Russia Today Deutsch: Die Stimme des Kremls in Deutschland
Zwischen Polarisierung, Flüchtlingskrise und Profession: Was macht eigentlich der russische Sender RT Deutsch?
In den knapp anderthalb Jahren seines Bestehens hat sich beim deutschen Ableger des russischen Propagandasenders Russia Today, bei RT Deutsch, einiges getan. Moderatorin Jasmin Kosubek eilt nicht mehr hektisch in das Fernsehstudio, verhaspelt sich nicht mehr so oft. Kameramänner und Tontechniker tauchen nicht mehr plötzlich im Bild auf.
Das am Potsdamer Platz in Berlin gelegene Studio erscheint im neuen Gewand. Viele Menschen sehen in RT Deutsch eine echte Alternative zum „Mainstream“. Schon als der Sender im November 2014 an den Start ging, sorgte er für Aufsehen in den Medien. Die Redaktion gab sich selbstbewusst und kokettierte mit dem Label „Putin-Versteher“. Vor Kurzem kam es allerdings zu unerwartetem Störfeuer. Das Wort „Verrat“ macht die Runde.
Gemeint ist die, man könnte sagen, Abrechnung der ehemaligen RT-Deutsch-Reporterin Lea Frings mit ihrem einstigen Arbeitgeber. Dem Medienmagazin „Zapp“ gab die Berlinerin Mitte Februar ein Interview. Dort sprach sie über Manipulationen und einseitige Berichterstattung beim Kremlsender und über die Gründe für ihren Ausstieg.
„Fakt ist, dass es Berichte gibt, die man nicht als journalistisch sehen kann“, sagte Frings und nannte eine Reihe von Beispielen. Da seien in der Ukraine-Berichterstattung die Verfehlungen der russischen Seite einfach weggelassen wurden.
In Berlin leben 170.000 russischsprachige Einwanderer
Auch in Beiträgen über Flüchtlinge in Formaten wie "Der fehlende Part" habe sich der Sender durch Hetze hervorgetan, etwa, wenn geistig behinderte Menschen vor dem Berliner Lageso als „minderbemittelt“ bezeichnet würden. Frings kommt aus der neurechten „Mahnwachen-Bewegung“, hatte sich dort aber stets als Antifaschistin inszeniert. „Frankreich liebt den Verrat, aber nicht den Verräter“, kommentierte ihr ehemaliger Kollege Nicolaj Gericke das Interview hinterher trocken.
Hinter dem Sender steckt die Videoagentur Ruptly, eine Tochter des russischen Staatssenders Russia Today. Die Nachfrage dürfte vorhanden sein: Allein in Berlin leben derzeit rund 170.000 russischsprachige Einwanderer. Vor einem Jahr sagte Chefredakteur Ivan Rodionov im Interview mit dem Tagesspiegel: „Wir sind ein Teil der deutschen Medienlandschaft.“
Genaue Angaben über aktuelle Zuschauerzahlen gibt es nicht, eine erneute Anfrage an die Chefredaktion blieb unbeantwortet. Ein Anhaltspunkt für die Reichweite sind durchaus die Social-Media-Kanäle: RT Deutsch erreicht mit über 180 000 Facebook-Fans und knapp 60 000 YouTube-Abonnenten mehr Menschen als manche andere Medien. Die Videobeiträge werden teils hunderttausendfach geklickt.
Abgang von Lea Frings Zeichen von Radikalisierung
Das Publikum ist im Zuge der Flüchtlingskrise offenbar deutlich nach rechts gerückt. In den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke häufen sich rassistische, antisemitische und russlanddeutschtümelnde Nutzerbeiträge. Von allzu offen rechtslastigen Inhalten haben sich die Macher inzwischen entfernt.
Wurden anfangs Redner aus dem Pegida-Umfeld zum Plausch ins Studio geladen oder deren Gegner pauschal diffamiert, gab es in der letzten Zeit immer wieder Beiträge, die sich mit der teils katastrophalen Situation von Geflüchteten beschäftigen. Einige Pegida-Aufmärsche werden allerdings immer noch unkommentiert per Live-Schalte übertragen.
