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Der Mensch und sein Orgasmus. Virginia Johnson (Lizzy Caplan) und Dr. William Masters (Michael Sheen) holen sich Probanden ins Labor. Foto: ZDFneo
© SHOWTIME

Neue US-Serie "Masters of Sex": Geist und Genital

Die US-Serie „Masters of Sex“, die von Dienstag an bei ZDFneo läuft, erzählt die schwierigen Anfänge der Sexualforschung. Auf quotenlüsterne Orgasmen wurde verzichtet.

Der Titel verspricht alles. „Masters of Sex“, da wird doch geboten, was immer sich unter die drei Buchstaben summieren lässt. Vor allem Anleitung zur Erregung, zur Ekstase, zum Orgasmus, ausführlich, explizit, erschöpfend. Es gibt Sex, in heimischen Betten, es gibt Sex im Labor. Der private Sex schafft zwischen den Paaren außer Lustbefriedigung auch Verwirrung, der Labor-Sex geht ein in Aufzeichnung und Auswertung. „Masters of Sex“ kombiniert die Spielarten.

Die Serie beruht auf einer wahren Geschichte

Erzählt wird die wahre Geschichte von Dr. William H. Masters (Michael Sheen) und Virginia E. Johnson (Lizzy Caplan), zwei Pionieren auf dem Gebiet der Wissenschaft um die menschliche Sexualität. Die Story basiert auf dem Buch von Thomas Maier „Masters of Sex: The Life and Times of William Masters and Virginia Johnson. The Couple Who Taught America How to Love“. Die Serie wird mittlerweile in der zweiten Staffel produziert, ZDFneo zeigt die ersten zwölf Folgen.

Masters ist Gynäkologe am Washington University Hospital in St. Louis. Ein sehr erfolgreicher, der sich nicht scheut, in den rassengetrennten USA Ende der 50er Jahre schwarze Frauen in der „Weißen-Abteilung“ des Krankenhauses zu behandeln. Er sieht in ihnen Menschen, die sich nichts sehnlicher wünschen als ein Baby. Und Masters, Koryphäe auf dem Gebiet der Frauenheilkunde, kennt die medizinischen Mittel und Wege. Auch bei seiner eigenen Frau? Libby Masters (Caitlin FitzGerald) vergeht fast vor Verlangen, ihrem Mann ein Kind zu schenken. Das gehört sich so in einer Ehe, wo die Frau eine vorbildliche Gattin an seiner Seite, eine Hausfrau und eine Mutter zu sein hat. Libby Masters versucht mit Fassung zu ertragen, dass ihr Mann klinisches Interesse an Sex hat und zu Hause mit Unlust ins Bett steigt.

Dr. William Masters geht die Sache sachlich an. Die Sexualakte des Ehepaares passieren nach allen Regeln der Zeugungswissenschaft. Dr. Masters ist konkret, praktisch, verklemmt, Typ verschlossene Auster. Eine Ehe mag toll sein, aber Wissenschaft ist allemal toller. Und er leidet erheblich unter Schuldgefühlen, weil seine Frau nicht schwanger wird.

Masters möchte erforschen, was physiologisch im menschlichen Körper beim Sex vor sich geht. Die Anfänge sind bescheiden. Masters steht im Kleiderschrank eines Hotelzimmers. Er beobachtet die Prostituierte Betty beim Sex mit ihren Freiern. Er erfasst den Akt mit Stoppuhr, Bleistift und Notizbuch. Neun Sekunden bis zum Orgasmus, danke, dass sie gekommen sind. Als Betty sagt, der Orgasmus sei nur vorgetäuscht gewesen, ist William H. Masters entschlossener denn je. Die Sexualität muss wissenschaftlich entschlüsselt werden.

Die Forscher gingen in den 1950er Jahren durchaus ein Risiko ein

Das möchte auch seine Sekretärin und Assistentin Virginia, die so ganz anders ist als ihr Boss: eine zweifach geschiedene Mutter, alleinstehend mit zwei Kindern, einstige Nachtclubsängerin, selbstbewusst, freigeistig, sexuell libertär. Sie verfügt nicht über die Kenntnisse von Masters, aber mit ihrer Klugheit, ihrem Einfühlungsvermögen kann sie Versuchspersonen rekrutieren und sich zum perfekten Gegenstück des Forschungsleiters entwickeln. Masters und Johnson, das sind die Masters of Sex, die nicht nur wissen wollen, wie Sex funktioniert, sondern mit ihren Erkenntnissen auch die Grundlagen für die Behandlung sexueller Probleme schaffen.

Die beiden Forscher riskieren viel. Masters muss Verwaltungsdirektor Barton Scully (Beau Bridges) von Notwendigkeit und Gewinn der Studien überzeugen, wo Scully „Schweinkram“ ruft und sich um den Ruf seines Krankenhauses fürchtet. Masters und Johnson wagen auch deswegen viel, weil neben aller Forschung mit Vagina und Penis der Umgang mit den Kollegen, mit Partnern, mit dem eigenen Erfolg, mit Betrug und Eifersucht gelernt sein will. Sex ist selbst als cleaner Forschungsgegenstand eine Herausforderung für Geist und Genital. Der Laborkittel taugt nicht immer zum Gefühlspanzer. Und Amerika 1957 ist eine prüde Gesellschaft, Sex hat man, aber zum Gesprächsthema taugt er nicht. Sex ist verdächtig, Sex macht verdächtig.

Die Produktion von „Masters of Sex“ ist aufwendig, zeitgenau, stylish. Michael Sheen und Lizzy Caplan brillieren in einem brillanten Ensemble (aus der Nähe grüßt die „Mad Men“-Qualität). Die Figuren bewegen sich als vielschichtig angelegte Charaktere im fein ausgemalten Zeitgemälde. Menschenbilder im Sittenbild, Konvention versus Revolution, so viel Dialektik muss sein.

Und der Sex, wie ist der so? Es gibt Orgasmen im Labor und im Bett, es gibt ihn sachlich und es gibt ihn frenetisch. Aber es gibt ihn nie – schweinisch, outriert, quotenlüstern. Wenn Masters fragt: „Warum würde eine Frau einen Orgasmus vortäuschen?“, dann antwortet Johnson: „Um den Mann schnell zum Höhepunkt zu bringen, so dass sie wieder das machen kann, was sie eigentlich tun wollte.“ Damit ist vieles, nicht aber alles über die Grundlinie ausgesagt.

„Masters of Sex“, ZDFneo, Dienstag, um 22 Uhr 45. Gezeigt werden immer Doppelfolgen.

Joachim Huber

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