Mehr AfD-Vertreter in den Talkshows?: Ein Thema? Kein Thema!
Die AfD fordert mehr Einladungen in die Talkshows von ARD und ZDF. Was aber will die Ein-Thema-Partei dort? Ein Kommentar.
Mal eine Frage: Wie oft sitzen Vertretreterinnen und Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD) in den Talkshows von ARD und ZDF? Zu oft, werden die Gegner der Rechtspopulisten sagen; zu selten, die AfD-Sympathisanten. Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den Polen, und tatsächlich liegt sie nur dort, wo sie jemand unbedingt sehen möchte.
Nach den bisherigen Zahlen für 2017 saß AfD-Chefin Frauke Petry einmal bei „Hart aber fair“ und die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch am vergangenen Mittwoch bei „Maischberger“. Das war’s und ist eine deutliche Abnahme im Vergleich mit den Vorjahren. „Zapp“, das NDR-Medienmagazin, kam bei einer Auswertung von „Anne Will“, „Hart aber fair“, „Maischberger“ (alle ARD) und „Maybrit Illner (ZDF) im Zeitraum Januar bis November 2016 bei insgesamt 244 Parteivertretern auf 22 AfD-Gäste, rund neun Prozent. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow hat ebenfalls Strichlisten geführt: Danach saß von Oktober 2015 bis Anfang März 2017 in 11,3 Prozent der Polittalks ein AfD-Vertreter. Dazu passen zwei Fragen: Gibt es eine gerechte Zahl für die AfD-Teilnahme an den Gesprächsrunden von ARD und ZDF? Wie ungerecht ist die sinkende Zahl an Einladungen?
TV-Präsenz hilft den Rechtspopulisten
Natürlich haben die Rechtspopulisten bemerkt, was sie gerne und gerne laut bestritten haben: Ihr Erfolg in der Gesellschaft und bei Wahlen hängt mit ihrer Präsenz in den „Systemmedien“, in der „Lügenpresse“, im „Staatsfernsehen“ zusammen. Das vor sich hergetragene und mit dem „Fake News“-Präsidenten Donald Trump geteilte Selbstverständnis, dass über die eigenen Kanäle zwischen Partei und Mitgliedern besser, direkter und erfolgreicher kommuniziert werden kann, wird von der wachsenden Erkenntnis gekontert: Der eigene Echoraum ist viel zu klein, es braucht den großen der reichweitenstarken Medien. Mögen die AfD-Radikalen ARD und ZDF nach der Machtübernahme auch abschaffen wollen, bis dahin wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Resonanzboden dringender denn je benötigt. Auch zu dem Zweck, die Lieblingsrolle weiterzuspielen: die Opferrolle. Beatrix von Storch postete zu ihrer Einladung beim ARD-Mittwochstalk: „Bei ,Maischberger‘ hat offensichtlich jemand abgesagt, sodass ich sehr kurzfristig einspringe.“ Das Thema lautete „Brexit stärkt Europa! Nationalisten am Ende?“ Da sollte denn doch eine Nationalistin in der Runde sitzen, oder?
Beatrix von Storch wie der gesamten AfD müsste aufgefallen sein, wie sehr sich die Partei durch ihre Monothematik der Flüchtlingskrise in die Abhängigkeit einer Themenkonjunktur begeben hat. Die Flüchtlingskrise steht längst nicht mehr im Zentrum der politischen Öffentlichkeit. Auch das Kalkül der Talkshow-Redaktionen mag sich geändert haben: Die AfD-Vertreter sorgten selbstredend für die gewünschten Konfrontationen, mit den Themen Erdogan, Trump und dem „Schulz-Zug“ finden sich neue Konfliktlinien, an denen sich die Runden auch ohne AfD abarbeiten können.
Quote für die AfD?
Braucht das Talkfernsehen eine AfD-Quote? Gewiss nicht, es braucht überhaupt keine Quoten. Die Redaktionen bestimmen die relevanten Themen und laden die notwendigen Gäste dazu ein, nach eigenen, unabhängigen, nach professionellen Maßstäben. Und jede ihrer Entscheidungen, jede ihrer Sendungen zieht Kritik auf sich. Thema, Diskussion, Moderation – es prasselt von allen Seiten.
Hier, in der fernsehkritischen Perspektive, kann die AfD sich beteiligen. Sie darf sich über die Auswahl der Themen und der Gäste beschweren, das steht ihr selbstverständlich zu. Nicht weniger, nicht mehr. Und es steht ihr zu, das beklagte Talk-Dilemma mit dem eigenen Dilemma zu verknüpfen. Die programmatische Armut der Alternative für Deutschland taugt nur bedingt für eigenen Reichtum im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.