Terror-Krimi vom WDR: Ein Dortmunder "Tatort" im Daueralarm
Sprengstoffgürtel, Terrordrohung: Selten hat ein "Tatort" vorab für so viel Hin und Her gesorgt. Nach dem Anschlag in Berlin wurde er verschoben. Nach den Bomben gegen den BVB nicht.
Ein Mann in einem verdunkelten Büro, es ist tiefe Nacht. Verbissen tippt er Daten in einen PC, schreibt offenbar Überweisungen. Unter seiner Jacke ein Sprengstoffgürtel. Kommissar Faber (Jörg Hartmann) steht neben ihm, schaut zu. Draußen vor der Bank wurden gerade zwei Polizisten aus nächster Nähe erschossen. Der Mann am PC droht Faber damit, die Bombe hochgehen zu lassen, wenn er bei seiner Arbeit gestört wird.
Man ahnt es bei dieser Szene, und das Ende des Krimis setzt da beunruhigenderweise noch einen drauf: Selten hat ein „Tatort“ für so viel Hin und Her gesorgt wie „Sturm“. Nach dem Anschlag auf einem Berliner Weihnachtsmarkt wurde er Anfang des Jahres aus dem Programm genommen. Jetzt soll er Ostermontag zu sehen sein. Wieder kommt der Krimi zur Unzeit, sechs Tage nach dem Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund im Vorfeld des Spiels gegen AS Monaco, bei dem ein Spieler verletzt wurde. Die gleichermaßen regionale wie thematische Nähe des Films zu diesem Anschlag ist frappant. Die Frage nach einer erneuten Verschiebung stellte sich die ARD jedoch nicht.
„Wir halten den zeitlichen Abstand nach dem Berliner Anschlag für die direkt betroffenen Angehörigen für gewahrt“, sagte eine WDR-Sprecherin dem Tagesspiegel. Gemessen an der allgemeinen Lage, die sich täglich, stündlich ändern kann, ließen sich Fragen zu einer Angemessenheit der Ausstrahlung nicht pauschal beantworten. „Es ist eine Abwägungsentscheidung.“ Der „Tatort“ könne aufgrund seiner zeitaktuellen, inhaltlichen Ausrichtung der Realität nicht ständig ausweichen.
Das kann man auch anders sehen. „Ich finde das nicht richtig“, sagt Serap Güler, CDU-Politikerin im NRW-Landtag und im WDR-Rundfunkrat. „Nach wie vor stehen viele Dortmunder unter Schock, da kann und darf man eine Sensibilität vom öffentlich-rechtlichen Sender erwarten, der auch verantwortungsvoll mit derartigen Dingen umgehen muss.“
Wenn die ARD in Rücksicht auf die Gefühle der betroffenen Spieler des Dortmunder Anschlags und deren Angehörigen sich für eine Verschiebung des „Tatorts“ entscheiden würde, dann hätte Tabea Rößner dafür Verständnis. Die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag verweist aber auch darauf, dass Spielfilme wie der „Tatort“ helfen können, Ursachen für gesellschaftliche Realitäten zu ermitteln, um eine Verarbeitung des Geschehenen zuzulassen.
"Das hat mit Allah nichts zu tun"
Ein wenig erinnert die Diskussion über die Angemessenheit dieser „Tatort“-Ausstrahlung an den seltsamen Satz auf der Pressekonferenz von Innenminister Thomas de Maizière nach den Anschlägen von Paris und der Absage eines Länderspiels in Hannover, wegen etwaiger Terror-Gefahr. Demnach gebe es, sinngemäß, Wahrheiten, die dem Bürger nicht zuzumuten seien. Teile der Antwort, so de Maizière damals, würden „die Bevölkerung verunsichern“.
Seien wir froh, dass uns die ARD mit dem „Tatort“ nicht für dümmer verkauft, als wir sind. Für empfindsamere Zuschauer gibt es den Aus-Knopf. Sie verpassen einen schnörkellosen, fast in Echtzeit erzählten Krimi (Regie: Richard Huber). Ein bisschen „24“, jener US-Echtzeit-Thriller, es herrscht Daueralarm (Buch: Martin Eigler, Sönke Lars Neuwöhner). Sie verpassen einen gewohnt zynischen Hauptkommissar („Die einen sprengen sich für Allah in die Luft, die anderen sagen, das hat mit Allah nichts zu tun. Das nervt. Ihr müsst euch mal entscheiden“). Faber ist drinnen in der Bank als Psychologe gefragt, während Kollegin Bönisch (Anna Schudt) draußen das SEK zügeln muss.
Das will den Mann mit Sprengstoffgürtel (Felix Vörtler) rasch ausschalten. Dabei hat der vermeintliche Helfershelfer – ein Konvertit, der dem IS mit Überweisungen Geld zuschanzen soll – ganz andere Nöte. Die letzten Szenen dieses „Tatorts“ werden die Diskussionen über den Krimi dann noch einmal anheizen, ohne hier zu viel zu spoilern.
Schade nur, dass bei all den Terror-Debatten der Abgang von Stefan Konarske alias Kommissar Kossik verpasst wird. Kossik hat sich mit Faber eh’ nie verstanden. Und der rastet beim nächsten Mal bestimmt aus. Dann reden wir wieder mehr über Krimis als solche.
„Tatort: Sturm“, Ostermontag, ARD, 20 Uhr 15