"Der Vorname" im Kino: Er ist wieder da
Das Kind heißt Adolf! Sönke Wortmann wagt in seiner Satire „Der Vorname“ eine provokante These.
Nee, oder? Euer Kind soll Adolf heißen? Das geht ja gar nicht! Entsetzen macht sich breit beim manierlichen Abendessen im linksliberalen Professorenhaushalt, der Grundsatzstreit eskaliert zur verbalen Saalschlacht. Nur stammt die größtmögliche Political-Correctness-Provokation für das vermeintlich aufgeklärte Bürgertum diesmal nicht von der Pariser Milieupersifleuse Yasmina Reza. Sie hat mit „Kunst“, „Drei Mal Leben“ und dem von Polanski verfilmten „Gott des Gemetzels“ Maßstäbe in Sachen gehobenem Boulevard mittels Verhohnepipelung gebildeter Stände gesetzt. Und offensichtlich auch die Autoren Mathieu Delaporte und Alexandre de La Patellière inspiriert, die die auch in deutschen Theatern gespielte Komödie „Der Vorname“ 2010 geschrieben und danach verfilmt haben.
Die deutsche Kinoadaption inszeniert nun Sönke Wortmann, der vor drei Jahren mit „Frau Müller muss weg“ schon Erfahrungen im filmischen Glätten böser Bühnenstoffe gesammelt hat. Statt in Dresden spielt der Offenbarungseid gesitteter Bürgerlichkeit diesmal in Bonn und mutet im Jahr 2018 ungeahnt aktuell an. Zumindest wäre es so, wenn es bei der vom Literaturprof Stephan (Christoph Maria Herbst) und Schwager Thomas (Florian David Fitz) erbittert diskutierten Frage, ob das von seiner Frau erwartete Kind den nach 1945 eher unmodischen Vornamen tragen darf, wirklich um eine Gesellschaftssatire ginge. Doch der Konflikt, ob ein Tabu mehr zur Ikonisierung eines Diktators beiträgt als dessen Bruch, ist in „Der Vorname“ trotz anfänglich schön giftiger Dialoge alsbald verpufft. Stattdessen rutscht der Schlagabtausch beim Hühnchencurry nach einem Drittel zur lauen Familiensatire ab, in der die Adolf-Episode zu einer von mehreren familiären Enthüllungen schrumpft.
"Bilderbürgertapete" heißt das Bücherregal des Literaturprofs
So kommt’s, wenn man die großartige Komödiantin Caroline Peters in der Rolle der Gymnasiallehrerin Elisabeth Berger-Böttcher über zwei Filmdrittel pointenlos in die Küche verbannt. Sie und Justus von Dohnányi als Klarinettisten-Busenfreund René bleiben lange schauspielerische Staffage – bis ihnen das Buch dann pflichtschuldigst gegen Ende jeweils ein Solo gewährt. Als komödiantische Typisierung geht die Figurenführung in Ordnung, doch dramaturgisch ist sie schlicht gebaut.
Amüsement kommt trotzdem immer wieder auf. Und der Dreh in einem echten Haus sieht weniger theaterhaft als in einer Studiokulisse aus. „Bildungsbürgertapete“ nennt der von der Gelehrtenhybris und Pseudo-Philanthropie seines Schwagers schwer genervte Makler Thomas dessen Bücherregale: „Das einzige Zeichen, das du setzt, ist, Flüchtlingen deine ollen Cordanzüge zu spenden, in denen sie in Sachsen scheiße aussehen.“
Bei Yasmina Reza bleiben am Ende solcher Wortgefechte nur rauchende Trümmer menschlicher Beziehungen übrig. Im Publikum meist gepaart mit dem unangenehmen Gefühl, selbst bei Heuchelei und Lethargie ertappt worden zu sein. Bei „Der Vorname“ stellt sich dieser Erkenntnisgewinn trotz der Adolf-Steilvorlage nicht ein. Schade. Lieber pappt Sönke Wortmann noch ein versöhnliches Happy End an die Mittelstandskrise. Der Vorname Adolf ist auf deutschen Standesämtern übrigens erlaubt, im Gegensatz zu Judas oder Kain.
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