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Gespräche unter Freunden: Im Podcast von Sarah Kuttner und Stefan Niggemeier (Foto links) geht es um Fernsehen, bei Olli Schulz (rechtes Bild links) und Jan Böhmermann um Gott und die Welt.
© Promo

Neue Podcasts: Es gilt das gesprochene Wort

Podcasts wie „Das kleine Fernsehballett“ erleben derzeit eine Renaissance. Die unterschiedlichsten Anbieter basteln an neuen Formaten.

Über Fernsehen lässt sich immer reden. Selbst diejenigen, die es verschmähen, haben eine Meinung dazu oder schauen sich ihre Lieblingsserien per Streaming an. Das dachten sich offenbar auch Sarah Kuttner und Stefan Niggemeier, die an diesem Dienstag beim Musikstreamingdienst Deezer ihren Podcast „Das kleine Fernsehballett“ gestartet haben. Gut eine Dreiviertelstunde unterhalten sich die Radio- und TV-Moderatorin und der Medienjournalist in der Premierensendung über „You Are Wanted“ von Amazon Prime, das Dschungel-Spezial des „Promi-Dinners“ auf Vox und Sarah Kuttners absolute Lieblingsserie „Friends“.

Mit Kuttner und Niggemeier tritt Deezer nun auch bei Podcasts in direkte Konkurrenz zum schwedischen Musikstreamingdienst Spotify. Dort starteten im Mai 2016 Jan Böhmermann und Olli Schulz ihren Podcast „Fest & Flauschig“ als Nachfolger der Radio-Eins-Sendung „Sanft & Sorgfältig“. Das Neue an der Spotify-Variante der Plauderstunde war nicht zuletzt, dass ein Podcast zum Unterscheidungskriterium zweier rivalisierender Streamingdienste wurde.

„Einen Podcast zu hören, ist immer eine bewusste Entscheidung. Man hört ihn nicht zufällig, weil das Radio gerade eingeschaltet ist“, sagt Daniel Nikolaou. Er ist bei Spotify für den Bereich Podcast Partnerships & Development zuständig. Eine weitere Besonderheit der Audioshows ist für ihn der „mobile Faktor“. Wer einen Podcast abonniert hat und auf sein Smartphone herunterlädt oder einen Musikstreamingdienst nutzt, hat die Sendung auch unterwegs immer dabei.

Lokale Produktionen befeuern das Podcast-Revival

Das Revival der Podcasts steht nach Expertenschätzung erst am Anfang. „Die Renaissance wurde erst möglich, weil es erst jetzt so viele lokale Produktionen gibt“, sagt Richard Wernicke, der bei Deezer die redaktionellen Inhalte verantwortet. Für die Musikstreamingdienste sei das Format wie gemacht, da die Podcasts auf Abruf zur Verfügung stehen. Neben dem „Fernsehballett“ läuft derzeit bei Deezer als Eigenproduktion der Fußball-Podcast „11 Freunde – Matchday“ mit Philipp Köster und Benjamin Kuhlhoff. Bis zum Jahresende will Deezer die Zahl der eigenen Podcasts auf zehn steigern, darunter ein Krimi-Format. Zudem soll den Hörern „snackable Content“ angeboten werden, also zum Beispiel kurze Wissenschaftsformate. Auch Spotify will den Podcast-Bereich mit eigenen Produktionen ausbauen, wenn auch offenbar nicht ganz so stark wie der Konkurrent. Zur Förderung der Podcast-Szene hat Spotify mit dem Bayerischen Rundfunk kooperiert, der mit dem Wettbewerb „Call for Podcasts“ neue „unerhörte“ Podcast-Ideen sucht. Aus über 600 Einreichungen wurden von einer Jury zehn Gewinnerkonzepte ausgewählt. Deren Macher erhielten eine finanzielle Förderung, um eine Pilotfolge zu produzieren. Die fertigen Folgen werden von BR und Spotify veröffentlicht. Mit dabei der Podcast „Froh und flüssig – Der Podcast über Geld und gutes Leben“, der Mut machen soll, die eigenen Finanzen selbst zu regeln, und „Banana Republic“ über das Aufwachsen und Leben im Osten der Republik.

Verena Keysers vom RBB-Kulturradio will den Begriff Renaissance nicht überstrapazieren. Der öffentlich-rechtliche Sender stelle jedoch fest, dass der Podcast-Hörmarkt seit vielen Jahren kontinuierlich wächst. Der Radio-Eins-Podcast „Die blaue Stunde“ mit Serdar Somuncu landet regelmäßig in den Top Ten von iTunes, und die Radio-„Tatorte“ der ARD sind auch als Podcast außerordentlich erfolgreich. Daneben gibt es Produktionen, die genuin als Podcast, also unabhängig vom Radio, entwickelt werden. Zu den besonders erfolgreichen Arbeiten gehört „Wer hat Burak erschossen? Die Recherche eines Mordfalls“, aber auch „Bilals Weg in den Terror“ zu Jahresbeginn. Im weiteren Jahresverlauf soll „Thadeusz und die Visionäre“ starten, ein Wissenschaftsformat, in dem Jörg Thadeusz Wissenschaftler der Region interviewt. Die Fünfminutenbeiträge im Radio werden durch ausführliche und besonders bearbeitete Podcasts ergänzt.

Gespräche unter Kollegen

Podcasts werden inzwischen verstärkt auch von Medien angeboten, die nicht zu den klassischen Rundfunkunternehmen gehören. International gehören dazu das „Wall Street Journal“ und die „Financial Times“, in Deutschland startet „Spiegel Online“ an diesem Donnerstag den Podcast „Stimmenfang“. Das Politikformat soll hintergründige Reportagen und Analysen zu den anstehenden Wahlen liefern, eine Besonderheit sind die dazugehörigen Kollegengespräche.

Quasi ein Kollegengespräch ist auch der Podcast von Sarah Kuttner und Stefan Niggemeier. Am nächsten Dienstag haben sie Christian Ulmen zu Gast. Es kann sich also lohnen, zuvor ein paar Folgen der Comedy-Serie „Jerks“ zu schauen.

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