Porträt Caroline Peters: Frau mit Ansicht
Das richtige Lachen ist der Beginn des richtigen Denkens: Caroline Peters ist die „Schauspielerin des Jahres“.
Es fing mit einem Desaster an. Caroline Peters hatte gerade ihr Abitur gemacht und sich danach für die Aufnahmeprüfungen an allen deutschsprachigen Schauspielschulen beworben. Es waren zwölf. Sie lernte Monologe von Brasch, Walser, Wedekind und Strauß. Sie fuhr nach Wien, Berlin, München, Bochum. Damals wusste sie noch nicht, was „Vorsprechen“ genau bedeutet. Wie es ist, alleine auf einer Bühne zu stehen. Überall wo sie sich vorstellte, schaffte sie es immer bis in die letzte Runde. Am Ende wurde sie nicht genommen.
Fast 30 Jahre später, im August 2018, küren die Kritiker des Fachmagazins „Theater heute“ sie zur „Schauspielerin des Jahres“. Im Oktober startet bundesweit die Filmkomödie „Der Vorname“ im Kino, mit ihr in der Hauptrolle. Im November gewinnt sie den österreichischen Theaterpreis „Nestroy“ für ihre Darstellung in August Strindbergs „Hotel Strindberg" am Akademietheater in Wien. In der Jurybegründung heißt es: „Blitzschnell verwandelt sie sich in verschiedene Strindberg-Frauen, vollzieht in atemberaubendem Tempo den Rollenwechsel mit neuem Kostüm, neuer Perücke und neuer Stimme. Das verlangt in einem viereinhalb stündigen Marathon höchste schauspielerische Konzentration, die sie cool und ohne jede eitle Bravour beherrscht.“ Das Jahr 2018 ist das Caroline-Peters-Jahr.
Sie kommt zu einem Treffen nach Berlin-Charlottenburg und wirkt, als hätte sie den vergangenen, schönen Sommer noch einmal mitgebracht. Das liegt nicht nur an ihrem bunten Kleid, den blau-grünen Augen und den langen, frischen, blonden Haaren. Es liegt auch daran, dass ihre Art den Sommer in sich trägt, den Ausblick auf eine warme, helle Zeit. Sie ist herzlich und offen, interessiert und witzig. Als die vorgegebene Stunde für das Interview zu Ende ist, bietet sie an, sich noch einmal zu sehen, um weiter zu reden. Seit 14 Jahren spielt sie am Wiener Burgtheater, die Österreicher verehren sie wie all die anderen Ensemblemitglieder an dem Haus, in dessen Namen die Erhöhung bereits mitschwingt: Burg.
Wie bekommt man die Menschen wieder ins Theater?
Trotzdem hat man bei ihr das Gefühl, sie säße inmitten ihres eigenen Publikums. Sie sagt: „Was mir im Moment gerade wichtiger erscheint, als über meine künstlerischen Ideale nachzudenken, ist die Frage: Was muss man machen, damit die Leute wieder ins Theater gehen?“
Caroline Therese Aksinia Peters wurde 1971 in Mainz geboren, acht Jahre später zog sie mit ihrer Familie nach Köln. Den dritten Vornamen hat sie ihrer Mutter zu verdanken, einer Slawistin und Literaturwissenschaftlerin. Schon als Kind bestaunte sie die vielen Bücher in ihrer Wohnung, die nach Autoren und Themen sortiert waren, und deren Buchrücken sie auswendig kannte. Sie las Astrid Lindgren, Otfried Preußler, Christine Nöstlinger und später dann „Vom Winde verweht“, „Der Name der Rose“, „Verbrechen und Strafe“. In Büchern habe sie die besten Geschichten gefunden, sagt sie. Zu ihrem 13. Geburtstag schenkten ihr die Eltern ein Theaterabonnement. Das war 1984, die Zeit, in der die Jugend nach Depeche Mode, Wham und Nena tanzte, und im Fernsehen die Musikvideosendung „Formel Eins“ lief. Am Schauspiel Köln dagegen hießen die Stars der 80er Christoph Waltz, Ulrich Noethen, Susanne Lothar, Ingrid Andree. Fünf Jahre lang sah sich Caroline Peters dort 15 Stücke pro Spielzeit an. Wo sie immer die gleichen, anderen Abonnenten traf, alles Rentner, total nett. Mit ihnen sprach sie nach jeder Vorstellung über das Stück, das sie gerade gesehen hatte. Cool sei das gewesen.
Anfang der 90er Jahre drehte der Regisseur Sönke Wortmann den Kinofilm „Kleine Haie“. Er erzählt die Geschichte von einem Tellerwäscher, der zufällig in eine Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule Folkwang in Essen gerät und prompt genommen wird. Dagegen weist die Prüfungskommission einen Bewerber, der schon lange von einer Karriere als Schauspieler träumt, zum wiederholten Male ab. Der Film sollte eine Komödie sein, aber Caroline Peters fand ihn weder witzig noch romantisch, sondern ganz schrecklich. Sie sah ihn, nachdem sie selbst zwölf Mal an Schauspielschulen abgelehnt worden war. Zwölf Mal im Zug. Zwölf Mal Rollen lernen. Zwölf Mal Demütigung. Nie wieder wollte sie sich das antun. Stattdessen schrieb sie sich für ein Studium der Theaterwissenschaften in Berlin ein.
