Was Seehofer nicht weiß, wohl aber die ARD: Fusion von ARD und ZDF bedroht Artenvielfalt
ARD-Intendanten weisen Seehofer-Vorschlag zur Fusion der öffentlich-rechtlichen Sender zurück. Eigene Ideen? Neues ESC-Modell, Reform der „Berliner Runde“.
Die ARD-Vorsitzende Karola Wille hat den Vorschlag von CSU-Chef Horst Seehofer nach einer Fusion von ARD und ZDF zurückgewiesen. „Das wäre ein Weniger an publizistischer Vielfalt, an Meinungsvielfalt und an publizistischem Wettbewerb“, sagte Wille am Mittwoch in Berlin nach der ARD-Hauptversammlung. Aber es ist nicht so, dass das, was sehr wahrscheinlich im neuen CSU-Grundsatzprogramm festgeschrieben wird – „Wir streben langfristig die Beseitigung von Doppelstrukturen und die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach an“ –, keine Wirkung gezeigt hätte.
Während jedoch in Sachen ZDF nicht Intendant Thomas Bellut, sondern der Verwaltungsratsvorsitzende und frühere SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, spricht – „Ich halte das für eine völlig unüberlegte und kurzsichtige Forderung“ –, geht bei der ARD die Vorsitzende Wille voran. Die Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks scheint den Rechtfertigungdruck deutlicher zu spüren. „Wir müssen in einer sich verändernden Medienlandschaft den gesellschaftlichen Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stärker und besser vermitteln – auch gegenüber der Politik.“ Verschiedene Umfragen zeigten, so Wille, immerhin an, dass 65 bis 70 Prozent der Bürger das beitragsfinanzierte System als glaubwürdig ansähen.
Andauernde Verhandlungen um ARD und ZDF
Aber, nichts ist von Dauer, und da scheint es der klügere Weg zu sein, sich selbst zu verändern, statt von außen verändert zu werden. Laut Wille müssten alle Bemühungen um Kooperation beider öffentlich-rechtlicher Anbieter verstärkt werden. Also wollen ARD und ZDF auch die nächsten Olympischen Spiele in Südkorea (Winter 2018), Japan (Sommer 2020) und China (Winter 2022) gemeinsam und doch im täglichen Wechsel übertragen. ARD-Programmdirektor Volker Herres hatte praktischerweise einen Umfragewert bei der Hand, wonach 80 Prozent der Bevölkerung Olympische Spiele weiterhin in Radio und Fernsehen von ARD und ZDF präsentiert sehen wollen. Dafür freilich braucht es Übertragungsrechte, die die Öffentlich-Rechtlichen bei Discovery erwerben müssen und wollen. Herres berichtete, „ein Anschluss ist nicht in Sicht“. Es geht um Preise und um die Qualität der Sublizenzen. Die Marschroute von ARD und ZDF ist: nur erstklassige Rechte zu einem akzeptablen Preis.
Was senderinterne Belange angeht, waren die ARD-Intendantinnen und -intendanten durchaus entschlussfreudig. Der stets umstrittene Finanzausgleich, der den „armen“ Sendern Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen zugute kommen wird, wird neu fixiert. Die Zahl der gebenden Sender wird auf sieben erhöht, der Rundfunk Berlin-Brandenburg ist in der Periode von 2017 bis 2020 mit 1,5 Prozent an der jährlichen Gemeinschaftssumme von 90 Millionen Euro erstmals dabei, genauso der Hessische Rundfunk. Der Druck zur Neuverteilung ging vom Westdeutschen Rundfunk aus, der seinen Beitrag von 44,5 auf 32,7 Prozent absenken kann.
Mehr Transparenz kommt?
An der Transparenz der ARD-Anstalten wird weiter auf allen Ebenen gearbeitet, heißt, Unternehmen, Finanzen, Auftrag, soziale Transparenz. Der Heidelberger Rechtsprofessor Paul Kirchhof, der Erfinder des Rundfunkbeitrages, soll mit eigener Expertise aufzeigen, was die Anstalten gerade mit Blick auf die externen Vertragspartner offenlegen können. Die Honorare der Fußballexperten werden auch in nächster Zeit eher geleakt als von den Sendern veröffentlicht.
In dem immerwährenden Versuch, die deutsche Teilnahme am Eurovision Song Contest frei von Peinlichkeit zu gestalten, ist der verantwortliche Norddeutsche Rundfunk für 2017 auf dieses Modell verfallen: Jedermann kann sich unter www.unsersong2017.de bewerben; fünf Nachwuchssängerinnen und -sänger werden sich am 9. Februar der Jury aus Lena, Tim Bendzko, Florian Silbereisen und final dem ARD-Publikum stellen. Das alles geschieht in der fortgesetzten Verantwortung von NDR-Unterhaltungschef Thomas Schreiber, den ARD-Programmdirektor Volker Herres als „Lena-Maker“ feierte. Andere wären eher auf Stefan Raab gekommen, dessen Firma am Gelingen des ESC 2017 beteiligt ist.
Fraktionschefs sollen "Berliner Runde" aufhübschen
Apropos Volker Herres: Auch in seinen Augen muss die darniederliegende „Berliner Runde“ dringend aufgehübscht werden. Zunächst bei der Besetzung: Statt der Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer sollen die Fraktionschefs der im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen werden. Ein zweiter Schritt könnte die Zusammensetzung der Runde sein, die das Wahlergebnis des Abends reflektiert. Aber, so Herres, das ZDF muss bei solchen Veränderungen mitspielen, dito die Parteien wie beispielsweise die CSU. Und damit hatte sich der Kreis am Mittwoch in Berlin geschlossen.