nicht lustig: „Jeder Mensch hat seinen Preis, seine Schwachstelle“. Brix macht ebenfalls auf dicke Hose. „Cojones“ solle sie bitte haben, seine Kollegin. Kommt auch daher, dass Anna Janneke anfänglich sehr trutschenhaft durch Gänge und Gelände stolpert. Soll sich Mann mal nicht täuschen.
Anna Janneke lässt zwar Sätze der Marke „Strickliesl“ fallen – „Versuchen Sie mal mit dem Beruf, ein Date zu kriegen“ –, doch ist sie mit ihrer fahnderischen Akribie an entscheidenden Stellen schneller im Fokus als die Kerle, die in der Gewalt eine Lösung sehen. Frau Janneke lässt sich auch mal, und dann gerne, unterschätzen. „Hinter dem Spiegel“ ist ein Vexierspiel um Macht, um Loyalität, um Vertrauen. Wer versucht nicht alles, Kollegen, Freunde und Feinde hinters Licht zu führen, zu manipulieren, in seiner Spur der Scheine dorthin zu kommen, wo das Glück ist.
Margarita Broich und Wolfram Koch spielen mit hoher Intelligenz und ebensolcher Präzision. Frei von Mätzchen, frei von Gehabe, tief drin im Kern der Figuren und der Entwicklung ihrer Kommissare. Am Ende lernt Anna Janneke Paul Brix und auch sich selbst neu kennen. Regisseur Sebastian Marka hat inszenatorische Ideen und Ideen für Bilder, vor allem Bilder, die auch mal ironisch gerahmt sind. Und der Inszenator hat ein Auge für das Ensemble aus Dominique Horwitz, Justus von Dohnányi, Roeland Wiesnekker, Zazie de Paris. Sie alle wollten alles, sie wollten einen ausgezeichneten „Tatort“. Sie haben es geschafft.
Außerdem: „Hinter dem Spiegel“ wird nicht mit der ortsüblichen „Tatort“-Musik unterlegt. Stattdessen: Pop und Rock. Und so bekommt „Hinter dem Spiegel“ einen Sound – den Sound der Großstadt.
Tatort: „Hinter dem Spiegel“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15
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