Schauspielerin des Jahres: Caroline Peters: "Geh, scheiß die Wand an"
Das ist Caroline Peters’ Lieblingsschmäh der Österreicher (deren Cafés mag sie auch). Über Männer mit Atommacht, zu scharfes HD-Fernsehen und Berlins dickste Hose. Aus unserem Archiv.
Frau Peters, entschuldigen Sie unser karges Redaktionsbüro, wir sitzen hier wie beim Polizeiverhör.
Bei der Polizei haben sie gar keine Verhörräume.
Wie bitte?
Das hat man mir jedenfalls so erzählt, als es darum ging, was es bei der echten und was es bei der Fernsehpolizei gibt. Wir haben auch Waffenexperten am Set, die fragen: Fernsehen oder echtes Leben, wie wollen Sie es machen?
Und was antworten Sie?
Wie im echten Leben. Also nicht mit dem Zeigefinger am Abzug, das macht kein richtiger Polizist, der legt ihn neben den Lauf. Das ist eine Sicherung vor eigenen Instinkten. Sie dürfen auch nicht den Lauf nach oben halten oder zu dicht an den Kopf.
Was ist daran falsch?
Wenn Sie dann schießen, werden Sie taub, der Rückschlag tut weh, und wen wollen Sie treffen? Sie müssen die Waffe beim Anschleichen auf den Boden richten. Es geht darum, Fehlschüsse zu vermeiden und nicht den Kollegen zu erschießen. In meiner Rolle als Sophie Haas bei „Mord mit Aussicht“ erinnere ich mich in den ersten 13 Folgen allerdings nur an einen Waffeneinsatz.
Die Sophie Haas, die Sie spielen, wurde von Köln in die Eifel strafversetzt. Sie sind in Köln aufgewachsen. Wie haben Sie auf diesen Landstrich geschaut?
Wenn ich das sage, sind vielleicht viele Eifelaner beleidigt! Meine Eltern kamen ja ursprünglich aus Berlin und Schleswig-Holstein, haben sich lange in Mainz wohlgefühlt und dann in Köln niedergelassen. Die fanden die Eifel ganz scheußlich. Das habe ich einfach so übernommen.
Hatten Sie als Teenager einen Dünkel gegenüber dem Umland?
Total. Als ich zum Studieren nach Saarbrücken musste, war das für mich ein Schock. Ich kam immerhin aus einer Großstadt, da hatte ich voll die Nase oben.
Menschen aus Troisdorf haben Sie belächelt?
Als Kölnerin habe ich die wahnsinnig verachtet. Im Umland gibt es das Autokennzeichen BM für Bergheim. Das hieß bei uns „Bereifte Mülltonne“. Das waren die, die nur am Wochenende in die Stadt kamen, auf die haben wir herabgeguckt. Köln war Anfang der 90er Jahre allerdings auch wirklich cool. Es gab die PopKomm, die ganzen Elektro-Clubs, die DJs, von denen viele inzwischen in Berlin leben.
Sie leben doch auch in Berlin.
Im Moment nicht mehr. Ich bin aber noch oft in der Stadt. Meine Mutter wohnt nun hier, meine Geschwister mit ihren Familien. Mein Lebensmittelpunkt ist Wien mit dem Burgtheater, und ich bin oft in Köln, natürlich, wegen der vielen Drehs. Jahrelang pendelte ich zwischen Wien und Berlin. In Mitte hatte ich übrigens einmal ein tolles Köln-Erlebnis: Da kamen wir aus der Volksbühne heraus, überlegten, wo wir hingehen können und sahen eine neue Bar, an dem Platz, wo die Parteizentrale der Linken ist.
Die Bar Drei.
Genau. Große Fenster, nicht ganz hell beleuchtet, ich dachte, lustig, so sahen die Bars in Köln aus, das Königswasser oder das Sixpack. Dann kommen wir rein, da steht ein Fass Kölsch, die ganzen Jungs aus dem Umfeld vom Kölner Plattenlabel Kompakt stehen am Tresen, und der Typ dahinter ist ein Kölner. Der Sog geht schon nach Berlin.
Wenn Sie heute in der Eifel drehen, finden Sie die immer noch so grässlich?
