G20-Verbot für Journalisten: Entzug der Akkreditierung wegen falscher BKA-Daten
"Mehr Vorsicht wahren, wenn Journalisten als kriminell bezeichnet werden": Fehlerhafte BKA-Dateien führten offenbar zu G20-Verbot für Journalisten.
Der Entzug der Akkreditierungen für Journalisten beim G20-Gipfel in Hamburg wird immer dubioser. Er beruht nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios teilweise auf fehlerhaften oder rechtswidrigen Daten. Der Sender berief sich am Wochenende auf Auskünfte, die mehrere betroffene Medienvertreter vom Bundeskriminalamt (BKA) erhalten hätten. Es gebe auch neue Hinweise darauf, dass Dateieinträge in einem Fall auf Informationen türkischer Behörden zurückgingen. Inzwischen hat sich der Deutsche Journalisten-Verband gegen dieses Prozedere gewandt.
Insgesamt 32 Journalisten waren nach Beginn des Gipfeltreffens in Hamburg Anfang Juli von der Berichterstattung vor Ort ausgeschlossen worden, obwohl sie zuvor Akkreditierungen erhalten hatten. Mehrere von ihnen klagten anschließend gegen die Entscheidung des Bundespresseamts, das sich auf Einschätzungen der Sicherheitsbehörden berufen hatte.
Dem ARD-Bericht zufolge wurde ein Fotograf in den Dateien „politisch motivierte Kriminalität“, „Gewalttäter links“ sowie „Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte“ gespeichert, obwohl ein Gericht ihn zuvor von diesbezüglichen Vorwürfen „aus tatsächlichen Gründen“ freigesprochen hatte. Die Einträge seien daher rechtswidrig gewesen. In einem weiteren Fall sei es um eine Beteiligung an gewaltfreien Aktionen der Umweltorganisation Robin Wood vor zehn Jahren gegangen. Auch hier hätten die Daten längst gelöscht werden müssen.
Ein weiterer, vom BKA vorgenommener Eintrag ging laut ARD auf Vorwürfe türkischer Behörden im Zusammenhang mit der vorübergehenden Festnahme eines Journalisten im südtürkischen Diyarbakir zurück. Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar forderte Auskunft darüber, wie dieser Eintrag zustande kam, zumal vom BKA selbst eingeräumt worden sei, dass dem Journalisten „kein strafbares Handeln nachgewiesen werden konnte“.
Auch die Transparenz gegenüber dem Auskunftsinteresse von Bürgern müsse besser werden
Der frühere Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem hat das Vorgehen des BKA scharf kritisiert. Er wertete es in der ARD als „skandalös“, dass Informationen in Dateien zum Anlass von Maßnahmen gegenüber Journalisten genommen würden, „wenn es nicht einmal irgendeine strafrechtliche Verurteilung in dem Zusammenhang gegeben hat“. Auch gelte es, mehr Vorsicht zu wahren, „wenn Journalisten als kriminell bezeichnet oder sogar der politisch motivierten Kriminalität bezichtigt werden“.
Hoffmann-Riem wies darauf hin, dass die Probleme mit den Dateien neben Journalisten auch andere Bürger betreffen würden, da diese zum Beispiel bei Freisprüchen vor Gericht nicht automatisch aktualisiert würden. Auch die Transparenz gegenüber dem Auskunftsinteresse von Bürgern müsse besser werden.
Das BKA verwies nach einer Tagesspiegel-Anfrage am Montag auf die Regierungspressekonferenz beziehungsweise auf das Bundesministerium des Innern (BMI). „Wir wissen inzwischen, dass es bedauerlicherweise zum Teil zu Unrecht Akkreditierungsentzüge gegeben hat“, sagte ein BMI-Sprecher. „Das darf nicht passieren, und es bedarf in jedem Einzelfall einer Entschuldigung, und es hat in einem Fall auch schon eine Entschuldigung gegeben.“ Die Aufarbeitung sei noch im Gange. Schon jetzt zeichne sich aber ab, dass es an einigen Stellen Verbesserungsbedarf gibt. „Sowohl in puncto Datenqualität als auch in Sachen zügige Bescheidung Betroffener sehen wir definitiv Weiterentwicklungsbedarf.“
Dabei hat das BKA laut „taz“-Bericht offenbar noch mehr Fehler bei seiner Schwarzen Liste gemacht. Das zeigen Entschuldigungsschreiben der Behörde an die jeweiligen Journalisten. Der Berliner Fotograf Florian Boillot blieb trotz Freispruchs bei einem Verfahren gespeichert, NDR-Reporter Christian Wolf wurde mit einem Reichsbürger verwechselt.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat indes den Innenausschuss des Deutschen Bundestags aufgefordert, sich mit den Einträgen über Journalisten in der Datei „politisch motivierte Kriminalität“ des BKA zu befassen. Bundesvorsitzender Frank Überall nannte es „skandalös, dass offenbar der Einsatz von Journalisten bei der Berichterstattung über gewaltsame Ausschreitungen zu einem Eintrag in der Kriminellendatei des BKA führt“. In keinem einzigen Fall seien die Kollegen straffällig geworden. Journalisten mit Straftätern in einen Topf zu werfen entbehre jeder Grundlage. (mit AFP)