zum Hauptinhalt
Herausgefordert. Der Wiener Kommissar Gedeon Winter muss einen Psychopathen an der deutsch-österreichischen Grenze stoppen. Aber ist er nicht selber einer? Der Burgtheater-Schauspieler Nicholas Ofczarek, 47, als Grenzgänger in der Sky-Serie "Der Pass".
© Sky

Interview mit Nicholas Ofczarek: „Es geht Richtung Helden-Status“

„Der Pass“: Nicholas Ofczarek, Lieblingsbösewicht der Deutschen, spielt Wiener Kommissar in der Sky-Serie

Herr Ofczarek, in der neuen Sky-Serie „Der Pass“ spielen Sie den Wiener Kommissar Gedeon Winter. Ein abgerissener, drogenabhängiger Polizist im Ludenmantel mit Pelzbesatz, der sich mit dem Verbrechen eingelassen hat und mit seiner deutschen Kollegin einen Psychopathen fassen muss. Eine Nicholas-Ofczarek-Rolle?

Was auch immer eine Nicholas-Ofczarek-Rolle sein soll. Dieser Gedeon Winter ist ein Mensch mit einer Vielzahl von Problemen und Abgründen. Das macht ihn für den Schauspieler und für den Zuschauer zu einer interessanten Figur – die aber eine Entwicklung durchmacht. Was will er sich denn wegschnupfen, was will er nicht mehr sehen, nicht mehr spüren? Wir haben es mit einem desillusionierten Menschen zu tun, der begriffen hat, dass sein Tun nichts bewirken kann. Der Winter räumt halt immer nur auf.

Die eigentliche Hauptrolle im „Pass“ gehört dem „missionsgeleiteten“ Mörder.
Es sind drei Hauptrollen: Serienmörder, Kommissarin, Kommissar. Und weil der Mörder ein Serienmörder ist, bekommt der Winter endlich seine Chance: Bei jedem anderen Mord kam er immer zu spät, hier kann er jetzt dem nächsten Mord zuvorkommen. Auf der anderen Seite hat die deutsche Kommissarin, gespielt von der herrlichen Julia Jentsch, noch Visionen, sie steht ja am Anfang ihres Berufes. Da treffen sich also zwei Welten, da drehen sich noch einige Dinge. Wäre aber auch langweilig, wenn beide Figuren über acht Folgen statisch blieben.

Drei psychologische Stränge

Hat Sie mehr die Geschichte gereizt oder die Rolle?
Beides hat gereizt, und vor allem: Der Zuschauer folgt drei psychologischen Strängen, dem Strang der Kommissarin, dem des Kommissars und dem Strang des Killers. Die werden wie in einer Waschtrommel immer mehr zusammengewürfelt. Dann wollte ich bei so einem Erstling dabei sein, „Der Pass“ ist ja eine der ersten Eigenproduktionen von Sky. Bei den Streamingdiensten wird etwas riskiert, mehr als in jedem anderen Fernseh- und Filmbusiness.

Unterlaufe ich die besondere Qualität vom „Pass“, wenn ich behaupte, das sei schlicht eine effektgeladene Thrillerserie, in der ein Psychopath zur Strecke gebracht wird?
Schauen wir mal. Das hat viel vom Drama, ist mehr als ein Polizeifilm. Ein Thriller mit starker psychologischer Unterfütterung.

Sie hätten auch den Psychopathen spielen wollen?
Gern. Aber ich habe schon einige gespielt – die haben ja einen Freibrief. Man muss nicht so viel spüren, man muss nicht der Situation angemessen agieren und reagieren. Das ist wundervoll, deshalb faszinieren uns solche Figuren so sehr.

Schleppt Nicholas Ofczarek Anteile von der Figur Gedeon Winter mit sich?
Wahrscheinlich. Jeder hat seine unaufgelösten Biografien in sich. Es ist eben interessant, einen Charakter über acht Folgen zu zeigen. Winter stagniert nicht, es geht Richtung Heldenstatus.

