zum Hauptinhalt
Mit der „heute-show“ holt Oliver Welke (gr. Foto) durchschnittlich 4,26 Millionen Zuschauer ab.
© Tsp

Zehn Jahre „heute-show“: Acht Wünsche für die Satire-Sendung der Zukunft

Die „heute-show“ im ZDF wird zehn Jahre alt. Viele Fans der ersten Stunde fragen sich jedoch, ob die besten Zeiten vorbei sind.

Opel-Insolvenz, Karl-Theodor zu Guttenberg, Hämorrhoiden-Verödung – es brauchte keine drei Minuten, und Anchorman Oliver Welke hatte den ZDF-Zuschauern an jenem 26. Mai 2009 klargemacht, wohin die Reise auf dem Sendeplatz geht. Seitdem gibt’s keine Geschichte über den Satire-Boom im Fernsehen ohne die „heute-show“. Ein Setting und Titel, das sich an den klassischen Nachrichtenformaten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens orientiert, diese parodiert, persifliert, mittlerweile, muss man fast schon sagen, zu ersetzen droht. Am Freitag feiert die „heute-show“ ihren zehnten Geburtstag.

Die Nachrichten-Satire ist beliebt wie nie, viele Fans der ersten Stunde fragen sich jedoch, ob die besten Zeiten vorbei sind. Ob sich die „heute-show“ nicht allzu sehr auf den Lorbeeren von Grimme-Preis und Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausruht. Wir haben fünf Wachmacher-Vorschläge.

VORSICHT MIT DER DOSIS

Die „heute-show“ ist im Grunde immer noch eine intelligente Form der Unterhaltung. Andererseits, es ist einfach, sich irgendeine Szene mit Angela Merkel vor irgendeiner Schulklasse rauszusuchen und sich darüber lustig zu machen, wie die Kanzlerin etwas nicht gebacken kriegt. Politikwitzchen, Dampfhammer-Methode. Liegt es an uns Zuschauern? Lachen wir zu spät? Ist es wie bei Pornofilmsüchtigen, denen es nie genug sein kann, wo die Reizschwelle immer mehr herab- gesenkt wird? Gangbang statt Kuschelsex?

Wie auch immer, Welke und sein Team wären gut beraten, sich wieder auf das zu besinnen, was ihnen die Jury des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises 2012 ins Buch geschrieben hat: Die satirisch-bissigen Analysen der „heute-show“ entlarven „die Rolle der Politik und gerade auch der Fernsehnachrichten“. Welkes Sprachwitz sei „Aufklärung mit Genuss in Zeiten der Politikverdrossenheit und des Misstrauens gegenüber herkömmlicher Berichterstattung.“

Christine Prayon alias Birte Schneider
Christine Prayon alias Birte Schneider
© Tsp

DER LINIE TREU BLEIBEN

Die „heute-show“ wird ja eben nicht nur als Comedy-Format, sondern als Nachrichtenaufklärung wahrgenommen. Sie hat mehr Zuschauer als das „heute-journal“. Das ist Anspruch und Verpflichtung zugleich, ein Publikum, das dem linearen Fernsehen verloren zu gehen droht, mit schwierigen Themen vertraut zu machen: TTIP, Monsanto, Waffenexporte, gerade dann, wenn die Themen nicht auf der Tagesordnung stehen.

In dem Zusammenhang gibt es auch Kritik. Da werde oft mit Politiker-Bashing Politikverdrossenheit Vorschub geleistet. Die „heute-show“ sorge für Entfremdung zwischen dem Publikum und jenem Journalismus, der noch traditionell über Politik, Wirtschaft und Kultur berichte. Das ist sicher übertrieben. Was das Thema Miet-Spekulation betrifft, kann unterhaltendes Fernsehen kaum besser und entlarvender sein als die Außenreportage von Fabian Köster am vergangenen Freitag, ein Ortstermin beim Wohnungsunternehmen Vonovia. Genauso geht es.

IM BUNDESTAG ÜBERRASCHEN

Zur Machart der „heute-show“ gehören unverkennbar die Außenreportagen. Köster, Lutz van der Horst, Ralf Kabelka, Hazel Brugger bei Demos, Parteitagen oder im Bundestag. Dumm nur, wenn sich die etablierte Kaste schon auf das televisionäre Überfallkommando mit dem ZDF-Mikro in der Hand eingestellt hat. Die Spitzenpolitiker warten mittlerweile regelrecht in der Bundestags-Lobby, um Schlagfertigkeit unter Beweis zu stellen. Wir fordern ein Auftritts-Moratorium in der „heute-show“ für Thomas Oppermann, Anton Hofreiter, Christian Lindner und Claudia Roth.

