Moderatorin Birgit Schrowange: Graue Haare mit grauenvoller Begründung
Ihre Haare trägt die Fernsehmoderatorin Birgit Schrowange jetzt ungefärbt grau. Schade, dass ihr dazu nur ein optisches Qualitätsurteil einfällt. Ein Kommentar.
Die Fernsehmoderatorin Birgit Schrowange trägt ihre längst ergrauten Haare jetzt ungefärbt. Also grau. In einer vor dem ersten Auftritt am späten Montagabend verbreiteten Erklärung heißt es, sie wolle damit sagen: „Guckt! Graue Haare können auch bei Frauen attraktiv sein.“ Das ist sehr rücksichtslos von ihr.
Wie würde Deutschland bitte schön aussehen, wenn das jetzt Schule machte? Ein Land, dessen Bevölkerungspyramide allmählich die Form von einem Atompilz annimmt, Durchschnittsalter 44, Tendenz steigend? Überwiegend grau würde es aussehen. Denn für Millionen Frauen gehört es längst zum von der Umgebung meist unbeachteten Alltag, alle vier Wochen zum Frisör zu laufen („einmal Ansatzfärben, bitte“) oder sich in Drogerien die praktischen Mini-Laboratorien zum Selbstfärben zu kaufen.
Die Illusion vom jugendlichen Farbreichtum
Ab dem Alter von 30 Jahren geht es normalerweise los mit den Entfärbungen auf dem Kopf, und vor allem Frauen greifen dann zu Gegenmaßnahmen. Nicht zuerst, aber auch der Gesellschaft zum Nutzen, die sich um das Erkennen dessen, was unleugbar ist, dank dieses Kniffs besser herumdrücken kann: des Fakts nämlich, dass diese Gesellschaft im Schnitt zu alt ist. Die Frauen, die sich die Mühe machen, ihre Haare zu färben, halten freundlicherweise die Illusion vom jugendlichen Farbreichtum lebendig, der das Bild der Gesellschaft prägen möge, wie es sich in den Straßen, den Büros, den Bussen und Bahnen, den Cafés und Restaurants, den Theatern oder sonst wo zeigt. Farben von Hell-, Mittel- und Kupferblond über alle Rottöne bis Mahagoni-, Kastanien-, Mokkabraun oder Schwarz. Alles so schön bunt hier? Damit wäre, wenn Birgit Schrowanges Grau-Ermunterungen auf offene Ohren träfen, Schluss. Dann wäre die Überzahl der Alten gegenüber den Jungen plötzlich im Straßenbild an den Haaren zu erkennen – und vermutlich träfe die Bevölkerung kollektiv der Schlag.
Dass Frau Schrowange zur Erläuterung ihrer neuen Haarfarbe aber nicht mehr einfällt als ein optisches Qualitätsurteil, ist betrüblich, weil sie damit ein Rollenverständnis stützt, das Frauen mit Schönheitskriterien misst. Frauen können also auch mit grauen Haaren attraktiv sein? Wie schön für sie? Im Subtext lauert der Druck. Können oder müssen sie? Hört das denn nie auf? Besser wäre gewesen, zu sagen: Ich hatte auf die Färberei keine Lust mehr, und es ist mir komplett egal, wie jemand findet, dass ich aussehe, denn damit ist jetzt Schluss.
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