Netflix-Serie „The Crown“: In den mittleren Jahren
Mit Olivia Colman als Königin Elisabeth II. wird zugleich die Netflix-Serie „The Crown“ gesetzter. An Emotionen mangelt es dennoch nicht.
Olivia Colman würde nicht mit der englischen Königin tauschen wollen. Die britische Schauspielerin, die für „The Favourite“ einen Oscar erhielt, spielt in der dritten Staffel der Netflix-Serie „The Crown“ [ab Sonntag] Elisabeth II. Tatsächlich eine Königin zu sein, das fände sie fürchterlich. „Jeder, der sagt, er würde das lieben, ist entweder verrückt oder hat das nicht durchdacht“, sagte sie auf einem Pressetermin.
Einen Tausch hat es dennoch gegeben. In den ersten beiden Staffeln dieser überaus erfolgreichen Streamingserie wurde Elisabeth von Claire Foy verkörpert. Die Zuschauer erlebten eine junge Königin, der die Sympathien ihrer Untertanen förmlich zuflogen.
Die Serie schaffte es, dass auch die nach ihrer Inthronisierung Geborenen das mitunter sperrige Verhalten der Regentin verstehen konnten. Einen besseren Werbefilm für die Monarchie konnte sich das britische Herrscherhaus nicht wünschen. Dass ihr Gemahl Prinz Philip zumindest in den ersten Jahren öfters aus seiner Rolle ausbrach, machte die beiden noch sympathischer.
In der neuen Staffel, die in den 1960er Jahren ansetzt, ist es nun also Olivia Colman, die die Monarchie in eine neue Zeit führen soll. Eine Zeit, in der die Labour-Partei den konservativen Tories die Macht entrissen hat. Und eine Zeit, in der die Zweifel darüber lauter werden, wofür die Monarchie noch gut ist beziehungsweise wie viel Geld sie den Steuerzahlern wert ist. Der neue Regierungschef Harold Wilson (Jason Watkins) entpuppt sich dabei für die Königin gar nicht einmal als das größte Problem, doch an seinem Kabinettstisch in der Downing Street sitzen ganz andere Kaliber.
„Die Krone macht das nicht“
Besonders deutlich wird dies 1966 bei der Katastrophe in Aberfan. Eine Abraumhalde begräbt Teile des walisischen Bergarbeiterortes unter sich, von den 144 Todesopfern sind 116 Kinder. Die ganze Nation nimmt Anteil an der Tragödie, doch Elisabeth lehnt einen Besuch des Unglücksortes zunächst ab. „Die Krone macht das nicht“, sagt die Regentin.
Mit dem Wechsel von der Schauspielerin Claire Foy zu Olivia Colman geht zugleich eine neue Tonlage einher, die diese Serie ausstrahlt. Es ist nicht nur der äußerlich sichtbare Wechsel von einer jungen Frau zu einer Königin in den mittleren Jahren, der in einer Szene geschickt über die Präsentation von neuen Briefmarken mit dem Profil von Elisabeth II. thematisiert wird.
Eine neue Härte in ihren Zügen
Es ist zugleich auch eine neue Härte in den Zügen der Königin, der die Schauspielerin zu einem ständigen Underacting zwingt. Wo Tobias Menzies als Prinz Philip bei der Beisetzung in Aberfan noch sichtbar mit der Fassung ringen darf, verzieht die Queen beim verspäteten Kondolenzbesuch keine Miene. Umso bemerkenswerter ist es, dass auch die neue Staffel wieder jene emotionalen Momente schafft, die schon zum Erfolg der vorherigen Episoden beigetragen haben. Emotionen, wie sie der Tod von Winston Churchill auch bei der sonst so beherrschten Königin auslöst. Oder im Verhältnis zwischen Philip und seiner recht speziellen Mutter Prinzessin Alice.
Die dritte Staffel von „The Crown“, das sind vor allem eine Reihe von einschneidenden Ereignissen in der Geschichte von Großbritannien und dem Königshaus in den 1960er und 70er Jahren. Einen Anteil daran hat erneut die lebenslustige Prinzessin Margaret (Helena Bonham Carter), aber auch Prinz Charles und seine Schwester Anne bekommen ihren Platz.
Längst nicht alles, was die Serie zeigt, muss sich so abgespielt haben, die Gespräche hinter verschlossenen Türen sind fiktiv. Als Geschichtsstunde taugt „The Crown“ nur eingeschränkt, als serielle Seifenoper für Royal-Fans ist sie unübertroffen. Ob die Queen von der Serie amused ist? Das wird man wohl nicht erfahren. Kurt Sagatz