Heute finde ich es richtig schön da, diese leicht bergige Landschaft mit den Kraterseen, tiefblau, eiskalt. Das Klima kann sehr rau sein. Wir drehen oft im Hochsommer und haben dann zwölf Grad plus. Die Weihnachtsfolge haben wir Ende März gedreht, kein Problem, da war kein Blatt am Baum und es hat geschneit.
Das Dorf Hengasch ist ein Kunstort, extra für die Serie erfunden.
Wir drehen in der Eifel und im Bergischen Land. Wobei Hengasch expandiert. Wir haben Zuschauer, die registrieren das ganz genau und schreiben: Komisch, es gibt sechs Kirchtürme, aber keine Ampeln und keine Zebrastreifen – wie soll die arme Frau Ziegler über die Straße kommen mit ihrem Rollator? Da könnte sich die Polizei drum kümmern!
Könnten Sie sich inzwischen vorstellen, auf dem Land zu leben, in einem Ort wie Hengasch?
In einem echten Dorf? Eher nicht. Ich liebe es, in den Ferien aufs Land zu fahren, weil es mir irgendwann in der Stadt zu laut wird. Aber da zu leben? In so eine Dorfgemeinschaft einzusteigen ist schwer, glaube ich. Oder mit anderen Großstädtern eine Landkommune aufzuziehen, das wäre mir zu intim. In den Ferien war ich in der Bretagne, da haben wir ein Häuschen gemietet, morgens sangen die Vögel, ein Reh stand auf der Wiese, sensationell. Trotzdem gibt es dort Nachbarn, mit den Leuten müsste ich mich befreunden, und die wären immer da, das finde ich schwierig.
Kennen Sie „Landlust“?
Was ist das?
"Fernsehen in HD finde ich ganz schlimm"
Eine erfolgreiche Zeitschrift über Landleben, mit Tipps zum Gartenbau, wie man den Hof dekoriert …
… das kaufen doch nur Städter, die mit ihren Kindern in den Tiergarten gehen, Blätter sammeln und daraus was basteln. Das ist die pure Stadtromantik. Das ist genauso, wie wenn die Leute denken, früher hat alles besser geschmeckt. Wer in den 70er Jahren aufgewachsen ist, bei dem war alles pasteurisiert, und der Spinat kam aus der Tiefkühltruhe. Ich fang jetzt erst an, mich gesund zu ernähren.
Sie haben mit „Mord mit Aussicht“ ein Genre kreiert: den Provinz-Fernsehkrimi.
Und dann wurden auch gleich jede Menge Nachahmer in Auftrag gegeben. Darüber habe ich mich damals kurz geärgert. Da funktioniert mal was, und dann kommt das in die Kopiermaschine. Ich fand das gemein. Lasst uns das doch machen, wir haben das erfunden! Inzwischen freut’s mich, dass wir so gut waren, dass man uns nachmachen will.
Sehen Sie selbst denn fern?
Ich habe keinen funktionierenden Apparat, seit mein Röhrengerät kaputt ist. Und HD finde ich ganz schlimm. Mein Schwager hat sich so ein Ding zu einer Fußball-WM geholt. Da sehen Sie dann riesige Fleischwunden in aller Schärfe, Adern, die hervorstehen, spritzendes Blut, das finde ich zu krass. Ich habe mich darauf verlegt, Sachen auf Youtube zu gucken. Da ist die Qualität ein bisschen verrauschter. Ich habe kein Bedürfnis nach absoluter Schärfe.
Was Sie brauchen, ist Gänsestopfleber!
Oh Gott, stimmt, die finde ich köstlich. Das darf man nur nicht sagen, das ist nicht politisch korrekt.
Wir wissen auch, dass Carla Bruni Ihre Lieblingsfigur in der Geschichte ist.
Das habe ich mal in einem Fragebogen gesagt. Damals hatte sie gerade Herrn Sarkozy geheiratet und ist als schwangere 42-Jährige in den Elysée-Palast eingezogen. Das fand ich lustig, als Phänomen. Auch, dass sie gesagt hat, ich will den Mann mit der Atommacht. Das ist ja wie im Theater. Ich habe mir vorgestellt, die geht zu einem Staatsbankett zu Obama und versucht, sich lieber den zu greifen. So entstehen in Königsdramen Kriege.
