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Innerhalb von fünf Jahren will die „Huffington Post“ in Deutschland zu den drei führenden Nachrichtenportalen gehören. Die Aufmachung ist boulevardesk.
© Tsp

Nachrichtenportal startet in Deutschland: "Huffington Post" macht Lothar Matthäus zum Gewinner

Die „Huffington Post“ hat in Deutschland viel vor. Mit ihrem umstrittenen Modell will sie zum führenden Nachrichtenportal werden – doch der Start misslingt. Nicht nur wegen einer peinlichen Eilmeldung.

Sicher, auch im digitalen Zeitalter kann eine gewisse Symbolik nicht schaden, aber was Arianna Huffington und Cherno Jobatey am Donnerstag versuchten, erinnert ans Jahr 1967, als Willy Brandt das Farbfernsehen per Knopfdruck starten wollte und ein Techniker schon vorher das Signal einschaltete. Auch die Seite huffingtonpost.de war längst online, als Huffington und Jobatey symbolisch den Knopf betätigten – es blieb nicht die einzige Panne zum Start des umstrittenen Portals in Deutschland.

Am 10.10. um 10 Uhr 10 sollte die „Huffington Post Deutschland“ als zehnter Ableger der US-Seite online gehen, es wurde fast zwanzig Minuten später, und was die Leser dann zu sehen bekamen, war gewöhnungsbedürftig – und ging teilweise gründlich schief: Per Eilmeldung wurde beispielsweise verkündet, dass der Friedensnobelpreis an Alice Munro geht. Sie hat jedoch den Literaturnobelpreis gewonnen. Bis die Meldung korrigiert wurde, vergingen Minuten. Hinter den Kulissen ging es offensichtlich hektisch zu.

Es ruckelt heftig zum start

Als Aufmacher ausgewählt wurde ein Artikel über die Koalitionsverhandlungen. In großen Lettern hieß es „Regiert Endlich!“, darunter abgebildet waren Angela Merkel und Sigmar Gabriel, dazu die Ergebnisse einer „exklusiven Umfrage“, wonach „jeder dritte Deutsche“ Neuwahlen will, und die Information, dass „Unions-Spitzen“ „heimlich an Schwarz-Grün“ werkeln. Beide Parteien machen aus ihren Sondierungsgesprächen allerdings kein Geheimnis. Ein Stück weiter unten auf der Seite war bereits von „Sabotage für Schwarz-Grün?“ die Rede und Jürgen Trittin, der gegen Innenminister Hans-Peter Friedrich „wütet“ – das alles mutet doch sehr boulevardesk an bei einem Nachrichtenportal, das auf guten Journalismus angeblich Wert legt. Merkwürdig auch die Überschrift zu einem Gespräch mit CDU-Mann Armin Laschet: „Deutsche müssen ihre Körpersprache ändern“. Es ging um Zuwanderungspolitik.

"Zeitgeist" nennt Arianna Huffington das, was Döpfner als Anti-Modell bezeichnet

Es ruckelte also heftig zum Start der „Huffington Post“. Dabei sind ihre Pläne ambitioniert. Innerhalb der nächsten fünf Jahre will sie zu den drei führenden Nachrichtenportalen in Deutschland aufsteigen – und das mit nur einem geringen Budget von drei Millionen Euro und einem Team von 15 fest angestellten Redakteuren. Weil diese allein die Seite selbstverständlich nicht füllen können, werden Texte von anderen Websites unter einer eigenen Überschrift kurz angerissen und dann verlinkt. Vor allem liefern Gastautoren und Blogger Texte zu, letztere ohne Bezahlung. „Zeitgeist“ nennt Arianna Huffington das. Sie hat das Portal 2005 in den USA gegründet und 2011 für 315 Millionen US-Dollar an den Internetkonzern AOL verkauft. Von der bloßen Präsentation von Nachrichten müsse man sich verabschieden, sagte sie: „Wir leben im Zeitalter der Nutzerbeteiligung.“ Springer-Chef Mathias Döpfner bezeichnet das Konzept dagegen als „Anti-Geschäftsmodell für Journalismus“. Es widerspreche Springers „Ansichten von den Urheberrechten der Autoren und den Leistungsschutzrechten“.

Lange war die „Huffington Post“ in Deutschland auf Brautschau gegangen, doch wie Springer lehnten viele Verlage eine Partnerschaft ab, auch die „Süddeutsche Zeitung“, der „Spiegel“ und Gruner + Jahr. Jetzt ist das Portal an die Redaktion von Focus Online angedockt – und steht gleichzeitig in Konkurrenz zu ihrem Partner. Beide Portale würden sich in einem „offenen Rennen“ um ihre Positionen unter den Topnachrichtenseiten befinden, sagte Christoph Schuh, Vorstandsmitglied bei Tomorrow Focus. Damit tritt Focus-Online-Chefredakteur Daniel Steil quasi gegen sich selbst an, da er derzeit beide Redaktionen führt. „Huffington Post“-Chefredakteur Sebastian Matthes kommt erst in „einigen Wochen“ von der „Wirtschaftswoche“.

„Ich habe sicher keine vier Scheidungen geplant“

Dafür ist Herausgeber Cherno Jobatey von Anfang an dabei. Der Exmoderator des ZDF-„Morgenmagazin“ will sich vor allem um die politische Berichterstattung kümmern. Am Donnerstag schwärmte er davon, dass die „Huffington Post“ „dem Medienregenbogen mehr Farbe“ gebe – zumindest, was die optische Gestaltung der Seite angeht, trifft das zu. Aber um journalistisch eine Bereicherung zu sein, bedarf es gut recherchierter Artikel – immerhin ist die US-Seite 2012 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden für eine Artikelserie über Kriegsveteranen.

Angesichts des kleinen Redaktionsteams liegt die Chance der „Huffington Post“ in Deutschland womöglich eher darin, Diskussionen mit Gast- und Blogbeiträgen anzuregen. Zum Start schrieben Prominente wie Ursula von der Leyen, Nicolas Berggruen – und Boris Becker. „Wir sind die größte Talkshow der Welt, jede Meinung zählt“, betonte Herausgeber Jobatey in seinem ersten Editorial. Dazu passt dann auch der meistgelesene Artikel am Donnerstag. Ein „Exklusiv“-Interview mit Lothar Matthäus: „Ich habe sicher keine vier Scheidungen geplant.“

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