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Welche Kraft hat es gebraucht, Szenen wie diese zu spielen? Als Hannelore Elsner die schwer krebskranke Rose Just verkörperte – im Bild mit Marcus Mittermeier als Dr. Feiffer – , hatte sie selbst nur noch wenige Tage zu leben.
© BR/ARD Degeto/Marc Reimann

Abschiedsvorstellung: Ein letzter Film mit Hannelore Elsner

Die Münchner Tragikomödie „Lang lebe die Königin“ ist der letzte Film mit Hannelore Elsner. Er konnte nur mit einem Kunstgriff vollendet werden.

„Ich möchte verbrannt werden, kannst du dir das merken? Verbrannt und verstreut.“ Wie sie es wohl geschafft haben mag, solche Dialogsätze zu sprechen, sie zu spielen? Als Hannelore Elsner diese Sätze am Filmset im März und April 2019 sagt und eine an Krebs schwer erkrankte, sterbende Mutter und Lebensgefährtin spielt, da ist die Schauspielerin selbst schwer an Krebs erkrankt und sterbend.

Die Dreharbeiten an der von Richard Huber nach einem Drehbuch von Gerlinde Wolf in Szene gesetzten berührenden Tragikomödie „Lang lebe die Königin“ sind zu etwa dreiviertel vorangeschritten, da muss Hannelore Elsner endgültig abbrechen. Es geht nicht mehr, sie kann nicht mehr, keinen einzigen weiteren Drehtag. Am 21. April 2019 stirbt sie im Alter von 76 Jahren.

Fünf Drehtage fehlten am Ende

Fünf Drehtage hatten noch gefehlt, fünf Einstellungen. Was also tun? Produktion und Bayerischer Rundfunk entscheiden, jeden einzelnen dieser fünf Drehtage mit einer anderen Schauspielerin als Rose Just zu besetzen: Und so ist es nach ersten Szenen, die im Krankenhaus spielen, wo sie ihre ambulante Chemotherapie erhält und anschließend von Tochter Nina Just (Marlene Morreis) nach Hause aufs Land gefahren wird, wo Lebensgefährte Werner Wittich (Günther Maria Halmer) schon wartet, plötzlich Gisela Schneeberger, die aus dem Wagen aussteigt und sich erneut mit der Tochter streitet.

Denn diese Mutter-Tochter-Liebe drückt sich vor allem auch darin aus, dass sie unentwegt miteinander streiten, dass Tochter Nina, die bei einem Verkaufssender die recht enthirnten Werbe-Clips moderiert und im Studio vor einem Green-Screen einspielt, ihr Leben lang vergebens um die ersehnte Anerkennung der durchaus sarkastischen, harten Mutter kämpft und partout nicht bekommt.

[„Lang lebe die Königin“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15]

Im Gegenteil, Mutter Rose macht sich regelmäßig über die Arbeit von Tochter Nina lustig, während Sohn Leon (Ole Puppe), seines Zeichens im südfranzösischen Marseille lebender freier Musiker und notorisch blank, von Rose alle Lobhudeleien und Liebesbeweise bekommt. Es sind diese ungerecht verteilten Waagschalen des Lebens, die hier elegant und eher en passant, mal amüsant, mal traurig, miterzählt werden.

Es ist also Gisela Schneeberger, die aus dem Wagen steigt. Und bald schon sollen in anderen Szenen Iris Berben, Eva Mattes, Hannelore Hoger und Judy Winter folgen. Ein Kunstgriff, um den Film doch noch vollenden zu können. Ein Kniff, der insofern funktionieren mag, weil das Aktricen-Quintett erst gar nicht versucht, Hannelore Elsner zu sein, wie sie Rose Just spielt. Jede der fünf bringt sich selbst mit ein. Es bleibt letztlich bei den Zuschauern, dies so zu akzeptieren.

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Als die schwerkranke Rose schließlich eine Spenderniere braucht, brechen die Familienkonflikte zusehends auf – wer von ihnen könnte der Spender sein – und vor allem: Wen von ihnen fragt Rose und wen nicht. Natürlich, Tochter Nina wird als Letzte gefragt. So geht das die ganze Zeit, selbst als Rose ihren letzten Geburtstag groß feiert, draußen auf der Wiese vor dem Haus – nun gespielt von Iris Berben – und Leon, eigens aus Marseille angereist, zusammen mit Nina und ihrem neuen, wesentlich jüngeren Freund, dem Kfz-Mechaniker Mike (Matthias Kelle), im offenen Wagen vorfährt, da ist es abermals Leon, der ganz anders willkommen geheißen wird als Nina. Wie sie dieses permanente Zerrissensein zwischen natürlich vorhandener Tochterliebe, dem anhaltenden Gefühl des Ungeliebtseins und den ständigen Versuchen, es der Mutter recht zu machen – bis hin zu der beinahe grotesken, traurigen Idee, ihr mittels Schaumkissen eine falsche Schwangerschaft vorzugaukeln – fein nuanciert und wohltariert ausspielt, das gelingt Marlene Morreis hier ganz wunderbar, mal an der Seite – und keineswegs im Schatten – von Hannelore Elsner, mal an der Seite einer der anderen fünf. Marlene Morreis ist hier zweifellos das zweite sehenswerte Ereignis.

Nur Wochen vor dem eigenen Krebstod

In einer der letzten Sequenzen liegt Hannelore Elsner als Rose Just erneut im Krankenhaus, sie bekommt die nächste Chemo. Als die Schwester gegangen ist, versucht sie selbst, die Dosis zu erhöhen, doch der Ständer mit dem Tropf fällt um. Sie ruft Tochter Nina an, die eigentlich gerade erst gegangen ist und mit dem Wagen sofort umdreht. Sie bittet die Tochter, auf die Tastatur der Apparatur zu drücken, so lange, bis die höchste Dosis erreicht ist und das toxische Mittel in sie hineinfließen kann. Nina weigert sich, zunächst. „Du kannst das. Du kannst alles“, sagt da die Mutter zu ihrer Tochter und ermutigt sie dazu. Daraufhin drückt Nina immer wieder auf die Taste, während ihr die Tränen laufen und Rose ihr dabei zusieht.

Wie nur um alles in der Welt mag sie das geschafft haben, solche Szenen zu spielen – Wochen, Tage vor ihrem eigenen Krebs-Tod. Es ist Hannelore Elsners ganz eigener Abschied von Leinwand und Bildschirm – und vom Leben. Man verbeugt sich danach unweigerlich vor ihr.

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