Presserat über Bilder von toten Flüchtlingen: Foto von Aylan Kurdi ist "Dokument der Zeitgeschichte"
Das Bild des toten Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi war zulässig, meint der Deutsche Presserat. Auch Beschwerden gegen ein weiteres Foto von toten Flüchtlingen weist das Gremium als "unbegründet" zurück.
Wer das Bild des toten Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi am Strand von Bodrum gesehen hat, wird es wohl nie wieder vergessen. Zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften hatten das Foto des Dreijährigen, der am 2. September zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder bei der Flucht im Mittelmeer ertrunken war, gedruckt - und damit auch Diskussionen darüber ausgelöst, ob solche Bilder zur Veranschaulichung des Flüchtlingsthemas gezeigt werden dürfen. Ja, urteilte jetzt der Deutsche Presserat, denn das Foto sei ein „Dokument der Zeitgeschichte“.
Bild stehe „symbolisch für das Leid und die Gefahren"
Das Bild stehe „symbolisch für das Leid und die Gefahren, denen sich die Flüchtlinge auf ihrem beschwerlichen Weg nach Europa aussetzen“, teilten die Mitglieder des Beschwerdeausschusses am Donnerstag mit. Die Dokumentation der schrecklichen Folgen von Kriegen, der Gefahren des Schlepperwesens und der Überfahrt nach Europa begründe ein öffentliches Interesse.
Die Aufnahmen des Kindes seien „nicht unangemessen sensationell und nicht entwürdigend“. Das Gesicht des Kindes sei nicht direkt zu erkennen. „Seine Persönlichkeitsrechte werden nicht verletzt“, so der Presserat, der die 19 Beschwerden, die wegen der Veröffentlichung des Bildes eingereicht worden waren, als „unbegründet“ bewertete.
20 Beschwerden gegen das Foto, das erstickte Flüchtlinge zeigt
Ähnlich urteilte der Presserat über die 20 Beschwerden gegen ein Foto, das tote Flüchtlinge in einem Lastwagen gezeigt hatte und von verschiedene Boulevardzeitungen veröffentlicht worden war. 71 Menschen waren in einem von Schleppern gefahrenen Lastwagen erstickt.
Aus Sicht des Ausschusses handelt es sich hier um die Berichterstattung über „ein schweres Verbrechen“. Hieran besteht ein öffentliches Interesse. Die Redaktion dokumentiert mit dem Foto nach Meinung des Ausschusses die „schreckliche Realität, ohne die abgebildeten Menschen zu entwürdigen“.
Kurz nach der Veröffentlichung der Fotos von Aylan Kurdi hatte sich der Vater, Abdullah Kurdi, zustimmend geäußert: "Es war richtig, dass die Medien das Foto gezeigt haben. Die Menschen dürfen nicht wegsehen, was schreckliches passiert auf dem Weg nach Europa, nur weil man uns vorher kein Visum geben will. Jedes Mal, wenn ich wieder höre, dass ein Boot untergegangen ist, fange ich an zu weinen", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Das Foto war am Morgen des 2. September von der türkischen Fotojournalistin Nilüfer Demir am Strand im türkischen Bodrum gemacht worden. Die aus Syrien stammende Familie hatte versucht, von der Türkei auf die griechische Insel Kos zu fliehen.