Erotikmagazine für Frauen: „Erotik gibt’s nur für Männer“
Die deutschen Printmedien setzen auf Sex: Zig Interviews und Titelseiten beschäftigen sich derzeit mit dem Thema Lust und Leidenschaft. Doch wehe, Frau sucht ein Erotikmagazin.
Die deutschen Printmedien haben den Sex entdeckt. Es ist nicht das erste Mal für sie, und doch: Derzeit schwappt eine besonders starke Erotikwelle durch die Drucklandschaft. Aus dem „Spiegel“ lernte der Leser vor einigen Ausgaben, dass Frauen durchaus Spaß an Liebe auf Gefriertruhen haben können. Die deutsche „Wired“ besuchte Carry-Bradshaw-Nachfolgerin Karley Sciortino in New York. Den Titel von „Geo Kompakt“ ziert ein nacktes Paar samt der Schlagzeile: „ Sex – wie verborgene Kräfte unser Verlangen steuern“. Sexualwissenschaftler werden derzeit vor jeden Notizblock gezerrt, das „Zeit Magazin Online“ führte ebenso wie „FAS“-Autorin Julia Haas kürzlich ein Gespräch mit dem buchschreibenden Paartherapeuten Ulrich Clement. Probleme, mehr oder minder bekannt: „Wie ist es um das Sexleben der Deutschen bestellt?“ und: „Wird Sex in unserer Gesellschaft über- oder unterbewertet?“ Antwort: Man werfe einen schamlosen Blick auf die Printagenda.
"Was haben Sie an Erotik für Frauen da?" - "Mich!"
Die „seriösen Medien“ kümmern sich also gerade um Erotik und Sexualität. Sieht man genauer hin, geht es vor allem um die Sexualität der Frau. Es darf daran erinnert werden, dass ein gewisser Oswalt Kolle bereits 1969 den filmischen Aufreger und Kassenschlager „Deine Frau, das unbekannte Wesen“ produziert hat. Seitdem sollte sich einiges getan haben; allein: Die Frau ist irgendwie im Status des unbekannten Wesens verblieben.
Und so müht sich der Print um Aufklärung. Männer – und auch Frauen – sollen sich schlau machen; in „Spiegel“, „Geo“ und Konsorten. Wer nun aber als heterosexuelle Frau auf die Idee käme, ein Erotikmagazin für heterosexuelle Frauen lesen zu wollen, sei gewarnt: Das wiederum ist ein mühsames Unterfangen.
„Guten Tag, was haben Sie denn an Erotik für Frauen da?“ Es gibt Verkäufer, die sich über diese Frage derart freuen, dass sie „Mich!“ rufen. Es gibt Verkäufer, die Auskunft geben: „Erotik gibt’s nur für Männer.“ Es gibt Verkäufer, die ein, zwei Hefte heraussuchen, um zu kapitulieren: „Ach so, für Heteros? Nee, ham wa nich“.
Nein, keine Angst: Es gibt natürlich Erotikmagazine für Frauen. Viele sind es aber nicht, und wenn, finden sie sich im Zeitschriftenregal an den kuriosesten Orten. Manchmal neben den Grillmagazinen. Manchmal neben den Hochzeitsplanern. Wobei das immerhin die Frage nach dem Sex vor der Ehe beantworten dürfte.
Die meisten Abonnenten sind vom Land und lassen schicken - blickdicht
In den meisten gut sortierten Kiosken findet sich derzeit aber „Separée“, gegründet von Ute Gliwa und Janina Gatzky. In einer „Weinlaune“ stellten die beiden Frauen fest, dass Bedarf und Marktabdeckung in Sachen blätterbarer Erotik für die Frau doch weit auseinanderdriften. Gatzky vermisste das „Feigenblatt“, eine Erotikzeitschrift, die sie regelmäßig las und die mittlerweile eingestellt ist. Die beiden Frauen beschlossen: „Dann machen wir’s eben selbst!“
Während es andere Erotikmagazine für Frauen eher schwer auf dem Markt haben – die österreichische „Reizvoll“ wurde nach nur einer Ausgabe eingestellt, das „Pornoheft für Mädchen“ namens „Jungsheft“ gibt es nur auf Bestellung – kann man „Separée“ durchaus eine Erfolgsgeschichte nennen. Die Auflage beträgt 20 000 Stück, rund die Hälfte wird verkauft. Dabei sind Gliwa und Gatzky erst bei Ausgabe fünf. Gliwa sagt: „Die Nachfrage ist da. Wir bekommen viele Zuschriften von Frauen, die berichten, sie hätten bisher gar nicht bemerkt, dass ihnen so etwas wie ,Separée’ gefehlt hat.“
Das Magazin gibt es zwar am Kiosk, doch die meisten Käufer lassen schicken. Im blickdichten Umschlag. „Viele Abonnenten sind vom Dorf, legen Wert auf Diskretion“, sagt Gliwa. Und das, obwohl die Titelseiten von „Separée“ alles andere als Porno sind. Das erotischste Bundesland, gemessen an Abozahlen? „Sachsen“, sagt Gliwa. „Und Bayern. Der Norden taut auch auf; da hatten wir bisher kaum Abonnenten, nicht mal in Hamburg.“
Auftauen könnte auch den Männern nicht schaden, die „Separée“ für seine erotischen Fotostrecken braucht. So gern sich die Herren selbst spärlich bekleidete Frauen ansehen – umgekehrt ist das ein Problem. „Für eine Frau gilt es ja schon fast als Ehre, im ,Playboy’ zu sein“, sagt Gliwa. „Männer schämen sich, auch wenn es gar keinen Grund dafür gibt.“ Ein Model zog sein Einverständnis zurück, als die Fotos schon fertig waren. Gliwa diagnostiziert Deutschland also „einiges an erotischem Nachholbedarf“.
Es gibt ja ein Sprichwort, das besagt, dass diejenigen, die besonders viel über Sex sprechen, am wenigsten davon haben. Hoffen wir, dass das nicht auf den deutschen Journalismus zutrifft.
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