zum Hauptinhalt
Einmal noch Hannelore Elsner als Kommissarin, wenngleich als pensionierte Ermittlerin. „Die Guten und die Bösen“ gehört zu den letzten Filmen, die die große Schauspielerin vor ihrem Tod am 21. April 2019 gedreht hatte.
© HR/Degeto

Hessen-„Tatort“ mit Hannelore Elsner: Rote Linien, grüner Schal

Der „Tatort: Die Guten und die Bösen“ ist eine der letzten Premieren mit Hannelore Elsner. Das Erste zeigt ihn zwei Tage vor ihrem ersten Todestag.

„Als Polizist musst du an etwas glauben. Wenn du das nicht tust, bist du keiner mehr von uns.“ Dieses Zitat der pensionierten Kriminalkommissarin Elsa Bronski – gespielt von Hannelore Elsner in einer ihrer letzten Rollen vor ihrem Tod am 21. April des vergangenen Jahres – steht wie ein Epitaph über dem „Tatort: Die Guten und die Bösen“.

Genauso passend wäre allerdings auch das Bronski-Zitat „Einmal Bulle, immer Bulle“ gewesen, zumal Hannelore Elsner dem Fernsehpublikum nicht zuletzt wegen ihrer Rolle als Lea Sommer in 66 Folgen von „Die Kommissarin“ in Erinnerung geblieben ist. Damit hat sie „den Typus der weiblichen Ermittlerin in den 90er Jahren entscheidend geprägt“, erklärte ARD-Programmchef Volker Herres nun anlässlich dieser ungewöhnlichen TV-Premiere.

[„Tatort: Die Guten und die Bösen“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15]

In diesem „Tatort“ des Hessischen Rundfunks geht es zwar nicht in erster Line, aber auch um eine ehemalige Kommissarin, die im Ruhestand einen ungelösten Fall zum Abschluss bringen möchte. „Die Guten und die Bösen“ erzählt insgesamt von Menschen, die nicht loslassen können – mit unterschiedlichen Konsequenzen für sich und andere. Denn auch der Polizist Ansgar Matzerath, gespielt von Peter Lohmeyer, kann die Vergangenheit nicht ruhen lassen – und wird in einem Fall von Selbstjustiz selbst zum Täter.

Die ganz dicken Bretter

Dieser „Tatort“ ist harter Tobak. Das galt schon für andere Episoden aus Frankfurt. Doch in „Die Guten und die Bösen“ sollen die ganz dicken Bretter gebohrt werden. Es geht um nichts weniger als das berufliche Selbstverständnis von Polizisten. Was ist unser Job und warum üben wir ihn aus? Was ist Schuld und welchen Sinn macht Sühne? Werden durch erfolgreiche Polizeiarbeit Verbrechen verhindert oder ist das System der Abschreckung eine Illusion?

Die Suche nach einem Mörder entfällt für Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) dieses Mal. Vielmehr ist es der mutmaßliche Täter selbst, der die Kommissare zum Tatort fährt – in einem Polizeifahrzeug, denn Ansgar Matzerath ist ein uniformierter Kollege, ja sogar ein Freund von Brix. In der Waldhütte, in der das Opfer nicht nur ums Leben kam, sondern offensichtlich zuvor auch noch gefoltert wurde, gesteht Matzerath: „Ich habe ihn getötet. Ich bin der Mörder.“ Der Mörder eines Mannes, der die Frau des Polizisten vor sieben Jahren entführt und über mehrere Tage vergewaltigt hat, aber nie gefasst und zur Rechenschaft gezogen wurde. Elsa Bronski hat damals ermittelt, jedoch ohne Erfolg – die Pensionierung kam dazwischen.

