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Schlusspfiff, aber einen Wunsch hätte Sabine Töpperwien noch: ein Bundesligaspiel des 1. FC Köln gegen Bayern zu kommentieren – und das bei vollem Stadion. Foto: Dirk Born/WDR
© WDR/Dirk Borm

Reporter-Pionierin Sabine Töpperwien hört auf: „Es war ein steiniger Weg“

Mehr als 700 Fußballspiele hat Sabine Töpperwien kommentiert. Jetzt verabschiedet sie sich aus gesundheitlichen Gründen.

Es wird bestimmt die Stimme sein, genauer die Stimmbänder, die Sabine Töpperwien in den vorzeitigen Ruhestand zwingen. Denn wenn die Reporterin Spiele der Bundesliga für den WDR-Hörfunk kommentiert, dann ist sie mit Leidenschaft, Furor und Lautstärke dabei.

Tatsächlich sind es andere gesundheitliche Gründe, die zu ihrem Abschied am Monatsende führen (bis dahin wird sie nicht mehr kommentieren): „Ich bin nun 60 und habe seit knapp einem Jahr chronische Schmerzen in den Nerven und Sehnen beider Arme“, sagte sie. Das sei eine Folge der immer mehr gewordenen Computerarbeit, die mittlerweile 80 Prozent des Tagesgeschäfts ausmache „und nicht mehr von mir zu leisten ist. Mit halbem Dampf arbeiten – das will ich nicht.“

Und das kann man sich bei dieser Journalistin auch gar nicht vorstellen. Wie sonst auch wäre Sabine Töpperwien die erste Frau gewesen, die live über ein Frauen-Fußballspiel berichtet hat? 700 Partien sollten es in mehr als drei Jahrzehnten dann werden, 600 allein aus der Bundesliga, auch Champions League, darunter das Finale von Borussia Dortmund gegen Bayern, oder Europa- und Weltmeisterschaften fehlen nicht.

Was heute eine Selbstverständlichkeit ist – eine Frau kommentiert (Männer-)Fußball –, war damals eine Sensation. Mit entsprechenden Reaktionen, nicht nur der männlichen Hörer, sondern auch der Aktiven. „Otto Rehhagel entgegnete mir mal, ich hätte noch nie den Schweiß einer Kabine gerochen. Und Christoph Daum riet mir, lieber mal meinen Bruder zu schicken“, erinnert sich Töpperwien. Frauen hätten es lange Zeit viel, viel schwerer gehabt im Reportergeschäft. Und beim WDR sollte sie besser über rhythmische Sportgymnastik berichten, urteilten die damaligen Chefs.

Aber ihr Bruder Rolf, 70 und gestandener Fußballreporter des ZDF, hatte sie auf „das Experiment im Haifischbecken“ gut vorbereitet. Jedes Wort werde auf die Goldwaage gelegt. Sabine Töpperwien war gewarnt, umso entschlossener hat sie sich auf dem „Heiligen Stuhl des Fußball-Reporters“ behauptet. Den Schweiß der Kabine hat sie auch gerochen. Von 1980 an spielte sie für den ASC Göttingen mehrere Jahre in der 2. Bundesliga.

Dazu Olympia, Eiskunstlauf und Tischtennis

Sabine Töpperwien hat für den Westdeutschen Rundfunk in Köln nicht nur Profifußball kommentiert. Neben diesem Sport hat sie über zwölf olympische Spiele, auch über Eiskunstlauf und Tischtennis berichtet. Von 2001 an leitete sie die WDR-Sportredaktion Hörfunk. Sie etablierte unter anderem das Format „WDR2 Liga Live“. Dafür wurden sie und ihr Team 2010 mit dem Deutschen Radiopreis für das beste Format ausgezeichnet. Seit 2019 leitet sie gemeinsam mit vier Kollegen den crossmedialen Sportcampus im WDR. Das klingt nach nicht wenig Bürokratie und Sabine Töpperwien dürfte nicht unglücklich gewesen sein, wenn sie am Wochenende in die Bundesligastadien flüchten konnte. Sie sagt, sie sei „einfach dankbar, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte“. Und sehr glücklich sei sie darüber, dass sie 31 Jahre lang ihren Traum beim WDR leben durfte. „Eine neue Ära im crossmedialen Sportcampus zu kreieren, war eine große Herausforderung. Jetzt ist auch diese Mission erfüllt.“ Die Journalistin scheint mit sich im Reinen zu sein.

„Sabine Töpperwien ist eine Pionierin und eine lebende Legende der deutschen Sportberichterstattung“, so rühmte WDR-Intendant Tom Buhrow die Journalistin. Er werde ihre markante Stimme, ihre leidenschaftlichen Fußball-Kommentare und ihre ausgezeichnete Sport-Kompetenz sehr vermissen.

Bei Twitter schrieb ein Nutzer: „Fußball im Radio, das ist Kino im Kopf. Nah dran sein, mitgehen, mit leiden. So wie Sabine Töpperwien. Teil meiner Kindheit und Jugend. Eine Frau, die Fußball kommentiert. Völlig normal.“

Das ist es, was Sabine Töpperwien mit ihrer als Leidenschaft ummantelten Hartnäckigkeit geschafft hat: zu zeigen und zu beweisen, dass Frauen Fußball, insbesondere Männerfußball kompetent kommentieren können. Für manche Hörer ist das immer noch unverständlich, ja unerhört, wie Äußerungen nach einer Reportage von Töpperwien in der Bundesligakonferenz oder von Claudia Neumann im ZDF belegen. „Es war ein steiniger Weg, das zu ändern“, lautet das Resümee von Sabine Töpperwien. Aber sie ist ihn gegangen. Respekt.

Joachim Huber

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