Neue RBB-Moderatorin: Eva-Maria Lemke vor erstem "Abendschau"-Einsatz
Eva-Maria Lemke bringt bei der „Abendschau“, die im September 60 Jahre alt wird, die Erfahrungen des jungen Nachrichtenformats „heute+“ ein.
Viele andere wären unruhig geworden. Nicht so Eva-Maria Lemke. Nach einem einstündigen Pressegespräch im „Einstein“ Unter den Linden verlässt sie ganz locker das Café und geht zum Fahrradständer. Obwohl das Rad nicht abgeschlossen ist – sie hatte das Schloss nicht dabei –, steht es noch da. Selbst wenn man seine Räder nur noch auf dem Trödel kauft, braucht es für diese Haltung eine sehr positive Lebenseinstellung. Und genau die scheint die neue Moderatorin der RBB-„Abendschau“ zu haben.
Am Montag hat Eva-Maria Lemke ihren ersten Einsatz in der mit durchschnittlich 280 000 Zuschauern reichweitenstärksten Sendung des Rundfunk Berlin-Brandenburg, wo sie das Moderatorenteam von Cathrin Böhme und Sascha Hingst - der zudem das ARD-"Mittagsmagazin moderiert - ergänzt. Moderationen auch unter schwierigen Bedingungen hat die 35-Jährige schon einige hinter sich, dennoch wird es ein Sprung ins kalte Wasser. Zwar gab es eine Stellprobe – mit dem Ergebnis, dass sie mit einer Größe von 172 Zentimetern kein Podest braucht –, aber Probesendungen wurden nicht gemacht. Was die selbstbewusste Journalistin nicht daran hindert, bereits jetzt Vorstellungen zu entwickeln, was an der „alten Dame Abendschau“ verbessert werden könnte.
Aus Mainz bringt die gebürtige Berlinerin ihre Erfahrungen beim jungen Nachrichtenformat „heute+“ des ZDF mit. Seit 2015 ist dieses TV-Labor auf Sendung. Unter Echtzeitbedingungen wird dort ausprobiert wird, wie die Zukunft der News-Formate aussehen könnte. Drei Jahre lange war Lemke zum Moderatorin dieses Magazinformats, das im klassischen linearen Fernsehen zwar erst im Spätprogramm ausgestrahlt wird, aber ohnehin eher darauf ausgelegt ist, ein jüngeres Publikum über die sozialen Netzwerke und die ZDF-Mediathek zu erreichen.
In ständigem Kontakt mit dem Zielpublikum
Eine der Besonderheiten von „heute+“ ist der enge Austausch zwischen Redaktion und Nutzerschaft. „Wir haben die Sendung im Grunde 24 Stunden am Tag präsentiert, nicht nur im Spätprogramm und im Stream, sondern über jeden Tweet, den wir absetzten, über jeden Kommentar, den wir beantworteten“, erzählt Eva-Maria Lemke und betont: „Ich bin aber kein Influencer, der jeden Tag der Welt in drei Tweets mitteilen muss, was er gefrühstückt hat.“
Auf Twitter bringt sie es auf über 20 000 Follower, die Zahl der Facebook-Abonnenten liegt bei über 19 000. Sie gehört zu jener jungen Generation von Medienschaffenden, die sich auch ohne Unterstützung eine Live-Video-App wie Periscope-Zugang auf ihrem Smartphone einrichtet, um Themen aus der Sendung durch zusätzliche Interviews zu ergänzen. Das könnte auch für die „Abendschau“ interessant sein, um zum Beispiel etwas länger über das „Berliner Modell“ zu diskutieren.