Stichwort Drama: Das Theater ist Ihre Welt, und Wien deshalb Ihr Lebensmittelpunkt.
Aber sicher, das Burgtheater. Obwohl es in einen Finanzskandal verwickelt ist. Der Intendant wurde vom Minister persönlich entlassen, ebenso die Geschäftsführerin, das war dramatisch. Eine richtige Staatsaffäre. Der „Spiegel“ hat in Österreich ein eigenes Titelblatt, da war der Intendant auf dem Cover. Das wäre doch in Deutschland undenkbar – ein Theater-Intendant auf dem Titel.
Sie sind seit zehn Jahren dort Ensemblemitglied und von „Theater heute“ gerade zur Schauspielerin des Jahres nominiert worden …
… Ja, das freut mich so. Ob es noch weitere zehn Jahre so geht? Jetzt muss erst mal ein neuer Intendant her.
Das Burgtheater ist doch oberste Liga.
Ein Paradies für Theatermenschen. Es ist in Wien total normal, ins Burgtheater zu gehen. Damit profiliert sich niemand als Bildungsbürger oder setzt sich ab, indem er das blöd findet. Deshalb ist es fast jeden Abend ausverkauft. Allerdings, ich verorte mich eigentlich zwischen Theater und Film.
"Die Berliner Volksbühne hat ihren eigenen Kosmos"
Der österreichische Schauspieler Christoph Waltz hat mal gesagt: Die Österreicher sind höflich und meinen es nicht so.
Es kommt vor, dass Zuschauer einen nach der Vorstellung ganz reizend mit Komplimenten überschütten und im Nachhinein denke ich: Hat die gerade nicht auch gesagt, sie findet Deutsche grauenhaft, möchte nicht, dass ihre Bühne überdeutscht wird, und hat sie mich tatsächlich gefragt, ob ich nicht bald wieder wegziehe? Aber so verpackt, dass ich es nicht gleich gemerkt und mich sogar noch dafür bedankt habe.
Ihr österreichisches Lieblingsschimpfwort?
„Geh, scheiß die Wand an!“ Das ist schon super. Ein unglaublicher Satz, dass man den überhaupt sagen kann. Der Wiener schimpft jedoch so langsam, dass sich das noch elegant anhört.
Im Gegenzug sagt Waltz auch, dass Deutsche immer auf Kollisionskurs seien.
Ein deutscher Freund aus meiner Kindheit lebt seit über 20 Jahren in Wien als Regie-Assistent. Der wurde bei einem deutschen Film engagiert und war geschockt. Er fand, dass alle gegeneinander den Film machen und jedes Gespräch konfrontativ ist. Wien ist für mich die Hauptstadt der Zwischenlösungen, und es ist in Ordnung, mehrere Meinungen zu haben. In Deutschland hat man scheinbar lieber nur eine und verteidigt die vehement.
Ist alles nach dem Burgtheater ein Schritt abwärts?
Es wäre eher ein Schritt woanders hin, zurück in das deutsche System. Die großen Häuser in Hamburg, München und Berlin sind interessante Theater-Standorte. Nur, selten ist etwas so eigen und fast verschroben wie die Burg. Höchstens an der Berliner Volksbühne ist es noch so wie dort. Durch diesen langen Zeitraum, in dem die bereits ihren Geschmack ausleben. Die haben ihren Kosmos, eine bestimmte Form von Theater, ein relativ fest zusammenhängendes Ensemble, einen Kostümstil, das erkennt man immer wieder.
Wie ist dieser Kosmos denn?
Cool bohemistisch. So wie Mitte geworden ist, waren die schon vor 15 Jahren. Man hat kein Geld, macht einen auf dicke Hose und findet bourgeoisen Glamour gut. Reich aussehen, es aber nicht sein, ordentlich Klunker tragen, nur ist der falsch.
Gefällt Ihnen bourgeoiser Glamour?
