TV-Comedy in der Coronakrise: Ich will Paartherapie!
Die Einsamkeit des „heute-show“-Moderators: Wie lange können TV-Comedians noch ohne Studiopublikum senden?
Vergangene Woche in der „heute-show“. „Hallo, läuft da draußen irgendein Politiker um, den wir interviewen könnten?“ Die Verzweiflung von Fabian Köster und Hazel Brugger ist mit Händen zu greifen. Die beiden besten humoristischen TV-Außenreporter Deutschlands sind, Corona-bedingt, in eine Quarantäne-WG gezogen.
Ihr Beitrag zur jüngsten „heute-show“ war genauso bemüht unterhaltsam wie der Dialog von Frontmann Oliver Welke mit Albrecht Humboldt, der im Studio am „Katzentisch“ witzelte, fünf Meter von Welke entfernt. Ohne Publikum wirkte die Comedyshow ihrer Stärken beraubt. Kabarettistische TV-Formate suchen nach ihrer Form. Sie müssen sich fast neu erfinden.
Am besten gelungen ist das bislang der „Anstalt“ im ZDF. Max Uthoff und Claus von Wagner haben aus der Not eine Tugend gemacht. Nutzten in der Ausgabe vom 24. März den Splitscreen, als wäre dieser für das Unterhaltungsfernsehen schon vor Zeiten von Social Distancing erfunden wurden: Abdelkarim, Caroline Kebekus, Rainald Grebe, Idil Baydar mit- und übereinander redend samt Moderatoren auf einem Bildschirm.
Ein anarchistisches Moment mit klugem Mehrwert, anders als zuletzt der klägliche Versuch von Pocher, Jauch und Gottschalk, bei RTL eine Quarantäne-WG hochzuziehen.
Die „Anstalt“ ist leider die Ausnahme. Bei Will/Illner lässt man sich die Publikumslosigkeit ja noch gerne gefallen. Die Talk-Claqueure dort vermisst niemand.
Die Unterhaltungsformate wirken ohne Publikum derzeit allerdings, als hätte man den Stecker gezogen. Die Frage liegt ja auf der Hand: Wenn man es bei seiner Arbeit gewöhnt ist, die Reaktion eines Publikums vor sich zu haben, wenn einen die unvermittelte Bestätigung durch Applaus sogar am Anfang auf die Bühne in den Beruf gelockt hat – wie soll man das da vorne jetzt alleine überstehen?
Für Dieter Nuhr ist das kein Problem. Zweimal schon brachte er sein „Nuhr im Ersten“ im Ersten alleine über die Bühne, respektive über den Hof, in Einspielern assistiert von Lisa Eckhart oder Torsten Sträter aus dem Homeoffice. Und das „besser als gedacht“, sagte der Kabarettist dem Tagesspiegel.
„Das Fernsehpublikum schaut nicht mehr einer Theaterveranstaltung zu, an der es selbst nicht teilnimmt, sondern wird ganz direkt angesprochen.“ Nuhr findet, da sei aus der Not etwas Neues entstanden, auch wenn das gemeinsame Trinken mit den Kollegen nach der Sendung entfällt. „Die Sendung selbst hat jetzt gerade jetzt einen spontanen und improvisierten Charakter, das ist eigentlich sehr spannend.“
Dieser Art Improvisation ist, publikumslos, auch Sebastian Pufpaff hinterher, mit „NochNichtSchicht“ seit vergangener Woche täglich auf 3sat kurz vor der „Tagesschau“. Das Private wird inszeniert, am heimischen Schreibtisch. Vorne der Comedian, hinten an der Wand der Einkaufszettel, nebenan hocken die Kids, die gebeten werden, bei der Aufzeichnung ruhig zu sein. „Papa arbeitet“.
Ihm, sagt Pufpaff, mache Comedy weiterhin sehr viel Spaß. Er habe das Gefühl, der Kontakt zum Publikum sei intensiver geworden. „Es klingt paradox, dass in Zeiten von Witz per Fernseher und Internet ein intensiverer Kontakt zum Konsumenten besteht. Ich bemerke einen großen Witzedurst, Vertrautenbonus und die Macht der Schicksalsgemeinschaft.“
Er versuche, Zuschauerfragen zu beantworten. Dadurch ergebe sich ein Eins-zu-eins-Verhältnis, das Pufpaff vorher so nicht hatte. „Durchaus ist aber auch eine größere Verantwortung bemerkbar, faktisch sauber zu arbeiten und optimistisch zu sein.“
Vielleicht kommen Pufpaff dabei berufliche Erfahrungen entgegen. „Die größte Hilfe meiner bisherigen Karriere ist tatsächlich das Teleshopping. Wer um zwei Uhr morgens schon mal live im Fernsehen Heißluftbacköfen verkauft hat, den irritiert kein Corona.“
Pufpaffs tägliche Sieben-Minuten-Comedy-Bilanz vor acht ist dann tatsächlich auch weg von den unaufgeräumten Kellern, den langweilig dekorierten Wohnzimmern, aus denen jetzt – oft notgedrungen – viele Moderatoren in die Welt hinaussenden (gerne auch via Youtube oder wie Ingmar Stadelmann neuerdings mit stubenhocker.tv), sich einverstanden wähnend mit Millionen Menschen da draußen, die sich ähnlich haltungslos, unfrisiert und in Jogginghosen vor Laptop-Kameras herumlümmeln, wie das Claus von Wagner in der ZDF-„Anstalt“ herrlich persifliert hat.
Von Wagner topp, und Welke? Der Comedy-Quotenkönig geht mit seiner „heute-show“ nach der Freitags-Ausgabe („heute.show“, Freitag, ZDF, 22 Uhr 30) für zwei Wochen in die Osterferien. Die Pause kam vielleicht noch nie so gelegen wie jetzt. In der dritten stillen „heute-show“-Ausgabe ohne Publikum sagte der Moderator, er habe sich inzwischen daran gewöhnt: „Wer braucht Applaus, wenn er das Lachen seiner Kameraleute hat?“ Dazu die saure Miene des Kameramannes, die die des Fernsehzuschauers hätte sein können.
Es ist ja ein Jammer. Gags landen fast im Nichts, in der Stille. Ihnen fehlt der Resonanzraum. Gerade bei einem Oliver Welke wird das schmerzlich vermisst, der mimisch-gestisch nicht so viel macht, aber doch immer auf den schnellen Studio-Flirt mit dem Studiopublikum setzt, welches durch Warm-upper schon besonders angeregt ist. Nie waren Clowns so wichtig wie heute und nie war es so schwer, einer zu sein. Der TV-Comedian in Corona-Zeiten: Er ist verwaist, publikumsamputiert.
Immerhin, das Witzpotenzial beim Thema Corona wird von Welke, Nuhr, Uthoff & Co. weitestgehend korrekt-amüsant abgeschöpft. „Ich will Paartherapie!“, schreit Hazel Brugger am Ende der jüngsten „heute-show“-Ausgabe neben Fabian Köster aus der Quarantäne-Comedy-WG. Wir als Zuschauer auch! Bei aller Vorsicht und Corona – wenn nicht doch bald das Studiopublikum zurückkehren kann, ist meine Beziehung zur „heute-show“ stark gefährdet.
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