Sie erzählt über diese Zeit, als erlebe sie sie gerade noch einmal. Eifrig und energisch. Caroline Peters ist eine Frau, von der man sich vorstellen kann, dass sie auch mal mit der Faust gegen das Lenkrad schlägt. Eine, die sich nicht schämt. Eine, die über die Vergangenheit lacht. Im Rückblick betrachtet werden viele Erinnerungen leichter, und Zufälle schreiben eine neue Biografie. Als sie gerade in der Hauptstadt ein Zimmer bezog, erhielt sie eine Nachricht aus Saarbrücken. Jemand hatte seinen Platz an der Schauspielschule abgegeben. Als Nachrückerin stand sie auf der Liste ganz oben. Saarbrücken. Die einzige Großstadt des Saarlandes, Geburtsort der deutschen Grand-Prix-Gewinnerin Nicole, nach der Wiedervereinigung ein Platz am Rand der Republik. Die dortige Schauspielschule besuchten 20 Studenten, in allen vier Jahrgängen. „Ich habe oft über die Stadt geschimpft“, erzählt Caroline Peters, „aber die Ausbildung war wichtig für mich. Sie gab mir das Gefühl, etwas über den Beruf zu wissen.“
Sie war 24, als sie Schauspielerin wurde. Die Schaubühne in Berlin engagierte sie 1995, direkt nach ihrem Studium. Manchmal stand sie in Berlin auf Partys zwischen gleichaltrigen Studenten und Langzeitstudenten, angehenden Anwälten oder Chirurgen, die sie fragten, was sie so mache. Wenn sie antwortete, sie sei Schauspielerin, folgte nicht selten der Satz: „Ach, ich kenne dich ja gar nicht.“ Dann entgegnete sie: „Na und, ich dich auch nicht“. Noch heute, sagt sie, habe sie mitunter den Eindruck, ihren Beruf verteidigen zu müssen. Viele Leute würden glauben, sie wüssten über ihn Bescheid, sie wären Experten. In solchen Momenten denkt Caroline Peters: „Ihr habt ja alle keine Ahnung!“
"Mord mit Aussicht" macht sie bekannt
Die ARD-Krimiserie „Mord mit Aussicht“ machte sie 2008 in Deutschland richtig bekannt. Mehr als sechs Millionen Zuschauer, Nominierungen für den Deutschen Fernseh- und Grimme-Preis, Jupiter-Award als beste TV-Serie. Die Geschichten um die Kölner Kriminalkommissarin Sophie Haas, die man in das fiktive Kaff Hengasch strafversetzt, wurde Kult. Mit hochgezogenen Brauen, hängenden Mundwinkeln und weit aufgerissenen Augen prägte Caroline Peters in ihrer Rolle einen schlagfertigen, humoristischen Stil. Pointiert, spöttisch, skurril.
„Sophie Haas ist so, wie ich gerne wäre“, sagt sie über ihre Figur. „Nichts ist ihr peinlich. Sie redet als Erste, sie setzt sich als Erste, sie isst als Erste.“ 2013 hat sie für die Darstellung den Bayerischen Filmpreis als beste Schauspielerin gewonnen. Ein Jahr später wurde die vorerst letzte Folge gedreht. Zur Erinnerung nahm sie sich einen gelben Rock, einen gelben Regenmantel und das Hochzeitskleid von Sophie Haas mit nach Hause.
Im Moment ist sie am Berliner Ensemble in dem Stück „Eine griechische Trilogie“ zu sehen. Sie spielt darin Philippa, die ihren Mann verlässt und in eine landwirtschaftliche Frauenkommune zieht. In Gummistiefeln und mit Rollkoffer steht sie auf der Bühne und sagt Sätze wie „Mein Leben war auch nicht leicht für mich“ oder „Ich war sehr gerne reich“. Sie spricht sie in dem für sie typischen Ton einer trotzigen, naiven und zugleich verletzlichen Frau. Das Publikum muss lachen. Es ist wie ein Trick, auf den man immer wieder gern hereinfällt: Wenn Caroline Peters erscheint, wird die Geschichte lustig.
Einer ihrer Lieblingsautoren ist der deutsche Dramatiker Carl Zuckmayer. Er hat einmal geschrieben: „Das richtige Lachen ist der Beginn des richtigen Denkens und Empfindens.“ Caroline Peters sagt, dass sie ein Freund der Komödie sei. Gemeinsam zu lachen finde sie besser, als sich gegenseitig umzubringen. Sie hat sich alle zehn Staffeln der amerikanischen Comedy-Serie „Modern Family“ angeschaut. Das beste Vergnügen der Welt.
„Der Vorname“, immer noch im Kino; „Eine griechische Trilogie“ wieder am 23. Januar im Berliner Ensemble
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