„Der Pass“ wirft auch einen Blick auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Österreichern. Welcher Blickwinkel ist gewählt worden?
Sie ist deutsche Staatsangehörige, er ist österreichischer Staatsangehöriger, zumal Wiener, was noch mal ein andere Sorte Österreicher ist. Wichtiger ist: Ellie Stocker steht am Anfang und hat eine Vision, er steht am Ende, visionslos. Zur Verschärfung der Situation kommen sie aus verschiedenen Kulturkreisen. Nun hat der Wiener einen Minderwertigkeitskomplex, also versucht er, sehr läppisch, sich über den Deutschen zu erheben. Dem Deutschen fällt das – und das ist das Problem – nicht mal auf. Das wiederum macht den Österreicher unrund. Dieses Klischee, diese Klischees sind bei jeder Produktion eine riesige Falle. Wenn du das auswalzt, nimmt es der Zuschauer krumm. Außerdem lenkt es bei zu großer Betonung vom Fall ab. Ein Momentchen kannst du das machen, aber erzählen darfst du die Geschichte darüber nicht.

Sie sind sehr präsent im deutschen Fernsehen, als Mörder, siehe „Tatort: Die Geschichte vom bösen Friedrich“, als Alkoholiker, als Loser. Passt Ihnen die Bezeichnung „Lieblingsbösewicht der Deutschen“?
Habe ich noch nie gehört. Ich könnte auch einen Sunny Boy spielen, müsste 20 Kilo abnehmen, geht aber auch so. Nein, ich möchte Vielfalt. Natürlich klingt „Lieblingsbösewicht der Deutschen“ toll. Ich werde es mit Stolz nach Wien zurückbringen. Was stimmt: Ich bin nicht der Lieblingsschwiegersohn im Fernsehen.

Trauen sich die Österreicher, speziell die Wiener viel mehr als die Deutschen im Fernsehen?
Man sagt es. Wir sind mit zehn Millionen zehnmal weniger Österreicher, als es Deutsche gibt. In Österreich gibt es keinen Markt, es wird kein wirkliches Geld verdient – da kannst du dich mehr trauen.

Habe alles: Netflix, Amazon, Sky

Trauen Sie sich selbst auch mehr als Zuschauer?
Ich habe alles: Netflix, Amazon, Sky, die ganzen Satellitensender. Bin aber überfordert, bei den Serien wie bei den herausragenden Dokumentationen. Ich habe jeden Überblick verloren, ich orientiere mich an der Mundpropaganda, an der Empfehlung.

Sie sind seit 24 Jahren am Burgtheater, Sie dürfen sich „Kammerschauspieler“ nennen. Wer ist man dann – als Kammerschauspieler in Wien?
Nichts, es ändert sich nichts. Es ist ein Ehrentitel, den der Bundespräsident auf Vorschlag der Burgtheaterdirektion oder des Betriebsrates verleiht. Früher stand der Titel noch an der Garderobe und im Programmheft. Claus Peymann hat alles abgeschafft. Meine Garderobieren haben mir ein Schild gemacht mit „Kammerschauspieler“. Manchmal bitte ich sie, das Schild an meiner Tür aufzuhängen – um andere Kollegen zu ärgern.

Das schmeichelt aber schon, oder?
Natürlich, das würde Ihnen doch auch schmeicheln. Ich habe als Kind viel Sport gemacht, aber nie etwas gewonnen. Dann diese Ehrung und diese Urkunde – schön.

Warten Sie auf den Anruf: Herr Ofczarek, wollen Sie nicht den Ferdinand Krutzler in der Verfilmung des David-Schalko-Romans „Schwere Knochen“ spielen?
Ja, würde ich sofort machen. Schalko hat den Roman ja ein bisschen auf mich zugeschrieben.

Das Interview führte Joachim Huber.

„Der Pass“, ab Freitag um 20 Uhr 15 in Doppelfolgen auf Sky 1; alle Folgen über Sky Ticket und Sky Go verfügbar.

Zur Startseite