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Johanna Winkler (Ulrike C. Tscharre) versucht, ihren Sohn Ben (Tim Litwinschuh) verstehen.
© ARD Degeto/Reiner Bajo

ARD-Film zum Thema Glauben: Heidenängste

Wie die verheimlichte Hinwendung eines Jugendlichen zum Christentum die glaubensskeptische Erwachsenenwelt herausfordert, zeigt der leise TV-Film „Die Konfirmation“.

Sonntagmorgen in Berlin. Ben (Tim Litwinschuh), der Sohn von Johanna Winkler (Ulrike C. Tscharre), ist über Nacht nicht nach Hause gekommen. Das erste Mal. Sein Bett – unberührt, seine Mutter – voller Sorge. Vor allem um sich selbst. Er ist doch erst 15. Eine innere Loslösung des Sohns von ihr wäre das Letzte, was die Angestellte verkraften könnte.

Denn ihr Leben empfindet sie als das einer zu kurzgekommenen Frau. Die Scheidung von Bens wohlhabendem leiblichen Vater Simon (Kai Wiesinger) wegen einer anderen, der Rückfall in ein materiell bescheideneres Leben, die schwierige Beziehung zum neuen Lebenspartner Felix (Ben Braun), einem zupackenden Fußballtrainer und virilen Kümmerer um die Bedürfnisse des pubertierenden Ben, haben die Mutter zur Glucke gemacht: Wo Männer enttäuschen, soll der Sohn die Stütze ihres Lebens bleiben. Sie jammert und klammert in einem fort und merkt nicht, wie sie Ben erstickt.

Dann im Lauf des Morgens taucht Ben wieder zuhause auf. Er ist weder bekifft, noch besoffen oder im Bett bei seiner Freundin versackt. Sein Wegbleiben entpuppt sich für Johanna aber als viel schlimmer: Der Knabe präsentiert eine große Kerze. Er hat sich taufen lassen, Voraussetzung für die geplante Konfirmation. Ben hat zuvor weder Mutter noch Ersatzvater gefragt. Er bleibt wortkarg über die Motive, aber er besitzt – man sieht es ihm an – jetzt etwas, was nur ihm gehört. Für Mutter und ihren Partner Felix ist er mit der nächtlichen Taufaktion über das Ende ihrer Welt hinausgegangen. Sie wollen ihn zurückholen in ihr weltliches Jammertal.

Was für ein Drehbuchcoup der bekannten Drehbuchautorin Beate Langmaack (Schweriner „Polizeirufe“). Nicht die Religion muss ihre Existenz vor der Gesellschaft rechtfertigen, es ist umgekehrt. Regisseur Stefan Krohmer („Dutschke) und vor allem die bezwingende Rolleninterpretation Ulrike C. Tscharres lassen die ganze Verwirrung einer überforderten Frau spüren, die unter ihrer inneren Strukturlosigkeit leidet, diese aber für unhintergehbar modern hält.

Mutter Johanna geht voller Inquisitionswut auf Pfarrerin Tabea los

Ob Ben gewusst hat, was er mit diesem Schritt bei seiner Mutter und ihrem neuen Partner auslöst? Es ist ihm egal. Seine Eltern bekommen eine Heidenangst, die Angst der Heiden davor, ob mit ihrem auf Gottesferne angelegten Leben etwas nicht stimmen könnte. Bens postfamiliäre Familie fährt alles auf, was gegen den Entschluss zu Taufe und Konfirmation spricht. Der Film zeigt die ganze Indolenz einer sich als offen und fortschrittlich gebärdenden Kultur gegenüber Sinnfragen, die sie nicht beantworten will.

Mutter Johanna geht voller Inquisitionswut auf die Pfarrerin Tabea (Christina Große) los – welch ein lächerlicher und zugleich verführerischer Vorname in den Augen der aufgebrachten Mutter. Vergeblich. Nein, Ben ist nicht in die „Kirchturmtaube“ verliebt. Nein, Johanna kann dem Sohn die Taufe nicht verbieten – mit 14 ist der Mensch religionsmündig. Nein, die Eltern brauchen nicht Kirchenmitglieder zu sein.

Dann ist der Ersatzvater mit der Hirnauswaschung einer Glaubensentscheidung dran. Er blättert in Altihippie-Manier die ganze Vielfalt auf dem Markt der Sinnangebote nach der Devise auf: Erst probieren, dann entscheiden. Wie wär’s? Schnupperkurs bei den Buddhisten? Vorbeischauen bei Muslimen und Juden? In die Ferne reisen? Vielleicht reicht ja auch ein Irokesenschnitt zum Abfackeln pubertärer Energien? Alles eine Frage des richtigen Managements. Zeitgeist versetzt schließlich alle Berge, sogar solche des Glaubens. Funktioniert nicht.

Die Mutter läutet die zweite Phase der Zurückholung des Sohns ein: Wenn es denn schon eine Konfirmation sein muss, dann nach Heidenart alle tieferen Fragen vermeiden und mit einer überdimensionierten Feier den Glaubensstachel betäuben. Edelrestaurant, 35 Gäste, goldene Uhr, teure Kleidung – goldene Kälber waren doch schon immer erfolgreich gegen Flirts mit dem Höheren.

Doch aus der Luxusorgie wird nichts: Johanna ist Spielerin, Kredite für die Konfirmations-Sause verbrennen auf dem Roulettetisch. Die Ablenkungsvorschläge des Ersatzvaters Felix für den Neuchristen Ben lösen sich von alleine auf: Der Sohn bannt heimlich und betroffen auf sein Smartphone, wie der abenteuerfröhliche Stiefvater als Nothelfer auf einer entgleisenden Konfirmandenfreizeit die Pfarrerin vernascht.

„Woran glaubst Du?“ fragt die Themenwoche der ARD, in der dieses TV-Spiel stattfindet, wie Gretchen den Dr. Faust. Wir fragen zurück: Woran glauben die Macher? Sie wollen es nicht sagen, sie wollen nicht missionieren. Sie setzen ihrem jungen Helden nicht zu, sie lassen ihm sein Geheimnis. Von Bens Verkehr mit Gott sind nur Smartphone-Szenen zu sehen: Da guckt der junge Mann sich selbst zu. Er hat zuvor Bibelstellen auf sein Smartphone gesprochen. Zum Beispiel Lukas 10, Vers 20. „Doch darin freuet euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freuet euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“

Ben kann das übersetzen. Er geht mit seiner Mutter zum Casino und ist dabei, wie sie sich selbst sperrt. Die Aufnahmen vom Techtelmechtel mit der Pfarrerin lässt er seinen neuen Vater löschen. Schluss mit Geistern, die das Leben beherrschen wollen. Woher er die Energie zu solchen Taten hat – das mit den Namen im Himmel–, müssen die Eltern nicht wissen. Heiden brauchen auf jeden Fall vor Ben und seiner neuen Gläubigkeit keine Angst zu haben.

"Die Konfirmation", Freitag, ARD, 20 Uhr 15

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