Ich fand das toll, weil ich Mitte der 90er Jahre nach Berlin gekommen bin und da war ja nix. Wir lebten relativ arm mit Kohleofen. Mein Badezimmer war das Oderberger Bad. Ich komme aus Westdeutschland, ich kannte so etwas nicht. Ich habe mich danach gesehnt, mal in die Paris Bar zu gehen. Meine Mutter, die schon in den 60er Jahren in West-Berlin lebte, hat mir den Ort als Inbegriff eines speziellen Glamours vorgebetet. Diese Ausflüge von schrottig zu schick. Ich hatte Rostflecken an den Wänden von den Nägeln, an denen meine Plakate hingen. Trotzdem zogen wir uns fein an und aßen im KaDeWe drei Austern, für mehr reichte es nicht.
Diese Phase haben Sie nun hinter sich.
Ich war glücklich, als ich vor neun Jahren eine Wohnung mit Zentralheizung bezogen habe: Topp, ich hatte es geschafft.
Sie haben in Saarbrücken Schauspiel studiert. Hatten Sie Sorgen, nie dort wegzukommen?
Natürlich. Im Nachhinein war trotzdem alles super. Die Stadt bietet so wenig äußere Reize, dass man sich intensiv mit seiner Sache auseinandersetzt. In Berlin wäre ich nicht zu Rande gekommen als Studentin. Weil ich von einer Party zur nächsten gejuckelt wäre und bis sechs Uhr durchgetanzt hätte. In Saarbrücken war alles um elf zu.
Wir haben gelesen, eines Ihrer Schauspieleridole war früher Linda Hamilton, die weibliche Hauptrolle in „Terminator“…
… ja, das war eine neue Figur, diese toughe Actionfrau. „Terminator“ habe ich im letzten Raucherkino Saarbrückens Anfang der 90er geguckt. Solche Figuren fand ich toll, Lara Croft, Frauen, die alles kurz und klein schlagen, wie erwachsene Pippi Langstrumpfs. Auf der Schauspielschule wird man auf das klassische Theaterrepertoire vorbereitet, auf Gretchen und Käthchen und Julia. Das hatte mit meinem Leben gar nichts zu tun: Gretchen, das geschändete Mädchen, das wegen Unzucht im Gefängnis stirbt, während der Typ in den Himmel fährt.
Warum wollten Sie dann unbedingt ans Theater?
Weil das Live-Erlebnis so toll ist. Und wenn man wie ich nicht so musikalisch begabt ist, ist das der einzige Weg, live auftreten zu können. Da wird man Adrenalinjunkie. Nach vier Jahren Schaubühne war meine Rettung René Pollesch. Weil man bei ihm Rollen spielen konnte, die gar keine sind, Texte, die von heute sind. Da geht es laut und deftig zur Sache – wie in einer Band haben wir uns vor dem Publikum ausgetobt. Diese Interaktion fehlt mir beim Fernsehen. Ich wusste am Anfang gar nicht, wo soll ich hinspielen? Wenn wir proben, schiele ich immer zur Beleuchtungsabteilung, um zu gucken, wie die das finden.
Frau Peters, wenn Sie Wien nun tatsächlich verlassen müssten. Was würde Ihnen fehlen?
Ganz spießig: die Kaffeehauskultur. Für jede persönliche Stimmung gibt es ein Lokal. Zum Beispiel das Café Prückl, da gibt es eine riesige Theke für zauberhafte Mehlspeisen. In der Mitte ist ein riesiger Tisch mit österreichischen, deutschen, französischen und englischen Zeitungen. Die Oberkellner sind keine Schauspieler, die es als Demütigung empfinden, Leute zu bedienen. Wenn ich ausgetrunken habe, werde ich nicht gleich gefragt, ob ich bezahlen möchte. Es gibt herrliche Sachen aus meiner Kindheit – Graubrot mit Käse und einer kleinen Gurke darauf, das wird mir fehlen.
Und falls Sie Wien verlassen, in welcher Stadt würden Sie sich niederlassen wollen?
Berlin. Ich müsste nur überlegen, welches Viertel. Die haben sich ja wie ich auch entwickelt. Ich glaube, ich tendiere zu Charlottenburg. Das hätte ich früher abwegig gefunden, aber im Moment finde ich Mitte zu juxig, zu touristisch, zu laut. Dann lieber die Paris Bar, wo meine Mutter schon hingegangen ist. Das kann nicht ganz falsch sein.
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