Der Journalismus war für Eva-Maria Lemke schon immer der Traumberuf. Sie hat Journalismus und Politikwissenschaft studiert. Zu den vielen Stationen gehörten die „Leipziger Volkszeitung“ und Spiegel Online, Deutschlandradio Kultur, MDR Figaro und NDR Kultur sowie „Tagesschau24“, ZDF-„Morgenmagazin“ und eben „heute+“. Eine bewegte, aber auch anstrengende Zeit, nicht zuletzt weil ihr Mann und die inzwischen dreijährige Tochter in Berlin wohnten, während sie hin und her pendelte. „Zurückkommen, um zu bleiben“, so beschreibt sie eine Motivation für den Wechsel von Mainz nach Berlin. Dass sich das RBB-Fernsehen gerade in einer tiefgreifenden Reformphase befindet, kam da gerade recht. „Das neue RBB-Motto ,Bloß nicht langweilen‘ ist für mich nicht bloß eine hohle Phrase, weil ich weiß, wer der Kopf hinter dem Ganzen ist. In meiner Zeit als NDR-Mitarbeiterin gehörte Patricia Schlesinger zu meinem Vorgesetzten. Ich habe sie als sehr couragierte und zupackende Chefin erlebt. Ich wusste, dass sie das mit Leben füllt, was proklamiert wird. Darum war es mir eine Freude, dass wir jetzt zusammengekommen sind – auch weil ich weiß, dass sie mich auch nach meinem damaligen Wechsel zum ZDF weiter im Auge behalten hatte. Als ich dann gefragt wurde, ob ich mir einen Wechsel zum RBB vorstellten konnte, traf das bei mir auf sehr offene Ohren“, sagt sie.
"Ich habe keine Zeit für Langeweile"
Eva-Maria Lemke verjüngt die „Abendschau“ auch durch ihr eigenes Fernseh-Nutzungsverhalten. Genau wie viele Jugendliche und junge Erwachsene ist sie Teil der Generation Streaming, die sich von Video-on-Demand-Diensten und aus den Mediatheken unterhalten lässt. „Ich habe keine Zeit für Langeweile, ich werde schon unruhig, wenn im Fernsehen ein Trailer-Block kommt. Ich will bedarfsgerecht sehen, was ich zu dem Zeitpunkt gerade brauche. Ich habe dieses Fernsehgefühl, wenn um acht der ,Tagesschau‘-Gong ertönt, schon lange verloren“, erklärt sie.
Die Neue im Team der „Abendschau“ – die übrigens im September auf ihr 60-jähriges Bestehen schauen kann – will die Sendung zwar nicht im Alleingang umkrempeln. „Aber als Hauptstadtzentralorgan könnte sie noch etwas mehr Wind unter die Flügel bekommen.“ So wünscht sich Lemke unter anderem eine andere Erzählweise für die Beiträge: Persönliche Dinge sollten emotional erzählt werden, ohne aus allem eine Human-Interest-Geschichte zu machen. Zudem könnte es den Beiträgen guttun, wenn man eine klare Haltung hat und von den Verlautbarungen wegkommt.
Berlin ist für Eva-Maria Lemke die Stadt, von der sie am meisten weiß. Und die einzige Stadt in Deutschland, in der sie sich wirklich vorstellen kann zu leben. „Ich bin eine richtige Berlinerin. Ich mag’s gern schnell und brauch ein gewisses Tempo. Ich bin jemand, der auf dem Fußgängerweg schon mal überholt. Und ich mag die Alt-Berliner Art, so wie bei meinem Hausmeister, wenn er sagt: ,Frau Lemke, ich komm wegen die Leiter‘. Dann könnte ich ihn küssen“, gerät sie ins Schwärmen.
Sie wurde auch schon gefragt, ob sie eine besondere Verabschiedung habe. So wie Hans Werner Kock mit seinem „Macht’s jut, Nachbarn“. Eva-Maria Lemke will sich nicht auf eine Formel festlegen, „weil jeder Tag etwas anders ist“. Bei „heute+“ ging es auch dabei etwas hemdsärmeliger zu. „Tach zusammen“ oder „Tach auch“, hieß es dort. „Dieses Lakonische möchte ich gerne beibehalten, aber das Ankumpeln muss ich mir hier wohl erst mal verdienen“, weiß sie.