Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Drei Milliarden mehr, sonst...
Der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm fordert höheren Beitrag fürs Programm. Sonst müsse dessen Qualität leiden.
Immerhin, eine große Zahl hatte der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm parat. „Wenn wir keinen Teuerungsausgleich über drei Milliarden Euro bekommen, werden wir tief in unsere Programme schneiden müssen.“ Woher diese Summe kommt, aus welchen Faktoren sie sich zusammensetzt, wollte (oder konnte?) Wilhelm beim Pressegespräch am Donnerstag in Berlin nicht sagen.
Aber der Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR), der den ARD-Vorsitz für zwei Jahre übernommen hat, hat als ehemaliger Regierungssprecher des bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und der CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel genug politische Erfahrung, dass die große Zahl öffentlich mehr Eindruck machen kann als die detailgetriebene Stelle hinter dem Komma.
Denn das soll passieren: dass die Rundfunkpolitik, die über die finanzielle Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entscheidet, wie auch die Gesamtheit der Beitragszahler erschrickt. Erschrickt darüber, dass bei einem Status quo des Monatsbeitrages von 17,50 Euro es weniger Programm von ARD, ZDF und Deutschlandradio geben wird. Derzeit nutzen die drei Sender acht Milliarden Euro Einnahmen für 20 Fernsehprogramme, 69 Radiowellen und mehr als 120 Mobile- und Desktopangebote.
Ministerpräsidenten entscheiden über höheren Beitrag
Die geforderte Erhöhung des Monatsbeitrages über jährlich 1,7 Prozent wird über die Anmeldung der Sender und deren Prüfung durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ermittelt. Entscheiden müssen dann die 16 Ministerpräsidenten – und zwar einstimmig.
Ulrich Wilhelm machte deutlich, dass die Meinungen in den Senats- und Staatskanzleien über den Beitrag für die Periode 2021 bis 2025 überaus heterogen seien. Es gebe eben nicht mehr die Phalanx der A- und B-Länder, also die nur von der SPD oder den Konservativen geführten Landesregierungen, die sich – wie in der Vergangenheit – über Gebühr/Beitrag geräuschlos verständigen konnten. Außer in Bayern würden Koalitionen regieren, und was der eine Partner wolle, das wolle der andere Regierungspartner nach lange nicht. Ulrich Wilhelm wollte sich deswegen auf keine Prognose einlassen, welcher Rundfunkbeitrag von 2021 an gelten wird. Was dieser ARD-Vorsitzende sich aber vorgenommen hat: auf widersprüchliche Forderungen aus der Ministerpräsidentenrunde hinzuweisen. „Ihr müsst noch höhere Beitrage einsparen“, lautet die erste, „Ihr dürft aber das Programm nicht belasten“, die zweite. Was da die Agenda der ARD ist, ließ Wilhelm offen. Anscheinend will er mehr als Diplomat denn als Reformator glänzen.
Der 56-jährige Jurist und Journalist sieht die neun ARD-Sender vor allem bei Verwaltung, Produktion und Technik längst im Sparmodus – „mit ersten Schleifspuren im Programm“. Wilhelm nannte in diesem Zusammenhang die gestiegene Wiederholungsrate.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk als öffentliches Gut
Ulrich Wilhelm sieht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein öffentliches Gut wie Schulen oder Universitäten. Und so, wie es öffentliche und private Schulen oder öffentliche und private Universitäten braucht, so braucht es seiner Meinung einen von der Gesellschaft getragenen und für die Gesellschaft arbeitenden Rundfunk und ein privatwirtschaftlich finanziertes Pendant. Der ARD-Vorsitzende hat dazu Post und Mails bekommen: „Nicht wenige, die sich zu ARD, ZDF und Deutschlandradio bekennen, beschweren sich, dass sie für eine Institution bezahlen müssen und nicht nur für die Programme und Sendungen, die sie nutzen.“ Der Kampf um die Gunst wie die Aufmerksamkeit der Kritiker wird sich intensivieren, da macht sich Wilhelm keine Illusionen.
Und er fordert eine Reaktion in den Sendern, in den Redaktionen, bei Ausbildung und Anstellung. Die Mehrheit der Journalisten stamme aus dem urbanen, akademisch geprägten Milieu. „Die Probleme vieler Menschen finden in den unmittelbaren Tageserlebnissen von Journalisten nicht in dem Maße statt, wie es für die Bevölkerung repräsentativ wäre“, hatte er in einem dpa-Interview gesagt. Das müsse sich ändern, auch im Ersten Programm. Wilhelm beklagte eine Dominanz der Talkshows – die Klage fällt ihm leicht, als der BR keine Talkshow im Ersten hat –, zugleich eine zu geringe Vielfalt an Formaten nicht nur in der Politikberichterstattung. „Mehr Themenabende, mehr Dokumentationen, mehr innovative Serien“ seien notwendig.
Das wird den gewachsenen Abstand zwischen Erstem und Zweitem kaum verringern. Das ZDF erzielte 2017 einen Marktanteil von 13,0 Prozent, das Erste sank auf 11,3 Prozent. Wilhelm: „Das ZDF programmiert sehr professionell nach Reichweite, wir programmieren nach Relevanz. Das Erste will das Zweite nicht überholen.“