Und so wuchern in den Kommentarspalten nach wie vor wilde Verschwörungstheorien über Flüchtlinge, Angela Merkel und den Westen. „Es wird heftiger“, sagt der Psychologe Sebastian Bartoschek, der sich mit der Verschwörungstheoretiker-Szene beschäftigt und auch RT Deutsch seit Langem beobachtet. Der Ausstieg von Lea Frings habe einen Wendepunkt markiert: „So etwas ist immer ein Zeichen von Radikalisierung.“
Der Fall Lisa
Der Sender habe sich sehr gut in verschwörungstheoretischen und in AfD-Kreisen etablieren können. „Sie haben es aber nicht geschafft, aus dieser Ecke herauszukommen und eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen“, sagt Bartoschek. Punkten könne der Sender vor allem mit seinen zahlreichen Live-Schalten. „Da merkt man, dass Kreml-Geld dahintersteckt.“
Andere Redaktionen könnten so etwas nicht leisten. Bemerkenswert findet er, wie unkritisch die Beiträge von den Nutzern aufgenommen würden. „Während die sogenannten Mainstreammedien unter Generalverdacht stehen, werden RT-Beiträge kritiklos konsumiert und weiterverbreitet.“ Wie der Fall des russlanddeutschen Mädchens Lisa aus Marzahn.
Die 13-Jährige wurde am 11. Januar dieses Jahres von ihren Eltern als vermisst gemeldet. Als sie einen Tag später wieder auftauchte, erzählte sie von einer angeblichen Vergewaltigung durch „Südländer“. Das stellte sich hinterher als Lüge heraus: Das Mädchen hatte bei ihrem Freund übernachtet. Eine Vergewaltigung hatte es nie gegeben. Russische Medien griffen den Fall auf und suggerierten, die Polizei habe das Mädchen unter Druck gesetzt. Und RT Deutsch?
RT Deutsch machte auf mit Schlagzeilen wie „Der Fall Lisa: Politisierung eines Sexualverbrechens“. „Russophobe Mainstreammedien“ seien dazu ermuntert worden, „das Schicksal eines Mädchens auf schamlose Weise politisch auszubeuten“, wetterte RT-Deutsch-Reporterin Maria Janssen.
RT wolle die deutsche Gesellschaft spalten
„Bei RT Deutsch ist die Stoßrichtung immer vorgegeben, mit Journalismus hat das rein gar nichts zu tun“, sagt der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer dem Tagesspiegel. „Sie transportieren das, was aus Kreml-Sicht hilft, die Spaltung der deutschen Gesellschaft voranzutreiben.“ Sundermeyer hatte einen Blick hinter die Kulissen des Senders werfen können.
Ende 2014 wurde er von RT Deutsch zum Thema Nationalismus im Fußball interviewt. Auch wenn die Produktion manchmal recht holprig daherkommt, Amateure sieht Sundermeyer bei RT Deutsch nicht am Werk. „Hinter der Kamera arbeiten zum Teil dieselben Leute, die ihr Geld sonst auch bei n-tv oder der Deutschen Welle verdienen. Und natürlich sind die professionell.“
Gerade vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise sei RT Deutsch „eine Gefahr“. Es gehe dem Sender darum, die Widersprüche aufzugreifen und zu instrumentalisieren, die das Thema Flüchtlinge in Deutschland berge.
Ein anderer Schwerpunkt liege auf der Diskreditierung anderer Medien, „um die These von der Lügenpresse bei ihrer Stammklientel zu bestätigen.“ Die Verstärker einer wachsenden Medienverdrossenheit also? Der Sender habe sich längst als Teil einer Gegenöffentlichkeit etabliert. Als ein Land, in dem Meinungsfreiheit herrscht, sagt Olaf Sundermeyer, müssten wir diese organisierte Manipulation aushalten.