Surreal ist zugleich die ganze Situation, in der sich Brix und Janneke um diesen Fall kümmern müssen. Nicht nur, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen Kollegen, ja um einen Freund handelt. Weil das Präsidium gerade grundsaniert wird, muss das Verhör auf einem Gang stattfinden, nur durch Plexiglas-Trennwände ein wenig von den Bauarbeitern getrennt. Bei dem Gebäude handelt es sich übrigens um die ehemalige Zentrale des Versandhändlers Neckermann im Frankfurter Stadtteil Fechenheim.

 [Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple-Geräte herunterladen können und hier für Android-Geräte.]

Zu allem Überfluss hat Staatsanwalt Bachmann (Werner Wölbern) der Mordkommission noch ein Coaching verordnet. Das Team um Brix und Janneke ist nicht nur vom kanariengelben Hosenanzug von Olivia Dor (Dennenesch Zoudé) irritiert, sie können auch wenig mit ihren Buzzwords wie „Change Management“ oder „Mind Mapping“ anfangen. Vor allem aber kommen Fragen nach dem Selbstverständnis der Polizeiarbeit gerade jetzt zur Unzeit, wo Brix und Janneke doch alles daransetzen, ihrem Kollegen goldene Brücken für mildernde Umstände zu bauen.

Jeder Polizist muss erkennen, wo die rote Linie verläuft, die er unter keinen Umständen übertreten darf, so lautet das Credo von Elsa Bronski. Matzerath hat diese Linie missachtet. Dass er ständig „Walk the Line“ von Johnny Cash summt, sagt alles. Noch bemerkenswerter ist jedoch, wie Hannelore Elsner in ihrer Rolle als Elsa Bronski beinahe zärtlich über das Foto von Helen Matzerath in der Polizeiakte fährt. Eine beiläufige Geste, die nur wenige Sekunden dauert, doch damit drückt die Schauspielerin, die im Alter von 76 Jahren gestorben ist, all die Empathie aus, die diese Kommissarin ausmachte.

Denn es gibt immer diesen einen Fall, der einen nicht mehr loslässt. Elsa Bronski weiß, dass man nicht alle Fälle lösen kann. Aber dieser hier gibt ihr keine Ruhe. Elsner lässt die Zuschauer die Pein spüren, die es Elsa Bronski bereitet, diesen Täter nicht gefasst zu haben. Nun sitzt die ehemalige Kommissarin in einem riesigen Kellerraum, der bis auf ihre kleine, über und über mit Aktenordnern zugestellte Büroecke entkernt wurde. Nur ihren Schäferhund hat sie an der Seite und verfasst Memos, welchen Spuren noch einmal nachgegangen werden sollte.

Ein Peter Lohmeyer auf Valium

Ebenso wie Hannelore Elsner beeindruckt aber das minimalistische Spiel des Peter Lohmeyers. Sein Ansgar Matzerath ist ein Mensch auf Valium, der nach seiner Tat nichts mehr erwartet, aber dennoch die klare Haltung eines überzeugten Polizisten vertritt, auch gegenüber sich selbst. Ein Verbrecher muss bestraft werden, sonst scheitert das ganze System. Das gilt für den Vergewaltiger seiner Frau, aber auch für ihn. Das System mag nicht perfekt sein, aber es ist das beste, das wir haben. Darin sind sich der Mörder und die Kommissarin einig.

„Während der Dreharbeiten 2019 war kein Gedanke an Krankheit“, erinnert sich Regisseurin Petra K. Wagner an die Zusammenarbeit mit Hannelore Elsner. „Sie hatte große Freude an dieser Figur und ihre Konzentration und Präsenz waren beeindruckend. Sie wollte drehen und Spaß haben, lachte viel – und sie wirkte stark auf mich – wenn ich den Film heute sehe, sehe ich ihren Abschied.“

Hannelore Elsners allerletzten Film „Lang lebe die Königin“ zeigt die ARD als TV-Premiere am übernächsten Mittwoch im Ersten, in die ARD-Mediathek kommt er bereits am kommenden Mittwoch.

Zur Startseite