"Tatort" aus Dortmund: Faber außer Rand und Band
Der Dortmunder „Tatort“ spielt diesmal im Rocker-Milieu. Die Frage ist: Wie durchgeknallt darf ein TV-Kommissar sein?
Vom Wiener Burgtheater nach Dortmund, das klingt nicht unbedingt nach einem prima Karriereweg. Doch das Duell, das sich Jürgen Maurer und Oliver Masucci zu Beginn des „Tatort“ an diesem Sonntag liefern, könnte packender nicht sein. Maurer, der für seine Rolle in „Das Wunder von Kärnten“ 2013 mit einem International Emmy ausgezeichnet wurde, ist der Präsident des Rockerklubs „Miners“. Nach zehn Monaten U-Haft kommt er frei und muss seinen Vize, gespielt von Oliver Masucci (der Hitler in „Er ist wieder da“), auf seinen angestammten Platz in der Rangfolge des Klubs verweisen. Minutenlang stehen sich beide gegenüber, versuchen sich mit Blicken zu dominieren, so als würden sie geradewegs aus einer Folge der US-Bikerserie „Sons of Anarchy“ entspringen.
Der neunte "Tatort" aus Dortmund
Ausgangspunkt des neunten „Tatort“ aus Dortmund, wieder aus der Feder von Jürgen Werner und zum dritten Mal unter der Regie von Thomas Jauch, ist jedoch ein anderes Mitglied der „Miners“. Allein der Name des Klubs ist für eine ehemalige Zechenstadt wie Dortmund ein geradezu genialer Einfall. Klub-Member Ralf Kowak braust mit seinem Motorrad durch Dortmunds Nordstadt und wird vom Fahrer eines amerikanischen Vans über den Haufen gefahren. Der verletzte Biker schafft es noch, sich mit seiner Pistole gegen seine Angreifer zur Wehr zu setzen. In der Schießerei kommen er selbst und zwei unbeteiligte Passanten zu Tode. Die Angreifer hatten es offensichtlich auf den Rucksack des „Miners“ abgesehen.
Zunächst beginnen die Ermittlungen in dieser Folge mit dem Titel „Zahltag“ für das Team mit den Hauptkommissaren Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) sowie den beiden jungen Kollegen Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel) verhältnismäßig unproblematisch. Der Angriff auf den Biker findet sich als Handy-Video wenig später in den sozialen Netzwerken wieder, was die Feststellung der Täter erleichtert. Doch der Fall ist komplexer, als es zunächst den Anschein hat. Stichwort organisierte Kriminalität. Hinzu kommt, dass gegen Faber nach einer Dienstbeschwerde von Kossik eine interne Ermittlung läuft.
Der Dortmunder „Tatort“ war angetreten, Geschichten anders, serieller zu erzählen. Auf der einen Seite der aktuelle Fall, auf der anderen der große Bogen, in dessen Mittelpunkt Faber steht. Der Mord an seiner Frau und seinem Kind, eine der Ursachen für das unvorhersehbare Verhalten des Kommissars, war jedoch irgendwann aufgeklärt. Faber bleibt aber auch weiterhin der Fixstern, um den sich der Dortmunder „Tatort“-Kosmos dreht. Die Drehungen werden dabei immer schneller. In dieser Episode drohen die Zentrifugalkräfte das Team schier auseinanderzureißen.
Psychospiele der Internen Ermittlung
Kossik hatte die Dienstbeschwerde gegen seinen Chef geschrieben, weil Faber mit einer Halbweltgröße einen Pakt geschlossen hatte, um einen Fall zu lösen. Seine Grenzüberschreitung führte jedoch dazu, dass ein junger Mann ums Leben kam. Nun müssen die Kollegen zur Befragung durch den internen Ermittler Johannes Pröll (Milan Peschel). Dessen Psychospiele können es mit dem latenten Wahnsinn von Faber aufnehmen.
Das Besondere am „Tatort“ aus Dortmund ist allerdings, wie sich Jürgen Werner – der mit Ausnahme von zwei Folgen sämtliche Drehbücher geschrieben hat – in die Welt der Ruhrgebietsstadt hineinversetzt. Und damit sind nicht nur die Lecker Pils und die vielen Kurzen gemeint, die Faber in Kossiks Eckkneipe beim „Meister des Gerstenkaltschalengetränks“ ordert. Es ist vielmehr diese raue Herzlichkeit der Menschen in dieser für viele Jahre von der harten Arbeit in Zechen und Hochöfen geprägten Region, die den Dortmund-„Tatort“ so eindeutig verortet. Zu diesem Leben gehörte immer auch, dass man sich aufeinander verlassen kann. Doch genau aus dieser Welt verabschiedet sich Faber. Selbst jene Kollegen, die trotz seiner Alleingänge und seines durchgeknallten Verhaltens bis jetzt zu ihm gehalten haben, gehen auf Distanz. Noch ist diese Geschichte allerdings nicht zu Ende erzählt.
„Tatort: Zahltag“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15