G20-Gipfel: Journalisten auf "schwarzer Liste" geführt
Während des G20-Gipfels hat die Bundesregierung Journalisten die Akkreditierung entzogen. Ein ARD-Bericht vermutet einen ausländischen Geheimdienst dahinter.
Einem Bericht des ARD-Hauptstadtstudios vom Dienstag zufolge hatten Bereitschaftspolizisten bei dem Gipfeltreffen am Wochenende in Hamburg Kopien einer schwarzen Liste mit den Namen von nachträglich gesperrten Journalisten in der Hand. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar und die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, wollen den Vorgang untersuchen. Das Bundespresseamt, das die Presseakkreditierungen ausgestellt hat, und das für die Sicherheitsüberprüfungen zuständige Bundeskriminalamt seien zu Stellungnahmen aufgefordert worden.
Wie das Bundeskriminalamt (BKA) am Dienstagabend mitteilte, lagen zum Zeitpunkt der Akkreditierung für einige Journalisten Staatsschutzerkenntnisse deutscher Sicherheitsbehörden vor: BKA und Bundespresseamt hätten „in Abwägung zwischen dem hohen Gut der Pressefreiheit und der zu gewährleistenden Sicherheit der Gipfelteilnehmer“ entschieden, diesen Personen zunächst eine Akkreditierung zu erteilen. Doch „gewichtige zusätzliche sicherheitsrelevante Erkenntnisse und die Gesamtbeurteilung der aktuellen Entwicklungen der Gipfelsituation“ hätten dann zu einer Neubewertung geführt - mit dem Ergebnis, in 32 Fällen die Akkreditierung nachträglich zu entziehen.
Während des G20-Gipfels in Hamburg wurde nach Angaben der Bundesregierung neun Journalisten nachträglich die Presseakkreditierung entzogen. 23 weitere akkreditierte Personen wurden auf einer entsprechenden Liste geführt, kamen aber nicht zum Medienzentrum des Tagungsortes. Der Entzug der Akkreditierungen wurde mit Sicherheitsbedenken begründet. Details zu den Betroffenen und konkreten Gründen wurden nicht genannt.
Fotoreporter von "Weser-Kurier" und "Spiegel Online" betroffen
Von dem Entzug betroffen waren laut ARD-Bericht Fotografen des Bremer „Weser-Kuriers“, von „Spiegel Online“ und der Fotoagentur action press. Zwei von ihnen seien im Oktober 2014 kurzzeitig in der Türkei festgenommen worden, als sie Gefechte an der syrischen Grenze fotografiert hätten. Laut ARD-Bericht nährt dies den Verdacht, dass über den Entzug der Akkreditierungen nach dem Austausch mit ausländischen Nachrichtendiensten entschieden wurde. „Es wäre ungeheuerlich, wenn die Daten über Journalisten an Nachrichtendienste autoritärer Regime übermittelt worden wären“, sagte der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.
Dagegen sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, die Sicherheitsbedenken resultierten ausschließlich aus eigenen Erkenntnissen deutscher Behörden. „Diese Bedenken mussten vom Bundespresseamt ernstgenommen werden und hatten demnach Einfluss auf die bereits erteilten Akkreditierungen. Das Bundespresseamt entschied daher, auf Anraten und in Absprache mit dem Bundeskriminalamt, diesen Personen die Akkreditierung zu entziehen.“
Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Grünen, sagte, „der nachträgliche Entzug von Akkreditierungen beim G20-Gipfel ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der die Pressefreiheit massiv einschränkt“. Die Bundesregierung müsse jetzt genau erklären, „wie es zu der ,schwarzen Liste‘ kam“. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki drohte mit einem Untersuchungsausschuss. Regierungssprecher Seibert teilte über Twitter mit: „Ich kümmere mich intensiv darum, dass alle Fragen zügig beantwortet werden.“ Er fügte hinzu, die Pressefreiheit sei für ihn und sein Amt „ein hohes Gut“.