Serie „Normal People“ auf Starzplay: Eine Liebe, die unter die Haut geht
Herzzerreißend intim: Die Serie „Normal People“ hält sich akribisch an die Romanvorlage von Sally Rooney – und ist fast genauso gut.
Die Geschichte von „Normal People“ ist eigentlich trivial. Zwei irische Teenager verlieben sich, trennen sich, kommen wieder zusammen, haben Sex miteinander und mit anderen und werden zwischendurch erwachsen. Warum sollte man sich diese zwölfteilige Liebesgeschichte zwischen zwei weißen, heterosexuellen Kids angucken, die zwar ab und zu mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, aber sonst eigentlich mit nicht viel anderem?
Weil sie unglaublich gut ist, deshalb. Sally Rooneys zweiter Roman von 2018 war bereits ein riesiger literarischer Erfolg, die deutsche Übersetzung erscheint im August. Rooneys Sprache ist nüchtern und trotzdem poetisch.
Ihre Charaktere sind kompliziert und nicht immer sympathisch, aber man fühlt immer mit ihnen, leidet mit ihnen und erkennt sich selbst in ihnen. Die 29-jährige Irin wird in der Literaturwelt gefeiert als eine der wichtigsten Stimmen der Millennials.
Rooney hat selbst das Drehbuch mitgeschrieben
Die Adaption ihres Romans, die jetzt auf dem Streaming-Kanal Starzplay in Deutschland startet, hält sich akribisch an die Romanvorlage. Rooney hat gemeinsam mit Alice Birch und Mark O’Rowe das Drehbuch geschrieben. Regie bei den ersten sechs der 30-minütigen Episoden führte der irische Regisseur Lenny Abrahamson, der mit seinen Film „Raum“ 2016 für den Oscar nominiert war. Die letzten sechs Episoden übernimmt die englische Regisseurin Hettie Macdonald.
Die Liebesgeschichte beginnt in einer Kleinstadt im Westen Irlands, als Connell seine Mutter von der Arbeit abholt. Die Alleinerziehende ist Putzfrau im Haus von Mariannes wohlhabender Familie. Marianne wird von ihren Mitschülern wegen ihrer sarkastischen Kommentare als arrogant wahrgenommen, Freunde hat sie keine.
Connell ist sportlich und beliebt, obwohl er nicht viel redet. Trotzdem leidet er insgeheim an dem Gefühl, irgendwie nicht „normal“ zu sein. Mit dem charismatischen Paul Mescal und der stoischen Daisy Edgar-Jones sind die Rollen perfekt besetzt. Die beiden sind Newcomer, für den 24-jährigen Mescal ist es die erste Fernsehrolle überhaupt.
Von der Beziehung darf keiner erfahren
Connell und Marianne verbindet eine scharfe Intelligenz und, wie sich bald herausstellen wird, eine extreme körperliche Chemie. Doch erfahren darf von der intimen Beziehung zunächst keiner, Connell will es so. In einer herzzerreißenden Szene erleidet er fast eine Panikattacke, als er denkt, dass seine Freunde sich über ihn und Marianne lustig machen.
Besessen vom Gedanken, nicht mehr beliebt zu sein, lädt er eine andere zum Abschlussball ein und verrät so die einzige Beziehung, die ihn wirklich glücklich macht. Nur, um später festzustellen, dass sowieso alle längst Bescheid wussten über ihn und Marianne – und es niemanden interessiert hat.
Die Klassenunterschiede kreieren Probleme
Genau wie Rooney in ihrem Roman schaffen es die Serienmacher, diese Gefühle nicht als melodramatische Teenager-Probleme abzutun, sondern sie so eindringlich und empathisch zu erzählen, dass man sich selbst zurückversetzt fühlt. Zurück in diese Zeit, in der soziale Akzeptanz das höchste Gut war und die eigene Unsicherheit mit allen Mitteln vor den anderen versteckt werden musste.
Auch die Klassenunterschiede kreieren in der Beziehung zwischen Connell und Marianne immer wieder Probleme. Als beide das renommierten Trinity College in Dublin besuchen, ist Marianne auf einmal in ihrem Element, während das Arbeiterkind Connell sich unter den reichen Kids fehl am Platze fühlt.
Sex spielt eine wichtige Rolle in der Liebesbeziehung und in der Serie. Marianne hat mit Connell ihr erstes Mal, Connell erlebt mit Marianne zum ersten Mal wirkliche Lust. Beide wissen im Bett scheinbar instinktiv, was die andere Person will. „So ist es nie mit anderen Leuten“, dieses Mantra wiederholen Marianne und Connell öfter.
Sexszenen mit Intimitätscoach
Die Sexszenen sind lang und explizit, aber sie wollen nicht schockieren. Die Nacktheit ist vielmehr Zeichen einer gemeinsamen Intimität und Verletzlichkeit. Regisseur Lenny Abrahamson und die Kamerafrau Suzie Lavelle seien von den Fotos Nan Goldins inspiriert gewesen, von ihrer reichen Farbpalette und der beiläufigen Nacktheit in ihren Bildern, erzählten sie der „New York Times“.
Abrahamson war es besonders wichtig, eine vertrauensvolle Stimmung am Set zu schaffen. Er habe Angst gehabt, dass die jungen Schauspieler aus Respekt vor ihm Dinge tun würden, bei denen sie sich eigentlich unwohl fühlen, sagte er der Times. Deswegen heuerte er Ita O’Brien an, die zu den bekanntesten Intimitätscoaches Hollywoods zählt.
Sie war dafür zuständig, dass sich alle beim Dreh der Sexszenen wohl fühlten und regelmäßig Einzelgespräche führte. Seit der MeToo-Bewegung entwickelt sich das Arbeiten mit Intimitätscoaches in Hollywood immer mehr zum Trend – selbst am Set der nicht gerade für Fortschrittlichkeit bekannten James-Bond-Filme werden die Sexszenen inzwischen beaufsichtigt. („Normal People“, ab dem 16. Juli auf Starzplay)