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Vorsicht, Fake News.
© dpa

MEDIA Lab: Hinwendung zum Falschen

Der Check, ob richtig oder falsch, verlangt, endlich in klassischer Recherchetradition neben Sachverhalten auch die Deutungen zu prüfen. Menschliches Urteilsvermögen lässt sich nicht vollautomatisieren.

Die Besorgnis über Falschnachrichten, die sich online weit schneller und wirkmächtiger verbreiten lassen als Falschmeldungen und Medienfälschungen in früheren Zeiten, führte zu neuen automatisierten Faktenprüfungs-Techniken; Fakten prüfen ist mehr denn je eine Kernaufgabe von Journalismus. Das Reuters Institut der Universität Oxford veröffentlichte jetzt einen interessanten Überblick über neue Projekte, zum Beispiel Tech & Check Alerts, FactStream, Chequeabot.

Die mit Faktenprüfern und Informatikern geführten Interviews ergaben klar: Viele Tools sind raffinierter und effektiver als bisherige, helfen Journalisten, schneller zu reagieren und Quellen falscher Informationen aufzuspüren. Doch sie können menschliches Urteilsvermögen und ein Gefühl für Zusammenhänge nicht ersetzen. Wir müssen begreifen, dass das Falsche nicht nur falsche Sachverhaltsinformationen umfasst, sondern auch falsche mediale Darstellungen und unangemessene Deutungen. Nicht nur Sputnik.de oder Klagemauer.tv informieren irreführend. Laut Studie des Webmagazins Motherboard enthielt mindestens jedes zehnte Facebook-Post von „Focus“ oder „Bild“ eine Falschinformation.

Wenn sich durch die Digitalisierung alte Gewissheiten über Privatheit oder den eigenen sozialen Status auflösen und jene, die ihren sozialen Abstieg befürchten, sich von einem liberalen Weltbild abwenden und Zuflucht im Populismus suchen, unterstreicht dies: „falsch“ oder „richtig“ einzuschätzen, umfasst auch, verschiedene Deutungen und Weltbilder zu betrachten und auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen. Eine Studie der Universität Yale zeigt, dass Menschen dazu neigen, etwas zu glauben, weil es ihnen einigermaßen vertraut ist und weil es ihnen plausibel erscheint, selbst dann, wenn es falsch ist oder wenn sie darauf hingewiesen werden, dass es falsch ist. Anders gesagt: Die Hinwendung vieler zum Falschen spiegelt auch das Versäumnis wider, aktuelle Wahrheiten gemeinsam auszuhandeln.

Marlis Prinzing

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