SONNEBORN MUSS ZURÜCK

Auffällig sind die Qualitätsschwankungen einzelner Ausgaben. Das hat auch mit den Protagonisten zu tun. Ob und in welcher Sendung Carolin Kebekus, Serdar Somuncu, Hazel Brugger, Olaf Schubert oder Gernot Hassknecht auftreten, hängt weniger vom Inhalt, mehr vom jeweiligen Tourplan der Akteure ab. Ganz zu schweigen davon, dass die Christian Ehrings & Co. auch in konkurrierenden Formaten („extra 3“) auftreten. Besonders schmerzlich vermisst wird Außenreporter Martin Sonneborn aus dem „heute-show“-Ensemble der ersten Stunde. Der ehemalige „Titanic“-Chef kämpft bekanntlich am Sonntag bei der Europawahl um ein weiteres Mandat für seine „Partei“. Sollte das wider Erwarten ausbleiben, in Brüssel der Koffer gepackt werden, muss Welke Sonneborn einen Platz im Team freihalten.

Außenreporter Fabian Köster
Außenreporter Fabian Köster
© Tsp

DAS WISSEN VERTIEFEN

Bei aller Kritik: Der TV-Satire-Boom ebbt nicht ab. 2019 hat die „heute-show“ im Schnitt 4,26 Millionen Zuschauer, Marktanteile über 15 Prozent in der jungen Generation (1,7 Millionen Zuschauer). Für das ZDF ein enormer Wert. Um daraus Kapital in Sachen Medienkompetenz und Nachrichtenaufklärung zu schlagen, um politische Vertiefung zu erreichen, müsste es mehr Anschlusskommunikation geben, wie es vor Jahren Bernd Gäbler in einer Studie („Quatsch oder Aufklärung? Witz und Politik in ,heute-show’ & Co.“) vorgeschlagen hat. Konferenzen von politischen Akademien, Stiftungen, von Landesmedienanstalten geförderte Unterrichtseinheiten, mündige Bürger – hier gibt es eine Chance, im Sog des „heute-show“-Erfolgs die wahlmüde Jugend aus der ZDF-Mediathek abzuholen, zu motivieren und zu aktivieren. Um die in der TV-Satire angelegten Möglichkeiten noch besser zu nutzen? Wie war das noch mit den Quereinsteigern an Schulen? Welke hat vielleicht noch Zeit.

HUMOR, NICHT HOHN

Die „heute-show“ um Frontmann Oliver Welke gehört mit „Extra 3“ zu den ungezogenen Kindern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Nun werden auch Kinder größer und erwachsener. Erwachsener heißt dann, dass es vom Hohn zum Humor zurückgeht. Es darf nicht länger erklärtes Ziel sein, Politiker demütigen zu wollen und Politik, die erkennbar dicke Bretter bohrt, als Clan von Dünnbrettbohrern bloßstellen zu wollen. So ein Blickwinkel ist infantil, eine Witzperspektive, die nicht den Gegenstand entlarvt, sondern sich selbst. Die „heute-show“ wirkt aktuell als pubertäre Denunziation des „heute-journals“.

POLITIKER-PRÄSENZ

Es wird der „heute-show“ hoffentlich nicht entgangen sein, dass Politik und Politiker sich an die Sendung gewöhnt haben. Mehr noch, ein Gregor Gysi oder Wolfgang Kubicki setzen sich bereitwillig ins Studio, um entweder das Schlimmste im Filmbeitrag abzuwenden oder die Auftrittsdividende einzustreichen. Auf jeden Fall werfen sie sich Welke & Co. an den Hals – und zwar als Politiker-Imitatoren. Ob sie als Politiker taugen oder nicht, dieser Nachweis ist ihnen im Applaussturm offenbar vollkommen egal. Politik kann lächerlich gemacht werden, warum nicht, Politiker sollten es nicht tun.

VERANTWORTUNG NICHT ABWÄLZEN

Immer wieder wird dekretiert, dass die „heute-show“ Menschen mit Politik in Kontakt bringt, die von Politik nichts mehr wissen wollen, sich von ihr abgewandt haben. Also mehr „heute-show“? Bitte, besser nicht. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat sich intensiv und extensiv um die Vermittlung von Politik zu kümmern. Diese Verantwortung kann nicht von den Politik-Redaktionen auf die Krachmacher-Flure abgewälzt werden. Es war und ist aller Ehren wert, wie ARD und ZDF sich in diesen Tagen zur besten Sendezeit um die Europawahl gekümmert haben. Siehe nur „Wie geht’s, Europa?“ im Zweiten am Dienstag, ein bemerkenswert gelungener Mix aus Stimmungslage und Politiker-Bürger-Gespräch. So und nicht anders darf die Rangordnung sein: Erst dann „Extra 3“ und „heute-show“, wenn der Politikauftrag erfüllt ist. Alles andere ist „Mario Barth deckt auf“, diese skandalöse Menschenverhetzung bei RTL.

Zur Startseite